Bauwelt

Lässt sich über Geschmack streiten?

Auf der Terrasse vor ihrem Arbeits- und Wohnhaus in Hamburg-Eimsbüttel spricht die Designerin Eva Marguerre über Entscheidungen, Intuition und die eigene Handschrift.

Text: Kraft, Caroline, Berlin

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    Studio Besau-Marguerre entwarf im Sommer 2023 ein neues Foyer für das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MK&G).
    Foto: Brita Sönnichsen

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    Studio Besau-Marguerre entwarf im Sommer 2023 ein neues Foyer für das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MK&G).

    Foto: Brita Sönnichsen

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    Die Garderobe von Eva Marguerre besteht, wie sie sagt, je nach Anlass aus „A-Ware und B-Ware“.
    Am liebsten hätte sie einen Schnitt pro Kleidungsstück in je zehn Farben.
    Foto: Maren Janning

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    Die Garderobe von Eva Marguerre besteht, wie sie sagt, je nach Anlass aus „A-Ware und B-Ware“.
    Am liebsten hätte sie einen Schnitt pro Kleidungsstück in je zehn Farben.

    Foto: Maren Janning

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    Der Kassenbereich lag vor der Neustrukturierung des Foyers nicht im Blickfeld der Eintretenden. Durch eine klare Wegeführung, logische Zonierung und ein prägnantes Farbkonzept fällt der Übergang zwischen rauem Bahnhofsviertel und Designmuseum sanfter aus.
    Foto: Brita Sönnichsen

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    Der Kassenbereich lag vor der Neustrukturierung des Foyers nicht im Blickfeld der Eintretenden. Durch eine klare Wegeführung, logische Zonierung und ein prägnantes Farbkonzept fällt der Übergang zwischen rauem Bahnhofsviertel und Designmuseum sanfter aus.

    Foto: Brita Sönnichsen

Lässt sich über Geschmack streiten?

Auf der Terrasse vor ihrem Arbeits- und Wohnhaus in Hamburg-Eimsbüttel spricht die Designerin Eva Marguerre über Entscheidungen, Intuition und die eigene Handschrift.

Text: Kraft, Caroline, Berlin

Farbmutig, formal ruhig, „wild, aber reduziert“ beschreibt sie den Duktus ihres Studios, das sie mit ihrem Partner Marcel Besau führt. Marguerre trägt zu diesem Anlass eine royalblaue, gerade geschnittene Bluse, eine weite, dunkle Stoffhose und bunte Sneaker.
Haben Sie eine „Uniform“?
Eigentlich zwei: Entweder ganz viel Farbe oder ein dunkelblaues Outfit mit bunten Schuhen. Je nachdem, wen ich treffe. Gerade als junge Frau wird man in knalligen Klamotten oft nicht ernst genommen, es wird aber besser mit dem Alter. Für Fotoshootings in unseren Projekten kleide ich mich intuitiv, manchmal muss ich selbst schmunzeln, weil ich farblich so gut reinpasse.
Ich habe zwei Kinder, die sind auch oft bunt angezogen, in der Kita sind wir die „farbenfrohe Familie.“ Aber das ist nicht schlimm, das ist auch die Identität unserer Arbeit. Ich fände es eher seltsam, wenn das gar nicht zusammenpasste. Unsere Arbeit ist eigentlich ja kein Job, wir sind ein bisschen wie Künstler: Sie kommt sehr aktiv aus uns, ich finde das so total schlüssig. Wenn ich immer nur Schwarz tragen würde, fände ich das komisch.
Können Sie Auslöser für klare Stilveränderungen in Ihrem Leben benennen?
Nein, das waren eher Momente, Beobachtungen, die ich im Nachhinein gemacht habe. Gerade auf Messen mit Handwerkern fragt man sich, wie man wahrgenommen wird. Ist man „das kleine blonde Mädchen“ oder möchte man eine andere Aussage transportieren? Das war ein schleichender Prozess und ich finde es ganz normal, seinen Stil erst zu finden.
Ist Ihr Blick auf alte Fotos, die Sie zu einem früheren Zeitpunkt abbilden, wohlwollend?
Auf Fotos, auf denen ich Anfang Zwanzig war, zur Zeit, in der wir uns selbstständig gemacht haben, sehe ich genau das: Ich war total jung. Klingt jetzt, als wäre ich uralt mit 41, aber man macht eine Entwicklung durch. Das sieht man sowohl in alten Projekten als auch meiner Kleiderwahl; die Farbliebe und dieses Grafische, Reduzierte. So „typisch weiblich“, mit Rüschenbluse, Puffärmeln oder Ballerinas habe ich mich einfach noch nie angezogen. Und keine Aufnäher oder Aufdrucke. Mit den Schnitten meiner Kleidung bin ich immer entschiedener geworden: kastig und gerade. Früher war es eher noch ein Austesten, teilwei-se mit Unsicherheiten. Seit den letzten zehn Jahren ist mein Stil eigentlich gleich. Und ich weiß, welche Farben ich tragen kann. Bordeaux-Rot beispielsweise wird mir nie stehen. Das finde ich toll.
Kleiden Sie sich modisch?
Ich bin nie Trends hinterhergerannt. Natürlich bildet das, was man trägt, immer ab, was man auch kaufen kann, am liebsten wäre ich davon unabhängig: Es ist ein großes Problem, dass ich die Sachen, die ich im Kopf habe, oft nicht finde.
Hätten Sie Lust, Mode zu entwerfen?
Ja. Aber ich bin schnell beim Entwerfen, nicht so detailverliebt, ich mag keinen Tüddel-Kram. Als Teenager habe ich mir Kleider genäht, aber man muss wirklich Geduld haben, das macht mich wahnsinnig. Eigentlich muss ich wieder anfangen zu nähen, weil ich weiß, welche Schnitte ich möchte, aber dann die Kleidung nicht finde.
Ich färbe inzwischen viel selbst; meist gibt es Blusen in Schwarz und Weiß, Schwarz fällt bei mir aber weg, das steht mir nicht. Ich habe viele Ideen im Kopf. Ich möchte aber nicht professionell in der Branche arbeiten, da kenne ich viele, und das ist eine toughe Nummer. Unsere Branche ist da netter.
Reparieren Sie Ihre Kleidung?
Ich habe zumindest schon darüber nachgedacht, ich habe einen tollen alten Wollmantel, nach zehn Jahren ist der abgetragen. Da würde ich gerne mal den Schnitt abnehmen und ihn neu machen.
Ist Ihnen Mode wichtig?
Es spielt eine Rolle, was man anhat. So sehr man auch kokettiert, es ist nicht egal. Jeder Mensch trifft mit seiner Kleidung eine Aussage, wenn es auch der billigste Pulli in Dunkelgrün ist. Nur glaube ich, viele Menschen haben das Gespür dafür nicht. Es macht aber etwas mit einem, wenn man richtig gekleidet ist, es gibt Selbstbewusstsein. Und Ruhe.
Kleider und auch Möbel haben für mich einen sehr großen Wert, so bin ich aufgewachsen. Es gab nicht alles in Hülle und Fülle. Wenn ich ein tolles Kleidungsstück hatte, war für mich klar, dass ich es schütze und dass ich aufpasse, dass es nicht dreckig wird. Und das mache ich immer noch. Gerade bei Schuhen, aber auch Kleider tragen sich ab durchs Waschen – deshalb schone ich immer eine Handvoll Sachen, mehrere prägnante Kleidungsstücke, ich kann ja nicht auf fünf Pressefotos das gleiche anziehen. Ich trage dann manche Sachen nicht viel, weil ich denke, das nehme ich fürs nächste Shooting. Und das würde ich gerne ablegen, aber das klappt noch nicht.
Wünschen Sie sich manchmal, sich neu zu erfinden?
Nein. Das heißt nicht, dass ich nicht selbstkritisch bin, aber den Gedanken hatte ich noch nie. Ich bin sehr dankbar, dass wir selbstständig sein können – die ersten Jahre haben wir natür-lich gearbeitet ohne Ende, und jetzt kehrt Ruhe ein. Wir werden für Interiors beauftragt, weil die Kunden unsere Gestaltung und Farbkonzep-te schätzen, und trotzdem können wir mit jedem Projekt etwas Neues angehen.
Gibt es einen einheitlichen Ansatz, wie Sie an Mode und Design herangehen?
Ja! Die Kernelemente waren zwar immer schon da, aber es schärft sich alles mit der Zeit. Dazu kriegen wir auch Feedback: Wenn zum Beispiel Leute, die hier in Hamburg ins MK&G (Museum für Kunst und Gewerbe, Anm. d. Red.) gehen, nicht wussten, dass wir den Innenraum gestaltet haben, sagen, dass es für sie trotzdem aus-sah wie von Besau Marguerre. Das ist das größte Kompliment. Wobei es mich auch ein bisschen wundert. Ich finde schon, dass alle unsere Projekte sich unterscheiden. Die Identität des Kunden ist für uns genauso wichtig wie unsere, wir könnten für zwei unterschiedliche Kunden nicht das gleiche machen. Aber es scheint wohl eine Handschrift zu geben, das werde ich natürlich nie beurteilen können.
Welche Verbindungen sehen Sie zwischen Mode und Architektur?
Bei Mode schaue ich immer auf die Proportionen, wie auch in Räumen. Mit Farbe kann ich dann manches hervorheben, also den Blick bewusst auf das Schöne lenken. Proportion, Farbe und Form verändern einen Raum oder einen Menschen. Es macht einen Unterschied, ob ich oben oder unten etwas Farbiges anhabe. Oder ob ich zu meiner einfarbigen Uniform einen „Knaller“ trage. Das setzt Schwerpunkte. Ich kann auch in einem Interior mal nur eine Decke farbig gestalten und den Rest gedeckt lassen, warum nicht? Es muss nicht immer nach Lehrbuch gehen. Der Ort, an dem ich mich aufhalte, macht außerdem natürlich etwas mit mir, genau wie die Kleider, in denen ich stecke.
Achten Sie bei Ihrer gestalteten Umgebung auf Patina?
Als wir Anfang 2012 unsere Büroräume übernommen haben, haben wir erstmal drei Monate renoviert, der Laden war runtergerockt. Das war kurz nach dem Diplom, wir waren beide als Produktdesigner selbstständig – wir hatten wenig Geld. Da haben wir dann Stühle über eBay Kleinanzeigen gekauft, sind durch ganz Hamburg gefahren und haben alles lackiert und selbst gemacht. Den ersten Pandemie-Sommer haben wir genutzt und nochmal alles umgestaltet; wir können nicht für Vitra und Thonet arbeiten und dann auf IKEA-Möbeln sitzen, das wäre auch nicht die richtige Aussage.
Woran machen Sie aus, ob Ihnen etwas gefällt?
Das ist intuitiv. Da gibt es kein Regelwerk. Ich weiß nur noch, dass es meiner Familie immer schwerfiel, mir etwas zu schenken, weil ich vieles eben nicht mag, vieles nicht schön finde. Bei unseren eBay-Möbeln damals waren das, was ich mochte, die Klassiker. Alte Thonet-Stühle mit ihrer bekannten Formensprache, die dann in Neongelb lackiert. Das rückt das durch und durch klassisch Konstruierte in einen modernen Kontext. Und dieses Zusammenfügen, das kann man nicht lernen. Ich habe schon mein Kinderzimmer alle paar Wochen farblich umgestaltet, Kissen selbst genäht, Möbel aus Wohnzeitschriften ausgeschnitten, farblich sortiert. Das war immer schon da.
Lässt sich über Geschmack streiten?
Eigentlich nicht. Ich finde, man kann über gute Produkte streiten, oder über gute Räume. Ich kann diskutieren, wenn mein Kunde sich eine Neonröhre im Büro wünscht, weil das kein gutes Licht ist. Aber über Mode würde ich nicht streiten. Ich finde auch, jeder darf alles anziehen. Bei Möbeln genauso; eine Form kann gefallen oder nicht. Ich sage nichts, wenn mir jemand etwas zeigt und mir es vor dieser Ästhetik graut. Aber wenn es um einen Bürostuhl geht, der einfach falsch konstruiert, der nicht ergonomisch ist, dann würde ich wieder dis-kutieren.
Ist Ihnen Ästhetik oder Funktion wichtiger?
Beides, fifty-fifty. Vielleicht will man da als Antwort Funktion hören, aber das würde ich nicht sagen. Die Ästhetik ist das, was etwas mit dem Menschen macht.
Mit wem reden Sie über Mode?
Meine beste Freundin ist Modedesignerin, wir sprechen viel darüber, was Mode mit Menschen macht. Sie hat inzwischen einen ganz anderen Stil als ich, das hat sich jeweils total logisch und in genau die richtige Richtung weiterentwickelt. Inzwischen berät mich auch mein Sohn, der ist acht – und näht sich Kleidung. Wenn ich vor Messen oder Terminen vorm Spiegel stehe, gibt er mir Feedback, aber am Ende höre ich auf mich.
Kleiden Sie sich im privaten ähnlich wie im beruflichen Umfeld?
Eigentlich ja. Außer ich gehe in den Garten, dann ziehe ich natürlich keine schicke Bluse an. Und im Urlaub, wenn wir Mountainbike fahren, dann habe ich eigentlich nur Sportklamotten an, das ist dann der größtmögliche Abstand zum Job. Nicht, weil ich meine andere Kleidung nicht mag, aber im Urlaub möchte ich mich damit nicht befassen. Ansonsten gibt es da keinen Unterschied. Ich kaufe wenig Kleidung und habe einen sehr übersichtlichen Kleiderschrank. Ich gebe Sachen auch weg, ich halte sie nicht, das mag ich nicht. Manchmal gebe ich vielleicht auch zu früh etwas weg.
Wenn ich wüsste, ich könnte immer alles nachkaufen, zehn Schnitte bei Hosen, zehn Schnitte bei Oberteilen, die immer in der Kollektion sind – wie bei Möbeln, alle paar Jahre gäbe es zwei, drei neue Farben – dann wäre ich viel lockerer. Dann würde ich auch im Garten meine Blusen tragen. Nur im Beet vielleicht trotzdem nicht.
Bekommen Sie Komplimente?
Ja. Die Farben sprechen viele an: „Du leuchtest immer so“, zum Beispiel.
Wie gehen Sie mit Komplimenten um?
Sie sind mir nicht wichtig. Manchmal ist es mir fast zu viel, weil ich immer auffalle. Aber ich muss mich wohlfühlen. Und das tue ich eben in Farben. Das clasht mit der Art, wie ich aufgewachsen bin, ich habe gelernt, mich nicht in den Vordergrund zu drängen. Aber ja, ich kriege viele Komplimente. Ich freue mich darüber. Und gleichzeitig gibt es eben manchmal die Stimme im Kopf, die sagt: „Jetzt hast du dich in den Vordergrund gedrängt.“
Gibt es eine Entscheidung in einem Entwurfsprozess, der Sie hinterhertrauern?
Komischerweise nicht. Klar, man ist mal kritisch mit seinen Projekten, aber wenn etwas hätte besser laufen können, gibt es dafür Gründe: Kosten, Lieferzeiten, Machbarkeiten. Das ist dann vollkommen gerechtfertigt und dann kann ich damit auch abschließen. Ich gucke nicht so zurück. Auch was unsere Entwicklung angeht. Es ist ganz spannend, aber eigentlich beschäftige ich mich damit nicht. Und es kommt ja immer auch die Ästhetik des Kunden dazu. Wenn wir das Projekt vielleicht auch vorher runder fanden, wir sind die Letzten, die den Kunden nicht mit einbeziehen würden. Wie gesagt, ich streite nicht über Geschmack.
Wägen Sie Entscheidungen lange ab?
Nein, ich treffe ganz schnell Entscheidungen. Ich glaube, das ist echt eine Tugend. Wenn ich mich morgens für ein Kleidungsstück entscheide und im Laufe des Tages kurz denke, jetzt hätte ich gern etwas anderes an, kann ich das auch pragmatisch beiseiteschieben. Das lernt man mit Kindern, der Selbstständigkeit und diesem ganzen Wahnsinn. Sonst würde das überhaupt nicht gehen.
Finden Sie, Ironie hat Platz in Mode und Architektur?
Wenn ich den Großteil der Arbeit anderer sehe, würde ich sagen, nein. Und das finde ich eigentlich schade. Manchmal gibt es Drama, wenn es ein Möbel nicht in einer bestimmten Farbe gibt – ich denke mir dann, wir operieren nicht am offenen Herzen. Wir sprechen immer noch von Interiors. Ich würde mir mehr Ironie wünschen. Wir haben nicht direkt Ironie in unseren Projekten, aber auf jeden Fall eine Leichtigkeit und Spielerisches. Wir versuchen, uns nicht so ernst zu nehmen. Das findet, glaube ich, zu wenig statt.

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