Bauwelt

Mies im Westen

Ludwig Mies van der Rohe – Projekte und Spuren im Rheinland

Text: Reimers, Brita, Berlin

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Mies im Westen

Ludwig Mies van der Rohe – Projekte und Spuren im Rheinland

Text: Reimers, Brita, Berlin

Das Werk, das der gebürtige Aachner Mies van der Rohe (1886–1969) in Berlin und in den USA sowie mit einigen Ikonen schuf, ist sattsam bekannt und erforscht. Anders sei­-ne Anfänge im Rheinland und in den Niederlanden sowie Projekte, die er später von Berlin und Amerika aus für diese Region plante. Auch der Einfluss seiner Architektur auf jüngere Kol­legen seiner Heimat in den Nachkriegsjahren ist wenig bekannt. Und dabei zeigt sich gerade an all diesen Bauten seine Entwicklung vom Handwerkslehrling über den Direktor des Bauhauses bis zu einem der wichtigsten Architekten des 20. Jahrhunderts, dessen architektonische Sprache von seinen Anfängen beeinflusst blieb; es zeigt sich der Weg vom Historismus und Reformstil über das Neue Bauen bis hin zum Internationalen Stil. Auf der Grundlage eines mehrjährigen Forschungs-, Lehr- und Ausstellungsprojekts präsentieren Wissenschaftler nun neue Quellen und Erkenntnisse, begleitet von einer Fülle hervor­ragenden Bildmaterials.
Den Aufsatzteil eröffnen zwei lebenslange persönliche Verbindungen, die Freundschaft mit dem Architekten Rudolf Schwarz, mit dem Mies die Überzeugung teilte, dass Technik frei mache, und die enge Beziehung mit dem älteren Bruder Ewald, der den elterlichen Steinmetzbetrieb übernahm und zeitweise auch als Architekt arbeitete. Sein Leben und Werk, in dem es vielfältige Berührungspunkte zu dem des Bruders gibt, wird hier erstmals dokumentiert.
Mies’ Bauten in den Niederlanden standen unter dem Einfluss seiner vielen, sehr verschie­denen Architekten-Freunde und zeigen, dass er keineswegs nur der Avantgarde verpflichtet war. Er sympathisierte auch mit der Tradition der niederländischen Backsteinmoderne und ihren Ziegelkonstruktionen und löste sich erst in den 40er Jahren von dieser Formensprache.
Dass Mies’ Wirken im Rheinland eher unbekannt blieb, ist vermutlich auch der Tatsache geschuldet, dass zahlreiche Zeugnisse durch Kriegszerstörung, Abbruch oder Umnutzung teilweise oder ganz verloren gegangen sind. Vie­-le Entwürfe wurden nie ausgeführt. Allein die Bauten in Krefeld, die beiden Wohnhäuser Lange und Esters (1927–30) sowie die Fabrikgebäude der Vereinten Seidenwebereien AG (ab 1930), sind bis heute ohne wesentliche Veränderungen erhalten. Beide Ensembles wurden in den letz­-ten beiden Jahrzehnten umfangreich renoviert. Dorothee Heinzelmann, wissenschaftliche Mit­arbeiterin im LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, beschreibt bis ins kleinste Detail, wie vor dem Hintergrund des Bewusstseins der Verantwortung für den kostbaren Baubestand, basierend auf wissenschaftlicher Forschung, die Instandsetzung geleistet wurde. Ein Dokument beispielhafter Denkmalpflege.
Der Projektkatalog ist wunderbar großzügig mit vielen Fotos und Zeichnungen auf zum Teil ausklappbaren Tafeln ausgestattet, die zum ersten Mal eine Abbildung des Ensembles Lange/Esters ermöglichen. Er enthält auch einige besonders beeindruckende Nachkriegsbauten, die unter dem Einfluss von Mies entstanden sind.
Mies’ Stahl-und-Glas-Architektur ist heute ausökologischen Gründen kaum mehr vertretbar, aber ihre Qualität bleibt unangefochten: „Architektur ist eine Sprache mit der Diziplin der Grammatik. Man kann Sprache im Alltag als Prosa benutzen und wenn man sehr gut ist, kann man ein Dichter sein.“ Mies van der Rohe war ein Dichter!
Fakten
Autor / Herausgeber Norbert Hanenberg, Daniel Lohmann, Ursula Kleefisch- Jobst, Peter Köddermann (Hrsg.)
Verlag Geymüller Verlag, Aachen 2022
Zum Verlag
aus Bauwelt 15.2023
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