Bauwelt

Wenn Sie eine Meile in meinen Schuhen gelaufen sind, wissen Sie, wo es wehtut

Der Guardian bezeichnete Architektin Olajumoke Adenowo als das Gesicht der nigerianischen Architektur. In unserem Gespräch berichtet sie von den Herausforderungen in einem „Männerberuf“ zu arbeiten und von der Notwendigkeit mit Stolz auf die traditionelle nigerianische Vergangenheit zu blicken

Text: Nürnberger, Pia, Rotterdam; Bahret, Jakob, München

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    Olajumoke Olufunmilola Adenowo begann mit 14 Jahren ihr Studium in Ile-Ife Später studierte sie in Yale, Harvard und Barcelona. 1994 gründete sie ihr Büro in Lagos, 1999 die NGO „Awesome Treasures Foundation“. 2018 erkannte sie das Royal Institute of British Architects (RIBA) als eine der inspirierendsten Frauen der heutigen Architektur an.
    Foto: AD Consulting

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    Olajumoke Olufunmilola Adenowo begann mit 14 Jahren ihr Studium in Ile-Ife Später studierte sie in Yale, Harvard und Barcelona. 1994 gründete sie ihr Büro in Lagos, 1999 die NGO „Awesome Treasures Foundation“. 2018 erkannte sie das Royal Institute of British Architects (RIBA) als eine der inspirierendsten Frauen der heutigen Architektur an.

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    Aufnahme von 1912, orthogonale Webstruktur.
    Foto: Print Collector/Getty Images

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    Der königliche Palast des Yoruba-Königs von Ketou im Nachbarland Benin.
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    Wohnhaus im Stadtteil Ikoyi: Die aus der Fassade hervortretenden, abge­rundeten Elemente an den Fenstern verringern den Sonnenlichteinfall, die Bewohner verbrauchen dadurch weniger Energie zur Kühlung der Räume.
    Foto: Jakob Bahret

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    Wohnhaus im Stadtteil Ikoyi: Die aus der Fassade hervortretenden, abge­rundeten Elemente an den Fenstern verringern den Sonnenlichteinfall, die Bewohner verbrauchen dadurch weniger Energie zur Kühlung der Räume.

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    Die Guiding-Light-Assembly-Kirche in Ikoyi entwarf Adenowo als einen multifunktionalen Raum. Benachbarte Schulen und Orga­nisationen halten hier ihre Veranstaltungen ab.
    Foto: Jakob Bahret

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    Die Guiding-Light-Assembly-Kirche in Ikoyi entwarf Adenowo als einen multifunktionalen Raum. Benachbarte Schulen und Orga­nisationen halten hier ihre Veranstaltungen ab.

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    Das Gebäude beherbergt auch die Büros für alle Mitarbeiter der Kirche.
    Foto: Jakob Bahret

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    Das Gebäude beherbergt auch die Büros für alle Mitarbeiter der Kirche.

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    Die Dachterrasse.
    Foto: Jakob Bahret

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    Die Dachterrasse.

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    Das Mosaik entwarf die Architektin.
    Foto: Jakob Bahret

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    Das Mosaik entwarf die Architektin.

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Wenn Sie eine Meile in meinen Schuhen gelaufen sind, wissen Sie, wo es wehtut

Der Guardian bezeichnete Architektin Olajumoke Adenowo als das Gesicht der nigerianischen Architektur. In unserem Gespräch berichtet sie von den Herausforderungen in einem „Männerberuf“ zu arbeiten und von der Notwendigkeit mit Stolz auf die traditionelle nigerianische Vergangenheit zu blicken

Text: Nürnberger, Pia, Rotterdam; Bahret, Jakob, München

Sie sind die Gründerin des Architektur- und Designbüros „AD Consulting“, das zu den bekanntesten Büros in Nigeria gehört. Vor welchen Herausforderungen standen Sie, als Sie das Büro gründeten? Sie waren erst 25 Jahre alt.
Olajumoke Adenowo Genau das war eine Herausforderung: Ich war jung, viele Leute nahmen mich nicht ernst. Zweitens: Ich bin weiblich. Das ist heute nach 26 Jahren nach wie vor eine Herausforderung, wenn man in einer patriarcha­lischen Gesellschaft lebt, in der Entscheidungen in der Architektur von Männern getroffen werden.
Wie haben Sie es geschafft, Ihre ersten Projekte zu bekommen?
Es war und ist nicht einfach, denn es gibt in Nigeria eigentlich keine wirkliche Nachfrage nach Architektur. Zwar nach Gebäuden, aber nicht nach Architektur. Es gibt kein Verständnis dafür, dass ein Gebäude besser sein kann, als ein anderes. Und wenn ein potenzieller Kunde den Unterschied zwischen beidem nicht sieht, ist es für ihn dann ganz natürlich direkt mit Bauunternehmen zusammen zu arbeiten, die − selbstredend − von Männern geführt werden. Es soll nicht das Bild entstehen, dass in Nigeria keine Architekten eingesetzt werden. Das passiert schon, es ist nur so, dass selbst „die Elite“ nicht zwischen guter und schlechter Architektur unterscheiden kann.
Sie haben Architektur an der Universität von Ife in Ile-Ife studiert. Der Campus wurde von Arieh Sharon realisiert. Welchen Einfluss hatte diese Umgebung auf Sie?
Ich habe in Ife nicht nur mein Studium abgeschlossen, sondern auch dort gelebt. Ich wohnte in den Bauten von Arieh Sharon. Mich beeindruckte wie seine Architektur auf den Kontext reagiert: Ein International-Style, der auf die ex­tremen klimatischen Bedingungen – die hohe Luftfeuchtigkeit, den starken Monsunregen und die viele Sonne – eingeht, genauso wie auf den soziokulturellen Hintergrund der Yoruba. Ich habe viel gelernt und verinnerlicht, dass wir unsere eigene Architektur entwickeln müssen, die niemanden nachahmt, sondern Lösungen bietet, die im Kontext funktionieren.
Was ist für Sie Architektur?
Funktionale Kunst, in der man leben kann.
Und was ist für Sie nigerianische Architektur?
Einige von uns aus der nigerianischen Architekturszene versuchen, das zu definieren. Ich kann sagen, was sie sein sollte: Architektur, die in ihrem eigenen Erbe verwurzelt ist, aber eine globale Perspektive hat. Afrika sollte unbedingt eine Position in der globalen Szene einnehmen und damit eine neue Perspektive in die Architektur einbringen. Denn der Kontinent steht genauso vor Herausforderungen wie die gesamte Welt und kann durchaus neue Perspektiven und Lösungen beitragen. Nigeria ist mit 200 Millionen Menschen Afrikas bevölkerungsreichste Nation. Afrika ist der „dunkle Kontinent“, nicht weil er dunkel ist, sondern weil er nicht erforscht wurde. Nigeria zum Beispiel: Einer von fünf Afrikanern ist Nigerianer und einer von zehn Menschen mit dunkler Hautfarbe in der ganzen Welt ist Nigerianer. Von ihnen stammt Aso-Oke und Fraktale. Seit der Antike wird beides in Nigeria als Web­struktur verwendet, beim Korbflechten, beim Töpfern, in der Stadtplanung, sogar bei der Weis­sagung. Fraktale sind heute der Inbegriff von Binärcode-Strukturen in der Computerprogrammierung, doch das Prinzip wurde von Menschen ohne formale Ausbildung erfunden. Benin-Stadt wurde nach diesen mathematischen, sich wiederholenden Formeln im 15. Jahrhundert angelegt.
Im vergangenen Jahr haben Sie an der TU München unterrichtet und neben der Restitutionsdebatte und den Postkolonialismus viel über die nigerianische Kultur gesprochen.

Man kann unglaublich viel von ihr lernen. Die traditionelle nigerianische Architektur reagiert auf das Klima, auf die soziale Struktur und sie ist kontextbezogen. Vor allem die Klimatisierung ist immer ausschlaggebend gewesen: Die Ausrichtung der Gebäude, mit der man genauso auf die heißen Sonnenstunden reagiert, wie auch auf die Winde, die wichtig für die Luftzirkulation sind. Wenn man das heute noch beachtet, verbraucht man zum Beispiel weniger Energie für eine künstliche Kühlung. Und es sind nachhaltige Gebäude, deren Baumaterial nicht importiert werden müss. Genau dazu müssen wir zurückkehren und das ist es, was wir von der nigerianischen Kultur lernen können: Gebäude, die auf die Rahmenbedingungen reagieren. Man muss Nigeria kennen, um dort bauen zu können. Wenn Sie eine Meile in meinen Schuhen gelaufen sind, wissen Sie, wo es wehtut.
Welche Rolle spielen Sie dabei als Architektin?
Unsere Arbeit sollte sich auf nachhaltiges Wachstum konzentrieren.
Inwiefern ist nachhaltiges Wachstum unabdingbar für die Zukunft von Lagos?
Lagos gehört neben Mumbai, London und New York zu den Megastädten der Welt und das scheint kaum jemandem bewusst zu sein. Es muss begonnen werden, den urbanen Zentren Afrikas Aufmerksamkeit zu schenken, denn ihre Entwicklungen haben globale Konsequenzen. Wenn wir uns genauso entwickeln wie der Westen, verursachen wir eine Krise für die ganze Welt. In Lagos gibt es eine junge aufstrebende Mittelschicht − 64 Prozent der Nigerianer sind unter 25 Jahre alt. Was ist, wenn diese Mittelschicht anfängt, ihre eigenen Häuser so zu bauen wie die westliche Welt, mit den gleichen Materialien und ohne Rücksicht auf Nachhaltigkeit, ohne eigenen kulturellen Hintergrund?
Unabhängig von dem neuen Kolonialismus, der sich abzeichnet, oder dem Kolonialismus, den wir erlitten haben, muss sich diese Mittelschicht ihres stolzen Kulturerbes bewusst werden. Sie müssen die großen Dinge ihrer eigenen Vergangenheit kennen, damit sie dem Rest der Welt auf Augenhöhe begegnen können.
Sie sind sozial engagiert und haben Ihre ei­gene NGO gegründet, die „Awesome Treasures Foundation“.
Der Großteil des Programms konzentriert sich auf die Förderung von benachteiligten Frauen und Kindern. Wir haben die Mission, dass es bis 2030 eintausend junge weibliche Führungskräfte im Land gibt. Als ich als 25-Jährige ein Unternehmen gründete, wurde mir schnell klar, dass der Versuch, geschäftlich erfolgreich zu sein, dem verzweifelten Versuch glich, ein Dinner auf der Titanic vorzubereiten, kurz bevor sie mit dem Eisberg kollidiert. Es spielt keine Rolle, wie erfolgreich Sie auf der Titanic sind, wenn das Schiff sinkt. Wir müssen etwas gegen die Gesamtsituation unternehmen. Wir müssen selber dafür sorgen, dass unsere Institutionen funktionieren und dass wir Führungspersönlichkeiten haben, die die Gebäude, die Zukunft, die Familien, die Institutionen, die Unternehmen – alles, was wir aufbauen – schützen. Nur dann entsteht wirklich Wachstum und deswegen gründete ich die NGO.
Kann Architektur Lösungen für soziale Pro­bleme liefern?
Ein Architekt, der sich als jemand sieht, der Gebäude entwirft, kann vielleicht keine Lösungen bieten, aber ein Architekt, der sich als sozialer Ingenieur versteht, kann es. So versuche ich meine Arbeit zu verstehen.
Fakten
Architekten Adenowo, Olajumoke, Lagos
aus Bauwelt 9.2020
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