Bauwelt

Annäherung an die Wir-Stadt

Nospolis-Symposium in Wuppertal

Text: Escher, Gudrun, Xanten

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Die „Wir-Stadt“ ist stets auch eine Frage sinnvoll ausgegebenen Geldes.
Foto: Design for London/GLA

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Die „Wir-Stadt“ ist stets auch eine Frage sinnvoll ausgegebenen Geldes.

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Annäherung an die Wir-Stadt

Nospolis-Symposium in Wuppertal

Text: Escher, Gudrun, Xanten

Nospolis nennt sich eine lehrstuhlübergreifende Arbeitsgruppe des Fachbereichs Architektur der Bergischen Universität Wuppertal. Denselben Titel trug die erste Konferenz, die die Gruppe Anfang Februar veranstaltete.
Nospolis bildet, wenn man so will, den programmatischen Widerpart zu My City, zur persönlichen Aneignung der Stadt. Das „Wir“ soll im Vordergrund stehen. Der lateinisch-griechische Wortmix nospolis ließe sich somit frei übersetzen als: Wir sind die Stadt. Im antiken Verständnis meint polis aber nicht die Stadt im Sinne eines (bebauten) Territoriums, sondern den Verbund aller Bürger – was sich nicht ohne weiteres auf heutige Verhältnisse übertragen lässt. „Wir sind die Stadt“ könnte heute auch die Usurpierung der Gemeinschaft durch eine Gruppe bedeuten, die sich als „wir“ begreift. Das war einer der kritischen Punkte, die im Laufe des Sym­posiums auftauchten – als es um Beispiele von Quartiersprojekten ging: Wer profitiert im Wettbewerb um Fördermittel, wer wird ausgeschlossen?
Der Themenblock Stadt der gemeinsamen Güter befasste sich mit der Allmende, dem Allgemeingut. Das inzwischen dafür gebräuchliche englische Wort commons jedoch bezeichne nicht Güter, wie die aus­gewiesene Expertin auf dem Gebiet Silke Helfrich betonte, sondern beziehe sich auf „eine Politik jen­-seits von Markt und Staat“. Commons dürfe man nicht mit Gemeinwohl verwechseln. Vielmehr sei es ein prozessualer Begriff, der den Fokus weg von der vermarktbaren Sache hin auf die Menschen lenke, die gemeinsam produzieren und teilen. Sie berief sich auf die erste Nobelpreisträgerin für Wirtschaft (2009) Elinor Ostrom, die Prozesse und Bedingungen funktionierender Commons analysiert hat.
Die folgenden Themenblöcke Urbanismus in Zellen und Ko-Produktive Raumstrategien boten einen bunten Strauß von Einzelprojekten und Strategien. So stellte Tobias Goevert, Principal Regeneration Officer des Londoner Bürgermeisters, den aktuellen Politikansatz in Greater London vor, mit dem lokale Ressourcen entlang der typischen Londoner High Streets gestärkt werden sollen (Bauwelt 24.12). Und Philipp Misselwitz von Urban Catalyst, Berlin, forderte ein Umdenken in der Architektenausbildung, um den Anspruch „bottom up statt top down“ um­set-zen zu können. Moderator Christoph Grafe, Professor für Architekturgeschichte und -theorie in Wuppertal, nahm der Mitwirkungseuphorie etwas den Wind aus den Segeln, als er unwidersprochen anmerkte, die präsentierten Projekte seien eben nicht von unten angestoßen, sondern von oben dirigiert.
Open-source-Städtebau
Auch Georg Franck, promovierter Volkswirt und Architekt, bezog sich auf die Nobelpreisträgerin Ostrom. Er definiert den öffentlichen Straßenraum als Allmende – das Gegenstück zum Privateigentum des Hausinnern. Wenn Städtebau gelänge, so Franck, hätten alle Bauherren und Planer dazu beigetragen – nach gemeinsamen Regeln. Zusammen mit Studie­renden seines Lehrstuhls an der TU Wien und mit der Stadt Zürich hat er den Versuch einer Nachverdichtungsplanung im „Open source“-Modus unternommen, abgeleitet vom Prinzip der Open-source-Software, bei deren Entwicklung jeder gleichberechtigt mitwirken kann. Die Ergebnisse – bis hin zu einer Mustersatzung – seien vielversprechend, für die Umsetzung fehle allerdings ein Partner.
Mindestens drei Fragen blieben in Wuppertal offen oder wurden gar nicht gestellt. Erstens: Wie lässt sich in offenen Prozessen inhaltliche und ästhetische Qualität erreichen? Die Kulturtheoretikerin Elke Krasny bemerkte richtig, dass progressives Handeln nicht zwangsläufig progressive Architektur hervorbringe. Zweitens: Ob London, Berlin oder Zürich, überall war der Wachstumsdruck ein wesentlicher Treiber für die Projekte. Was aber ist in „schrumpfenden“ Regionen? Drittens: Wer sind eigentlich die „Bürger“, die sich neuerdings einmischen? Antworten darauf liefert die Reiselektüre der Autorin auf dem Weg zur Konferenz: „Die neue Macht der Bürger. Was motiviert die Protestbewegungen?“ von Franz Walter. Unbedingt zu empfehlen!

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