Bauwelt

Vor allem die Politik war skeptisch

Interview mit Cornelia Zuschke, der Beigeordneten für Planen, Bauen, Mobilität und Grundstückswesen der Landeshauptstadt Düsseldorf

Text: Heinich, Nadin, Düsseldorf

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Cornelia Zuschke Geboren 1961 in Weimar. Studium an der Hochschule für Architektur und Bauwesen in Weimar (heute Bauhaus-Universität). Dipl.-Ing. Architektin, 1993 bis 1995 Aufbaustudium zur Architektin in der Denkmalpflege. 1993 Leitung der Unteren Denkmalschutzbehörde und ab 1997 Leiterin des Stadt- und Verkehrsplanungsamtes in Fulda, 2000 Wahl zur Baudezernentin in Fulda, 2014 Wahl zur Dezernentin für Städtebau, Mobilität und Umwelt in Darmstadt. Seit 2016 in Düsseldorf

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Cornelia Zuschke Geboren 1961 in Weimar. Studium an der Hochschule für Architektur und Bauwesen in Weimar (heute Bauhaus-Universität). Dipl.-Ing. Architektin, 1993 bis 1995 Aufbaustudium zur Architektin in der Denkmalpflege. 1993 Leitung der Unteren Denkmalschutzbehörde und ab 1997 Leiterin des Stadt- und Verkehrsplanungsamtes in Fulda, 2000 Wahl zur Baudezernentin in Fulda, 2014 Wahl zur Dezernentin für Städtebau, Mobilität und Umwelt in Darmstadt. Seit 2016 in Düsseldorf


Vor allem die Politik war skeptisch

Interview mit Cornelia Zuschke, der Beigeordneten für Planen, Bauen, Mobilität und Grundstückswesen der Landeshauptstadt Düsseldorf

Text: Heinich, Nadin, Düsseldorf

Seit 2016 sind Sie in Düsseldorf. Was hat Sie an der Stadt gereizt?
Düsseldorf steht für mich für Dynamik, Lust an sich selbst, für eine unbekümmerte, vielschich­tige Freude am gestalterischen Ausdruck. Das hat vielleicht damit zu tun, dass die Stadt während der Industrialisierung aus verschiedenen Orten des Arbeitens zusammengewachsen ist – ein polyzentrisches Geflecht, dass sich um einen interessanten Spannungsbogen zwischen Altstadt und City herum gruppiert hat. Gerade entlang mancher dieser Bruchkanten wurde eine besondere Qualität der städtebaulichen Entwicklung möglich. So hat Düsseldorf mit der Wucht der Moderne und der besonderen Kraft des Wiederaufbaus eine zukunftsweisende City, als Gegenüber dem Historischen, den auf breiter Fläche vernetzten Quartieren gestaltet. Hinter der ehrwürdigen Kö hat man statt klassischem Städtebau mit dem Bau von Dreischeibenhaus und Schauspielhaus die Ruhrgebietszentrale und das Wirtschaftswunder skizziert. Ich finde es ein besonderes Privileg, diese Qualitäten und diese Haltung Düsseldorfs weiterentwickeln zu können.
In den vergangenen zehn Jahren wurden viele der städtebaulichen Ideen aus den 1950er Jahren rund um Dreischeibenhaus und Schauspielhaus wieder zurückgebaut …
Das ist ja das Spannende! Düsseldorf hat nach dem Krieg gesagt: kein Wiederaufbau der his­torisierenden Strukturen! Wir manifestieren uns jetzt als Landeshauptstadt und Wirtschafts­zentrum über die Wirtschaftswunder-Moderne. Wir bauen das erste Hochhaus. Man fuhr nach Chicago und schaute sich dort Hochhäuser an. Daneben setzte Bernhard Pfau diesen sensib­len, poetischen, skulpturalen Bau des Schauspielhauses. Beide Haltungen prallen aufeinander und erzeugen eine einzigartige Spannung. Dann durchströmt das Band des Tausendfüßlers die Stadtmitte und vertritt städtebaulich klar die autogerechte Stadt – das finde ich großartig als Reflexionsebene für unser Tun. Heute nehmen wir in unseren Städten wieder erhebliche Umbrüche wahr. Die Stadt, die mehr Dichte und gleichzeitig mehr Raum braucht. Wieder traut sich Düsseldorf, gegen Widerstand, unter anderem auch des Denkmalschutzes, den Tausendfüßler abzureißen. Auch wenn mir als Denkmalpflegerin ein Stück weit das Herz blutet, war das im Nachhinein die richtige Entscheidung, um einen verbindenden, öffentlichen Raum mit Luft und Licht in Angriff zu nehmen.
Nach Abriss des Tausendfüßlers 2013 stellt man jedoch fest, dass die bisherige städtebau­liche Planung, ein prämierter, erster Wettbewerbs­entwurf von 2009, der die klassische Stadt der Quartiere weiterbauen will, an dieser Stelle nicht funktioniert. Da kommt Christoph Ingenhoven und präsentiert seinen skulpturalen, gleichzeitig stark im Heute verankerten Ansatz der ökolo­gischen Moderne, stellt den Stadtikonen eine Landschaftsanalogie gegenüber. Ich glaube, das war fast eine intuitive Entscheidung. Schon seit Beginn der 1990er Jahre hat dieser Düsseldorf verbundene, weltweit tätige Architekt Konzepte für die Neugestaltung der Düsseldorfer Innenstadt entwickelt. Die großen Solitäre, Ikonen einer bestimmten Zeit, funktionieren zusammen, weil sie logisch, eigen und dabei souverän sind. Genauso souverän fügt sich das Jetzt mit einem Anteil von Zukunft hinzu. Nun entsteht etwas, das städtebaugeschichtlich schlüssiger ist als Wirtschaftswunder-Moderne plus klassische Stadt, nämlich Wirtschaftswunder-Moderne plus ökologische Moderne. Die Resonanz zwischen Zeithorizont und architektonischer Übersetzung, oder soll ich sagen, Erfüllung, wiede­rum ist der Motor, diese Räume zusammenzudenken, den Gustaf-Gründgens-Platz mit dem Hofgarten, Corneliusplatz, Schadowstraße, eine der am meisten frequentiertesten Einkaufsstraßen in ganz Deutschland – kommerzialisier­te und nicht-kommerzialisierten Orte. Es ist ein Raumerlebnis, das hier auf dem Fußabdruck des Tausendfüßlers gestaltet wird, die Verpflichtung des „return to public“.
Auch die dem Kö-Bogen vorgelagerte Tuchtinsel soll bebaut werden. Wie stehen Sie dazu? Vor Kurzem wurde dazu unter anderem ein Entwurf von Santiago Calatrava vorgestellt.
Positiv kritisch. Dieser städtische Raum will bespielt werden! Der Calatrava-Bau muss in sei­ner Kubatur in den Kontext sich einfügen – im Hinblick auf seinen Fußabdruck wie auch auf eine angemessene Höhe. Er muss das Dreischei- benhaus würdigen und sich in die eben er­zähl­te Geschichte einreihen mit einer eigenen Aussage. Düsseldorf ist keine zentral konzentrierte Hochhausstadt wie Frankfurt am Main, sondern eine Stadt, die ihre Hochhäuser bei einem Traditionshorizont zwischen 90 und 110 Metern wie ein Nadelkissen einzeln und kumulativ an geeigneten Knotenpunkten verteilt. Die Rheinmetropole hat über viele Zeitschichten hinweg immer wieder an ihrer Konsistenz gearbeitet. Die muss man verstehen und kann sich dann mit einem Planvorhaben in diesen Kontext reinmodellieren.
Im Hinblick auf die Grünfassade des Kö-Bogens II hatte die Stadt große Bedenken, dass sie langfristig grün bleibt. Auch wenn sich der Investor dazu verpflichtet hat, für 99 Jahre die Wartung zu übernehmen. Warum?
Alle waren skeptisch. Ich kann das verstehen, es gibt einfach zu viele Beispiele, die nicht funktionieren. Allein wie spärlich das Grün im Kö-Bogen I wächst … Stark beeindruckt hat mich, mit welcher Detailversessenheit Architekten, Ingenieure und Gärtner an die Umsetzung der Grünfassade herangegangen sind. Dazu zählen die Probefassade, aber auch der unglaubliche Vorlauf, mit dem die Züchtung der Heckenfamilie geplant wurde, um, falls notwendig, Ersatzpflanzen vorrätig zu halten. Diese Arbeit zusammen mit den Gutachten, die immer sorgfältig auf die Konsequenzen achteten, war wirklich glaubwürdig.
Haben Sie aus diesem Prozess auch etwas für andere Projekte mitgenommen? Was braucht es für mehr Grün in der Stadt?
Fassadengrün ist wunderschön, aber es ist natürlich nicht das Ur-Grün. Daher brauchen wir zunächst einmal mehr echte Grünflächen auf dem Boden der Stadt, dazu eine Grün-Vernetzung, statt einzelner Inseln. Grünfassaden sollten nicht nur Schmuck sein, sondern wie beim Kö-Bogen II die Fassade selbst – ein integraler Bestandteil, den man nicht irgendwann ein­fach wegnehmen kann. Deswegen wirkt dieses Gebäude auch so überzeugend. Zudem müssen wir unsere Vorschriften überarbeiten. Im Hinblick auf Brandschutz usw. gibt es aktuell keine vereinfachende Norm für das Genehmigungsverfahren, alles muss einzeln nachgewiesen werden. Einen spannenden Ansatz finde ich, dass diese Fassade im Winter braun werden darf.
Was sind für Sie, jenseits von mehr Grün, aktuell die drängendsten Aufgaben in Düsseldorf?
Wichtig ist, das Netzgewebe der Stadt mobiltauglich, grün und menschenwürdig zu gestalten – die Stadt zusammenzuführen zu einem großen, lebendigen, lebenswerten Raumgefüge. Das haben wir durch Corona gelernt: Die Menschen brauchen den öffentlichen Raum, nicht überall das Gleiche, sondern gleichberechtigte Quali­täten an ganz unterschiedlichen Orten. Was ich mir aber auch wünsche, ist, dass wenn die Stadt dichter werden soll, sie zugleich qualitativ hochwertiger wird und dafür gemeinsame Werte und Maßstäbe gefunden werden. Dichter bedeutet für mich nicht automatisch mehr, sondern auch monofunktionale Orte aufzubrechen, Transformationsflächen, Brachen aller Art und nicht mehr Einzelhandelsflächen neu zu beleben, dafür an anderen Stellen mehr Großzügigkeit und Durchlässigkeit zu erwirtschaften. Ich möchte, dass „mein“ Raumwerk D, das städtebauliche Entwicklungskonzept für Düsseldorf, spätestens 2021 soweit gediehen ist, dass wir damit in alle Projekte hineinarbeiten können. Vier interdisziplinäre Planungsteams haben jeweils eine eigene Vision, sogenannte Raumbilder, für die Stadt entwickelt. Daraus extrahieren wir ein übergeordnetes Zielkonzept und das im Gleichklang mit dem Mobilitätsplan D, einem in die Zukunft gerichteten ökonomisch, ökologisch und sozial verträgliches Mobilitätskonzept. So bekommt nicht jedes Projekt den Rucksack des Ganzen auf, ist aber kontextuell Teil des Ganzen.

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