Ohne klare Grenzen erreichen wir die Ziele nicht
Andrea Gebhard ist seit 2021 Präsidentin der Bundesarchitektenkammer. Die Landschaftsarchitektin und Stadtplanerin beschäftigt sich seit ihrem Studium mit den Möglichkeiten einer nachhaltigen Stadtentwickung. Wir sprachen mit ihr darüber, wie sie sich auch in ihrem neuen Amt für ein zirkuläres und klimagerechtes Bauen einsetzen will.
Text: Thein, Florian, Berlin; Crone, Benedikt, Berlin
Ohne klare Grenzen erreichen wir die Ziele nicht
Andrea Gebhard ist seit 2021 Präsidentin der Bundesarchitektenkammer. Die Landschaftsarchitektin und Stadtplanerin beschäftigt sich seit ihrem Studium mit den Möglichkeiten einer nachhaltigen Stadtentwickung. Wir sprachen mit ihr darüber, wie sie sich auch in ihrem neuen Amt für ein zirkuläres und klimagerechtes Bauen einsetzen will.
Text: Thein, Florian, Berlin; Crone, Benedikt, Berlin
Sie sind Landschaftsarchitektin und Stadt- und Regionalplanerin. Haben Sie damit als Präsidentin der Bundesarchitektenkammer einen anderen Blick auf die Herausforderungen der Zeit als eine Hochbauarchitektin?
Mit was man sich täglich beschäftigt, schärft natürlich den Blick. In meinen Fall ist das die städtische Quartiersebene, der Freiraum und allgemein die Regional- und Landschaftsplanung. Ich stamme aber auch aus einer Architektenfamilie, habe einen starken persönlichen Bezug zur Architektur und arbeite in der BAK mit einem gut aufgestellten Team aus Hochbauarchitektinnen und -architekten zusammen. Wichtig ist mir vor allem, in meiner Arbeit die Stadt als Lebens- und Arbeitsraum der Menschen zu stärken – und gleichzeitig die Biodiversität zu fördern.
Nachhaltigkeit zieht sich erkennbar als Schwerpunkt durch Ihren Lebenslauf.
Mein Studium in den 80er Jahren fiel zusammen mit der Öko-Bewegung. Diese Zeit hat mich in der Tat sehr geprägt. Gerade das Thema Stadtökologie hat mich begeistert. In meiner Diplomarbeit habe ich mich daher auch mit der Frage beschäftigt, wie Klimaanpassung und Stadtentwicklung zusammengeführt werden können.
Wo sehen Sie heute ein großes Potenzial für ein kreislauffähiges und klimagerechtes Bauen?
Was bei jedem Planungsvorhaben ja zuerst betrachtet werden sollte, ist das Umfeld, – und das ist oft größer als es auf den ersten Blick erscheint. Ich setze mich daher dafür ein, dass die Regionalplanung gestärkt und Teil des neuen Bauministeriums wird, zuvor war sie im Innenministerium angeordnet. Zudem ist unser Wissen darüber, welche Rolle die gesamte Raumplanung im Bereich des Klimaschutzes spielt, über die letzten Jahrzehnte stark gewachsen. Vor Jahren hätte man beispielsweise den Schutz der Moore aufgrund ihrer klimatischen Bedeutung noch belächelt. Heute wissen wir um deren Relevanz. Wir müssen uns daher noch mehr an die großen, umfassenden Themen im Verhältnis von Stadtentwicklung und Natur wagen.
Wie will die Bundesarchitektenkammer eine entsprechende Umsetzung fördern?
Wir stehen im Kontakt mit den betroffenen Staatsministerinnen und -ministern der Ministerien des Wirtschafts-, Landwirtschafts-, Finanz-, Umwelt-, und natürlich des Bauministeriums. Diese reagieren offen und unterstützten unsere Anliegen, gerade was die Fragen von Klimaschutz und -anpassung, aber auch das zirkuläre Bauen betrifft. Wir sind froh, hier auf einer Linie zu sein.
Haben sich Positionen hierzu durch den Regierungswechsel verschoben?
Die alte Regierung habe ich als BAK-Präsidentin zwar nur für einige Monate erlebt, aber auch damals hatten wir bereits eine sehr gute Zusammenarbeit mit der Baustaatssekretärin Anne Katrin Bohle. Der Bauminister Horst Seehofer dagegen hatte sich kein einziges Mal bei einer unserer Veranstaltungen blicken lassen. Die neue Bauministerin Klara Geywitz hat nun bereits zugesagt, am nächsten Deutschen Architektentag 2023 teilzunehmen und es fortan als Regelfall
zu etablieren.
zu etablieren.
Das klingt nach einem harmonischen Hand-in-Hand zwischen Politik und Architektenkammer. Wie offensiv vertreten Sie als Architektenkammer Ihre Interessen in den Treffen?
Wir schlagen Gesetzesänderungen vor und fordern zum Beispiel, die HOAI so zu überarbeiten, dass klimagerechtes Bauen stärker berücksichtigt wird. Wir besprechen mit der Politik, wie aus unserer Sicht die Bauordnungen angepasst werden könnten. Ein großes Bedürfnis ist mir aber auch, dass die Regionalplanung einen höheren Stellenwert auch auf Landesebene erhält.
Wir schlagen Gesetzesänderungen vor und fordern zum Beispiel, die HOAI so zu überarbeiten, dass klimagerechtes Bauen stärker berücksichtigt wird. Wir besprechen mit der Politik, wie aus unserer Sicht die Bauordnungen angepasst werden könnten. Ein großes Bedürfnis ist mir aber auch, dass die Regionalplanung einen höheren Stellenwert auch auf Landesebene erhält.
Derzeit entstehen in Deutschland noch wenige vollständig zirkuläre Projekte. Wie lässt sich der Kreislaufgedanke in der Masse realisieren?
Über Gesetze. Ohne klare Vorgaben und Grenzen erreichen wir die Ziele nicht. Mir ist daher auch wichtig, wieviel Land wir versiegeln. Auch hier müssen wir uns als Gesellschaft Grenzen setzen, damit Innen- vor Außenentwicklung bindend wird, und ein Neubau nicht rentabler ist als ein Umbau. Wir Architekten und Architektinnen könnten außerdem bei Planungsvorhaben auch Gemeinden und Bauherren beratend zur Seite stehen, als Planungsbeiräte ähnlich der Gestaltungsbeiräte.
Neben Gesetzen kann auch über Förderungen Einfluss genommen werden und gezielt kreislauffähiges Bauen unterstützt werden.
Richtig. Das geht über die klassische Städtebauförderung. Es ginge aber auch über die Erstellung neuer Gebäudeklassen. Uns ist wichtig, dassbeispielsweise nicht alle DIN-Normen erfüllt werden müssen, um eine Gebäudeklasse zu erreichen. So wird der Weg zu einem Umbau vereinfacht und nur so wird der Umbau einem Neubau auch vorgezogen.
Wie findet der Austausch der BAK über das Thema Re-Use mit ihren Mitgliedern statt?
Wir planen unterschiedliche Veranstaltungsformate, dazu gehören natürlich die Akademien der Länderkammern. Generell herrscht ein Konsens unter unseren Mitgliedern über die Bedeutung des ökologischen und kreislauffähigen Bauens.
Welche Verantwortung sehen Sie in Bezug auf Re-Use bei den Herstellern von Bauprodukten?
Dazu stehen Gespräche an. Dabei wird es zunächst um den CO2-Ausstoß der jeweiligen Produkte gehen. Wir sind uns aber auch einig, dass keine Baustoffe auf den Markt kommen sollten, die nach ihrer Nutzung als Sondermüll bearbeitet werden müssen. Uns geht es generell darum, dass Produkte wiederverwendet oder wiederverwertet werden können. Die Voraussetzung für ein Re-Use ist aber, dass langfristig haltbare Materialien verwendet und von den Herstellern eben auch produziert werden.
Ist hier bisher mit Blick auf die EnEV und der massenhaften Verwendung von Wärmedämmverbundsystemen zu kurz gedacht worden?
Natürlich wurde bisher zu viel nicht nachhaltiges Dämmmaterial verwendet. Aber jetzt geht es ja darum, in die Zukunft zu schauen. Als Landschaftsarchitektin würde ich Materialien wie Styropor gar nicht anfassen. Ich bin allerdings keine Bauphysikerin, die definieren kann, welche Baustoffe sich besser zur Dämmung eignen. Dafür ist die Betrachtung eines Projekts in seinem gesamten Lebenszyklus – beim Hochbau wie beim Außenraum – eine Aufgabe, für die ich in der Bundesarchitektenkammer verstärkt eintreten kann und will. Als ich mich bei der Bundesgartenschau 2005 für das Thema „Nachhaltige Entwicklung eines neuen Stadtteils“ eingesetzt habe, wurde ich in Teilen noch dafür kritisiert. Da hat sich zu heute viel getan. Gerade das Engagement unserer jungen Mitglieder stimmt mich zuversichtlich.
Andrea Gebhard ist Landschaftsarchitektin, Stadtplanerin und Mitinhaberin des Büros mahl gebhard konzepte in München. Im Mai wurde sie zur Präsidentin der Bundesarchitektenkammer gewählt. Gebhard ist Mitglied der Bayerischen Architektenkammer, dem Bund Deutscher Landschaftsarchitekten (BDLA), in der Deutschen Akademie für Städtebau und Landschaftsplanung sowie im Kuratorium für Nationale Stadtentwicklung. Von 2007 bis 2013 war sie Präsidentin des BDLA.
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