Bauwelt

Neue Auftraggeber

Kunst im Bürgerauftrag

Text: Escher, Gudrun, Xanten

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Neue Auftraggeber

Kunst im Bürgerauftrag

Text: Escher, Gudrun, Xanten

Innovative Quartiersentwicklung, Stichwort Community Based Design – Stadtentwicklung mit Teilhabe der Betroffenen – gilt als Heilmittel für lokale oder systemische Missstände, die es planerisch zu beheben gilt. Ihr dürft mitreden, aber finanzieren und realisieren tun wir – für euch. Anders hier: Die „Neuen Auftraggeber“ sind die Betroffenen selbst, und sie beauftragen auch nicht Planer – diese dürfen später bei der Ausführung behilflich sein –, sondern Kunst. Dies allerdings nicht so, wie üblicherweise Kunst im öffentlichen Raum entsteht in Form von mehr oder weniger dekorativen Brunnen, Platzgestaltungen oder Ähnlichem. Stattdessen werden Experten und Expertinnen fürs Kreative aufgefordert, sich mit Menschen, Orten und Problemstellungen in einem dialogischen Verfahren zu befassen. Unterstützend wirken dabei unabhängige, dafür ausgebildete Mediatorinnen und Mediatoren sowie kulturelle Organisationen, die Bürgergruppen dabei begleiten, ihre Kunstprojekte umzusetzen.
Der jetzt vorliegende Band ist ein Werkstattbericht aus 17 Projekten an Standorten in den drei Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen, die die Idee der Neuen Auftraggeber bisher unterstützen. Die Anschubfinanzierung stellt die Kulturstiftung des Bundes bereit. In Deutschland ist die Bewegung relativ neu, nicht aber international. Das Netzwerk mit inzwischen über 500 Projekten in 15 Ländern weltweit geht auf die Initiative des Franzosen François Hers zurück, der 1990das „Protokoll der Neuen Auftraggeber“ aufsetzte. Darin heißt es: „Es obliegt dabei dem Auftraggeber, sich über die Notwendigkeit von Kunst klar zu werden und zu begründen, warum die Gemeinschaft in sie investieren soll“. Das Neue darin ist der Ansatz, die uralte Idee der Auftragskunst zu demokratisieren – Auftragskunst jedoch nicht für das private Kämmerlein, sondern mit Wirkung in die Öffentlichkeit. Dazu braucht es Sachverstand, Mut und Geduld. Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses im Sommer 2022 war –auch in Folge von Corona bedingten Verzögerungen – noch keines der Projekte zu Ende gebracht. Seit 2023 bildet die Societé Internatio-nale des Nouveaux Commanditaires als europäischer Verein mit Sitz in Brüssel eine Plattform für alle internationalen Akteure der Neuen Auftraggeber; künftig wird diese Gesellschaft das Urheberrecht am Protokoll der Neuen Auftraggeber und die damit einhergehende Verantwortung vertreten.
Der jetzt vorgelegte Band geht über einen Projektkatalog hinaus. Er gibt den „Neuen Auftraggebern“ eine Stimme, gibt Einblicke in die Diskussionen vor Ort aber auch in den Netzwerkaustausch der Mediatoren, ihre Fragestellungen bei der Auswahl der zu beteiligenden Künstler und Künstlerinnen und in die je unterschiedliche Problematik der Umsetzung.
In Mönchengladbach beispielsweise galt es, das Unvereinbare eines ehemaligen HJ-Heims am Fuß des Abteilberges und eines heruntergekommenen Arbeitslosenzentrums mit dem Bildungsanspruch im benachbarten Gymnasium, dem Kulturanspruch im Museum oben am Hang und dem öffentlichen Park zu verbinden – dort sind Brücken der Künstlerin Ruth Buchanan das Mittel der Wahl, Brücken als lebensnotwendige Elemente des Zusammenhalts eines fragilen Organismus.
Im brandenburgischen Beeskow stellt eine Kleinstadt die digitale Utopie vom Kopf auf die Füße mit Hilfe von Simon Denny und der Idee eines Outdoor Terminals in einer Stahlstele im Zentrum des Ortes. Die „Markplatzutopie“ wird ganz banal zum Treffpunkt, ist Infopoint der besonderen Art und Angebot zur Vernetzung einer disparaten Bevölkerung, wo kaum der eine vom anderen weiß.
In der von einer ehemaligen LPG geprägten Gemeinde Wietstock dagegen ging Antje Majewski mit Bewohnern und Bewohnerinnen auf die Suche nach einer „Zukunftsvision für dörfliche Individualisten“. Ergebnis ist ein Bild des naturgebundenen Freiraums, als den die Wietstocker heute ihr Dort verstehen. Dieses Bild wird derzeit in handwerklicher Übersetzung in ein monumentales Mosaik übertragen, das in einem Pavillon des neuen Gemeindegartens aufgestellt wird – nicht Identität stiftend, sondern gemeinsame Identität der Einzelnen sichtbar machend.
Die Akteure vor Ort, so die Idee, entwickeln selbst geeignete Methoden und Strukturen, um die Arbeit von regionalen Mediatorinnen und Mediatoren möglich zu machen. Noch junge Initiativen profitieren dabei von den langjährigen Erfahrungen ihrer internationalen Kolleginnen und Kollegen.
Fakten
Autor / Herausgeber Hg. von der Gesellschaft der Neuen Auftraggeber GNA
Verlag Spector Books, Leipzig 2022
Zum Verlag
aus Bauwelt 18.2024

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