Bauwelt

Looking for the voids

Learning from Asia’s liminal urban spaces as a foundation to expand an architectural practice

Text: Henning, Moritz, Berlin

Eventteaser Image
  • Social Media Items Social Media Items

  • Social Media Items Social Media Items


Looking for the voids

Learning from Asia’s liminal urban spaces as a foundation to expand an architectural practice

Text: Henning, Moritz, Berlin

Deutsche Architektinnen und Stadtplaner betrachten die boomenden Megacitys in Asien oft mit einer Mischung aus Grusel, Faszination und Unverständnis. Die vermeintlich regellose Stadtentwicklung und das schier endlose Wachstum scheinen jeder Entwurfsphantasie Raum zu geben. Nicht wenige träumen davon (und manche tun es auch), bei diesem entgrenzten Schneller-Größer-Höher mitmischen und bauen zu können, was in Deutschland (aus gutem Grund) nicht erlaubt ist.
Doch es gibt Architekten, die mit einem anderen Blick auf Asiens Städte schauen. Die in Hongkong ansässige, aus der Schweiz stammende Architektin Géraldine Borio etwa hat eine andere, eigene Lesart asiatischer Stadträume gefunden. Ihr Interesse gilt den Zwischen-, Leer- oder Transiträumen, den übrig gebliebenen Flächen ohne zugeschriebene Funktion hinter oder zwischen den Gebäuden, aber auch Orten, die aufgrund ihrer topografischen Eigenheiten bislang nicht bebaut wurden. Im Mittelpunkt steht dabei deren Aneignung durch die Nachbarschaft, informelle Aktivitäten, Kleingewerbe oder Freizeitaktivitäten, unmittelbar verbunden mit der Frage nach Grenzen, Schwellen, Überlappungen und der Trennung zwischen öffentlichem und privatem Raum.
Bereits als Studentin ging Borio nach Bangkok, wo sie sich mit den Potentialen der Resträume unter den aufgeständerten Schnellstraßen beschäftige, die sich wie ein Netz über die Mega-city legen. 2009 ließ sie sich in Honkong nieder, unterrichtet seitdem an verschiedenen Univer-sitäten und etablierte ihr eigenes Büro Borio Lab. Nun hat sie zehn ihrer Projekte, verortet in Bangkok, Hongkong und Seoul, in einem schön gemachten Buch zusammengestellt. In dieser Zeit entwickelte sie eine Praxis des vorsichtigen Lesens des Vorhandenen als Grundlage ihrer eigenen Arbeit. Die langjährige Beschäftigung hat, so schreibt sie, ihren Blick auf diese Räume ebenso beeinflusst, wie ihre eigenen Bauten. Während sie zu Beginn die Zwischenräume und ihre Nutzung als zu lösendes Problem betrachtete, sind dies heute für sie meist die Gebäude. Ihre eigenen Projekte wurden in diesem Kontext immer zurückhaltender; lieber nimmt sie etwas weg, als etwas hinzuzufügen, und baut vorhandene Grenzen ab, statt neue zu setzen.
Im ersten Teil des Buches umreißt Borio beispielhaft ihre Gedanken; die Namen der Kapitel sind dabei Programm. Unter den Überschriften „Defining the Void“, „Interlocking Gaps“, „Expanding Boundaries“, „Overlapping Functions“ und „Being Frugal“ gibt sie eine inhaltliche Einführung in das Thema, ordnet die Projekte ein und erläutert, wie sich diese Aspekte jeweils im Entwurf niederschlagen. Ein zweiter Teil umfasst Skizzen, Diagramme und Pläne, welche die Projekte detailliert darstellen. Fotos der Projekte fehlen weitgehend, und so bleibt etwas unklar, wie die umgesetzten Projekte denn nun konkret in ihrem Umfeld und ihrer Materialität aussehen.
Dennoch ist es anregend, sich auf Borios Projekte einzulassen, deren Umfang vom Entwurf eines klapp- und tragbaren Hockers einschließlich Szenarien für seinen Gebrauch in den Gassen zwischen Hongkongs Wohntürmen über die Analyse und Fortschreibung informeller Bauten bis zur Neugestaltung der Fassaden mehrerer Häuser eines kleinen Straßenabschnitts oder den Neubau eines dreigeschossigen Wohnhauses reicht.
All dies geschieht vor dem Hintergrund, dass auch in den asiatischen Metropolen die Freiräume schwinden. Vielerorts übertreffen die Grundstückspreise mittlerweile die europäischer Städte bei weitem, sodass jeder Quadratzentimeter Fläche genutzt wird. Und nicht zuletzt eifern viele asiatische Städte dem Vorbild Singapur nach: sauber, sicher, teuer. Dessen rigide Ordnungspo-litik, verbunden mit einer durchkapitalisierten und -organisierten Stadtplanung hat seinen Einwohnern informelle Praktiken weitgehend ausgetrieben.
Fakten
Autor / Herausgeber Géraldine Borio
Verlag Park Books, Zürich 2023
Zum Verlag
aus Bauwelt 22.2024
Artikel als pdf

0 Kommentare


loading
x
loading

24.2024

Das aktuelle Heft

Bauwelt Newsletter

Das Wichtigste der Woche. Dazu: aktuelle Jobangebote, Auslobungen und Termine. Immer freitags – kostenlos und jederzeit wieder kündbar.