Neue Nationalgalerie
Sanierung einer Architekturikone
Text: Hotze, Benedikt, Berlin
Neue Nationalgalerie
Sanierung einer Architekturikone
Text: Hotze, Benedikt, Berlin
Zu der 2021 abgeschlossenen Sanierung der Neuen Nationalgalerie von Ludwig Mies van der Rohe (Bauwelt 9.2021) gibt es zwei Lesarten: Die gängige ist, dass mit hohem planerischen und finanziellen Aufwand der Eindruck erzeugt wurde, es habe sich fast nichts verändert. Die Maßnahmen haben vielmehr weitgehend unter der sichtbaren Oberfläche stattgefunden. Alexander Schwarz von Chipperfield Architects nennt als Planungsziel, die Neue Nationalgalerie „weitestgehend materiell zu erhalten“. Die andere Lesart äußert – vorsichtig – der stellvertretende Vorsitzende des Berliner Denkmalrates, der Schweizer Bernhard Furrer, der sein „kleines Unbehagen“ in der Beobachtung zusammenfasst, die Neue Nationalgalerie wirke „nahezu wie ein Neubau“, der die „großen Eingriffe nicht erahnen lässt, die unter der Oberfläche erfolgt sind“. Hier wird also das einvernehmlich unter allen Beteiligten gefundene Leitbild dafür kritisiert, dass es sein Ziel augenscheinlich erreicht hat. Das ist spannend.
Beide Äußerungen sind dankenswerterweise in dem vorbildlichen Band enthalten, der anlässlich der Wiedereröffnung vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung beauftragt wurde. Hier wird in gediegener und informativer Manier nahezu alles dokumentiert, was gedacht, diskutiert, geplant und ausgeführt wurde – angesichts der gewichtigen Aufgabe, eine weltweite Ikone der Nachkriegsmoderne (und das einzige Gebäude des Architekten aus dieser Epoche in Deutschland) nach fünf Jahrzehnten des Verschleißbetriebs
für seine angestammte Nutzung wieder zu ertüchtigen.
für seine angestammte Nutzung wieder zu ertüchtigen.
„God is in the details“, wird Mies gern zitiert. „Aber was passiert, wenn die Details nicht funktionieren?“, fragt David Chipperfield zurück. Beispiel Glasfassade: In der Vergangenheit waren beschädigte Scheiben durch zwei aneinander gestoßene kleinere Scheiben ersetzt worden, weil Ersatzscheiben in der erforderlichen Größe nicht zur Verfügung standen. Bei der jetzigen Grund-instandsetzung wurden erstmals seit der Eröffnung 1968 wieder ungeteilte Gläser eingebaut. Eine chinesische Firma hat diese in einer Breite von 3,60 Metern speziell angefertigt. Das nur als Schlaglicht auf den allenthalben erreichten Perfektionismus im Detail.
Doch die unter manchen Museumsleuten durchaus kritisch beurteilte Grundkonzeption des Entwurfs konnte auch die Sanierung nicht „beheben“, nämlich den Antagonismus zwischen Podium (Ausstellungsräume im Untergeschoss) und Tempel (ein konventionell schwer bespielbarer, rundum belichteter Großsaal). So sagt es denn auch Alexander Schwarz: „Die Neue Nationalgalerie ist technisch vielleicht kein ideales Museum. Dennoch ist sie ein ideales Bauwerk.“ Dessen Wieder-Inwertsetzung dokumentiert dieses feine Buch.
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