Serious Money
Walking plutocratic London
Text: Welzbacher, Christian, Berlin
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Walking plutocratic London
Text: Welzbacher, Christian, Berlin
Wenn eine Stadt sich schneller wandelt als ihre Bewohner, kommt es über kurz oder lang zu sozialen Verwerfungen. Diese Tatsache hat die englische Soziologin Caroline Knowles bewogen, London zu durchstreifen: zunächst, um diese Wandlungen aufzuzeichnen, dann, um nach den Ursachen zu forschen, und schließlich, um die Treiber dieses Wandels zu treffen. Knowles machte dabei frappierende Feststellungen. Zum Beispiel: Es ist gar nicht leicht, handfeste Gründe für die Veränderung auszumachen. Sie liegen im immateriellen Bereich, in politischen Beschlüssen, Gesetzen, notariellen Akten, Kaufverträgen. Dahinter stecken einerseits Menschen, wie die Politiker der Regierungen seit Margaret Thatcher, die dem „Markt“ immer mehr Rechte gegeben haben. Andererseits zeigt Knowles aber auch, dass sich die Menschen hinter Institutionen verschanzen, deren Verflechtungen sich irgendwo zwischen der City of London, den Kanal-Inseln und den mit
ihnen verbundenen Steuerparadiesen auflösen.
Eine zweite Feststellung: Wo sich Gründe für den Wandel doch an Personen festmachen lassen, entziehen diese sich dem Zugriff. Kaum ein Anwalt oder Immobilienmakler, erst recht kein Käufer, Anleger, Investor, Banker wollte mit Knowles sprechen – zumindest nicht darüber, wie sie ihr Geld anlegen und dadurch den Wandel in der englischen Hauptstadt hervorbringen. Knowles trifft also nicht die alten und neuen Reichen, die Lords mit dem Grundbesitz in siebter Generation, die Popstars mit ihren Villen, die Hedgefondsmanager in ihren Bürotürmen, die Oligarchen in ihren Ressorts. Sie trifft deren gesprächiges „Personal“: Manager der Hausstiftung, Sicherheitsexperten, Interieur Designer und Architekten. Sie alle berichten allzu gern über Lifestyle und Strategie ihrer „Herrschaft“, solange sie anonym bleiben dürfen.
ihnen verbundenen Steuerparadiesen auflösen.
Eine zweite Feststellung: Wo sich Gründe für den Wandel doch an Personen festmachen lassen, entziehen diese sich dem Zugriff. Kaum ein Anwalt oder Immobilienmakler, erst recht kein Käufer, Anleger, Investor, Banker wollte mit Knowles sprechen – zumindest nicht darüber, wie sie ihr Geld anlegen und dadurch den Wandel in der englischen Hauptstadt hervorbringen. Knowles trifft also nicht die alten und neuen Reichen, die Lords mit dem Grundbesitz in siebter Generation, die Popstars mit ihren Villen, die Hedgefondsmanager in ihren Bürotürmen, die Oligarchen in ihren Ressorts. Sie trifft deren gesprächiges „Personal“: Manager der Hausstiftung, Sicherheitsexperten, Interieur Designer und Architekten. Sie alle berichten allzu gern über Lifestyle und Strategie ihrer „Herrschaft“, solange sie anonym bleiben dürfen.
Bisweilen tendiert Knowles Bericht zum Klatsch, kriegt aber immer wieder die Kurve. Am stärksten wird das Buch, wo es die Folgen der Kapitalkonzentration in der Stadt beschreibt. Denn die Strategien, Vermögen durch Immobilienanlage zu vermehren, wirken sich auf alle aus. Sie verknappen den Markt, sorgen für spekulativen Leerstand, treiben die Preise, wandeln Quartiersstrukturen, drängen Mieter auf die Stra-
ße. Es kommt einem der alte Spruch in den Kopf: „Wärst Du nicht reich, wär’ ich nicht arm.“
ße. Es kommt einem der alte Spruch in den Kopf: „Wärst Du nicht reich, wär’ ich nicht arm.“
Spannend ist auch, was die Soziologin über den Charakter der hier beschriebenen Elite schreibt. Die Akteure, die London umwälzen, sind ein überschaubares Grüppchen von klarem sozialem und geistigem Zuschnitt: weiß, männlich, machtorientiert, heteronormativ. Diskussionen um Gendergerechtigkeit, Diversität und Minderheiten spielen bei ihnen keine Rolle, die Elite kennt nur die eigenen Interessen. Es geht um Geld. Viel Geld. Und um Macht.
Wer London besucht, sollte dieses Buch gelesen haben. Denn es führt auf die richtige Spur, den überall sichtbaren Wandel richtig einzuordnen. Die Erkenntnisse aber reichen über London hinaus. Da die Anleger global agieren, sind auch andere Großstädte Terrain der Spekulation. Wir bräuchten ähnlich alerte Stadtflaneure auch in Paris, Moskau und Berlin. Und die Ergebnisse müssten dringend in die Politik zurückgespielt werden. Damit endlich begriffen wird, dass Baukräne nicht notwendigerweise ein Zeichen für boomende Wirtschaft und funktionierenden Arbeitsmarkt sind, sondern Warnsignal für Kapitalballung, Verdrängung und Zerstörung: Vorboten einer gesellschaftlichen Erosion, die wir allenthalben spüren.
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