Moderne Architektur der DDR
Gestaltung, Konstruktion, Denkmalpflege
Text: Hammerschmidt, Valentin, Dresden
Moderne Architektur der DDR
Gestaltung, Konstruktion, Denkmalpflege
Text: Hammerschmidt, Valentin, Dresden
Selten hat ein Architektur- und Planungsstil so abrupt geendet wie bei der Implosion der DDR. Seitdem ist viel vom baulichen Erbe des Sozialismus verschwunden – zur Marktbereinigung (Großwohnanlagen), weil es niemand unterhalten wollte (die Sozial- und Kulturbauten der Betriebe), oder aber, weil die großen Ensembles der Stadtzentren vom siegreichen neuen Bürgertum abgelehnt wurden. Mittlerweile ist der Blick differenzierter geworden. Auch die standardisierten Wohnungen haben ihren Platz in einem diversifizierten Markt, und innerstädtische Prestigebauten der 1960er Jahre wurden als stadtbildprägend und identitätsstiftend erkannt. Initiativen kümmern sich um bedrohte und verlassene Bauten, erforschen sie oder suchen neue Nutzungen – der Osten kann Kult sein. Was 1990 noch undenkbar schien: Sogar Denkmalschutz wurde einigen Bauten der 1960/70er Jahre gewährt.
Die Wüstenrot-Stiftung hat ein Forschungsprogramm initiiert, das dem Umgang mit moderner Architektur der DDR gewidmet ist. 15 erfahrene Autoren um Roman Hillmann, der das Buch auch als Redakteur betreut hat, legen jetzt Ergebnisse vor. Ziel ist ein denkmalgerechter Umgang mit DDR-Architekturen (nicht die freie Weiterentwicklung).
Der Titel des Buchs ist Programm: Nur die „Moderne Architektur“ ist sein Gegenstand – das Bauen der frühen Jahre der DDR wird nur knapp erwähnt, der unmoderne Historismus der „Nationalen Traditionen“ schweigend übergangen; Schwerpunkt ist die „Ostmoderne“ der 60er und 70er Jahre.
Der erste Teil beschreibt die Besonderheiten der typisierten, industrialisierten Architektur in der DDR, Entscheidungswege, Typenbauten und Konstruktionen, um dann eine Reihe von Beispielen zu vertiefen. Hillmann versucht gar nicht, Einzelleistungen gegen Serienbauten aufzurechnen (das erfolgt in Spezialbeiträgen) – es geht ihm darum, die Eigenschaften und Qualitäten gerade der industriellen Produktion aufzuzeigen: Typ, Reihe, Rhythmus, Kontraste und städtebauliche Kompositionen. Das Problem eines werkbezogenen Denkmalbegriffs ist dabei die Schwierigkeit, Urheber eines einzelnen Bauwerks zu identifizieren.
Alle Kapitel sind chronologisch geordnet; das liest sich gut, ist immer am Regelfall und am praktischem Nutzen ausgerichtet; zu einer „Geschichte“ der DDR-Architektur fehlen die Widersprüche, die unrealisierten Visionen und die Nischen. Nicht einmal Gerhard Kosel, der „system builder“ des industrialisierten Bauens und Urheber der „Bauenzyklopädie“, wird erwähnt.
Der zweite Teil des Buchs befasst sich mit der Denkmalpflege an standardisierten Bauten. Mark Escherich und Hans-Rudolf Meier zeigen, wie fragmentarisch der Umgang der DDR mit ihrer eigenen Baugeschichte war, ehe sie mit politisch, nicht fachlich bestimmten Denkmallisten die Grenzen des Vermittelbaren überschritt. Anschließend erzählt Bernhard Sterra die schwierige Geschichte seit der Wiedervereinigung: von der völligen Ablehnung „sozialistischen“ Bauens über die Akzeptanz herausragender Einzelbauten bis zur Denkmalpflege an Bautypen, die vielfach errichtet wurden. Er zeigt dies auch als eine Geschichte wachsender Erfahrungen im Technischen wie in der Wahrnehmung. Die weiteren Kapitel vertiefen diese Erfahrungen und beschreiben die Instrumentarien – das Spektrum reicht vom Rahmenplan bis zum Umgang mit den unterschiedlichen ingenieurtechnischen Regelwerken von DDR und BRD (TGL statt DIN).
Man wird das umfangreiche Kompendium vielleicht als Nachschlagewerk benutzen; aber man kann auch einfach darin blättern, denn es ist ansprechend gestaltet und mit Fotos reich ausgestattet.
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