Als New York noch wild und aufregend war
Bruce Davidsons Fotoserie „Subway“
Text: Scheffler, Tanja, Dresden
Als New York noch wild und aufregend war
Bruce Davidsons Fotoserie „Subway“
Text: Scheffler, Tanja, Dresden
New York war ein gefährliches Pflaster, als der Magnum-Fotograf Bruce Davidson Anfang der 80er Jahre mit seiner Fotodokumentation über die Subway begann: Die Stationen verfielen zusehends, entgleiste Züge, Wasserrohrbrüche und Raubüberfälle gehörten zur Tagesordnung; während der fünf Jahre, in denen er an dem Projekt arbeitete, wurde Davidson zweimal die Kamera gestohlen.
Bruce Davidsons Thema sind Menschen in ihrer Stadt. Er porträtiert New York seit langem: Gangs in Brooklyn (1959), Wohnblocks in Harlem (1966–68), den Central Park (1992–95). 47 Aufnahmen seiner „Subway“-Serie sind zurzeit in der Fotogalerie C/O Berlin zu sehen. Das U-Bahn-Netz, hauptsächlich zwischen 1904 und 1940 gebaut, prägte New Yorks Entwicklung zum dichtesten Ballungsraum der USA entscheidend: Die Bebauung breitete sich vor allem entlang den Bahnstrecken aus. Davidsons Aufnahmen werfen Schlaglichter auf legendäre Schienenstränge wie die berühmt-berüchtigte F-Line, die von der Jamaica Street in Queens durch ganz Manhattan und Brooklyn bis zur Surf Avenue auf Coney Island verläuft.
Der faszinierende Fototrip zeigt schmuddelige Unterwelten in sterilem Neonlicht, aber auch romantisch im Abendrot versinkende Hochbahnstrecken, und immer mit im Bild die unterschiedlichsten Typen: glamouröse Latinas, Familien auf dem Rückweg von der Highschool-Abschlussfeier (die Jungs noch im Talar), aggressiv auftretende Halbstarke, bullige „Guardian Angels“, die versuchen, sich Respekt zu verschaffen. Altertümliche Eisenkonstruktionen sind zu sehen und heruntergekommene Waggons, in denen sich ein Mal die Menschen dicht drängeln, ein ander Mal ein paar Kinder versuchen, durch die über und über bemalten Fensterscheiben einen Blick auf das illuminierte Riesenrad („Wonder Wheel“) auf Coney Island zu erhaschen. Überhaupt ist Graffiti allgegenwärtig. Lange hatten die Jugendgangs mit Markern und Sprühdosen vor allem ihre Reviere „getaggt“, in der Subway entdeckten sie eine Spielwiese mit deutlich größerem Aktionsradius: Die Waggons, die sie Außen wie Innen vollständig unter Graffiti verschwinden ließen, fuhren ja schließlich durch die ganze Stadt. Einige Sprayer erreichten mit ihren kryptischen Botschaften auf Türen, Fenstern und Sitzen überregionale Bekanntheit; anderen gelang gar der Aufstieg in die Legalität, wie Jean-Michel Basquiat – als Liebling der New Yorker Kunstszene.
Das New York auf den Subway-Fotos von Davidson ist bekanntermaßen Geschichte. Als Rudolph Giuliani 1994 Bürgermeister wurde, begann er mit seiner „zero tolerance“-Politik die Innenstadt aufzuräumen; es gelang ihm, die Kriminlitätsrate eindrucksvoll zu senken. Obdachlose, Bettler, Junkies und Kleindealer wurden dabei ebenso gnadenlos verfolgt wie Schwerverbrecher. Aber auch für Graffiti-Künstler und Straßenmusikanten brachen schwierige Zeiten an. Die Subway gilt heute wieder als sicher. Viele Stationen wurden renoviert, und mit den alten Waggons verschwanden auch die Tags und Graffiti. Doch das neue Image trügt: Viele der U-Bahn-Bauten sind nach wie vor marode. Das merken die New Yorker immer dann, wenn Rohrbrüche komplette Stationen lahmlegen und dabei auch die angrenzenden Straßen überfluten.
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