Ariel aus der Neuen Welt
Die eigensinnige Welt des Pancho Guedes
Text: Smithson, Alison, London
Ariel aus der Neuen Welt
Die eigensinnige Welt des Pancho Guedes
Text: Smithson, Alison, London
Guedes baut wie er spricht, ein Lachen spricht aus seinen Einfällen wie aus seiner Stimme. Es scheint, als gäbe es für ihn niemals so etwas wie ein Abwägen oder Zögern; er denkt, er macht.
Er kennt wohl kaum die Bedeutung des Wortes Auswahl; er sieht sich nicht gezwungen, auswählen zu müssen; wo es zwei Möglichkeiten gibt, nimmt er beide; gibt es noch weitere, wird er aus allen etwas machen.
Stellen wir uns einmal die folgende Szene vor: Guedes steht an einer Haltestelle, er wartet auf den Bus und jetzt kommen gleich zwei auf einmal. Was tut er? Er würde die Busfahrer in eine Unterhaltung verwickeln, mit beiden Schaffnern reden, mit dem einen der beiden sich näher befreunden; die Hälfte der Fahrgäste wäre mit Wohlgefallen dabei und er würde es irgendwie hinkriegen, alle beiden Busse zu „nehmen“. Entweder springt er zwischen beiden hin und her oder überredet sie, Seite an Seite nebeneinander her zu fahren, so dass die ursprüngliche Aussicht auf eine gemeinsame Ankunft die Qualität eines wirklichen Zusammenseins gewonnen hat – auf eine nicht ganz geheure, aber vollkommen harmlose, unterhaltsame Weise. Und ganz sicher würde folgendes dabei herauskommen: eine Familie von Busskulpturen; eine Serie von Zeichnungen, Gemälden oder Stickereien von Bussen mitsamt den Fahrgästen; ein Gebäude oder vielleicht auch drei, die entweder Mischwesen von Bus-Häusern darstellen, die sich entschlossen haben, anzuhalten, oder Haltestellen, die beschlossen haben, jene Bus-Häuser zu werden. So nämlich nimmt Guedes eine Alltagssituation auf und gibt ihr diesen Dreh mit einem Lächeln.
Was macht dieser Mann bei Team10, kann man sich fragen. Dieser „Ein Mann spielt viele Rollen“, der sich wie Ariel in Shakespeares Sturm uns angeschlossen hat: eine Energie aus der Neuen Welt mit europäischen Wurzeln.
Er zeigt Team10, wie ein Architekt auf vielen Gebieten gleichzeitig tätig sein kann und dass es möglich ist, ohne Verlust der ureigensten Ansprüche oder der persönlichen Integrität, egal wo und wie, immer eine Idee hervor zu zaubern, auch wenn alles, was man hat, nichts anderes als ein Stock und ein Fleckchen Sand sind. Seine improvisierende Kraft und Begeisterung bietet Team10 eine Erinnerung an die eigene Unschuld und Hoffnung des Anfangs.
Was denn Besseres könnte die Gesellschaft von ihren Architekten erwarten als Orte, die erdacht und gemacht sind im Überschwang? Ganz persönliche Orte, getragen aber von einer gemeinsamen Geschichte, die in ihren Besitztümern übertragen wird.
Aus der Eröffnungsrede von Alison Smithson zu Pancho Guedes’ Ausstellung in London 1980
Clandestine Nursery School | 1968 | Maputo
Da es im afrikanischen Teil Ma- putos keine Baugenehmigungen gab, wurde dieser Kindergarten heimlich gebaut. Er gleicht einem Dorf, mit vielen Häusern, gebaut von ei-nem „Busch-Zimmerer“ und ungelernten Arbeitern, aus Stöcken, Schilf und Gras, mit Fenstern und Türen von Abrisshäusern aus dem europäischen Teil der Stadt. „Wenn ein Gebäude gebraucht wurde, aber kein Geld da war, habe ich immer auf traditionelle Weise gebaut, so wie fast jeder in Mosambik weiß, wie man es macht“, erinnert sich Guedes.
Grundschule | 1964 | Antioka
Mit der Grundschule in Antioka beginnt für Pancho Guedes eine langjährige Zusammenarbeit mit der Schweizer Mission. Muchlanga, der Vorarbeiter der Mission, konnte weder lesen noch Pläne verstehen, war aber ein hervorragender Handwerker. Guedes machte spezielle Zeichnungen für ihn, die er akkurat umsetzte. Das ganze Dorf beteiligte sich am Bau.
CTT School | 1972 | Inhambane
Das Gebäude, das sowohl die Schulen für Post- und Bahnangestellte als auch das Postamt beherbergt, ist um einen zentralen Innenhof organisiert. Die rhythmische Gliederung der Volumen und die stark ausgeprägten konstruktiven Raster, die einige der Fassaden durchdringen, evozieren eine Maschinen-Ästhetik, die überlagert wird von den freundlichen, anthropomorphen „Augen-Fenstern“.
Five Caterpillars | 1972 | Boane
Die Unterkunft für junge Arbeiter einer Molkerei ist mit einem sehr geringen Budget gebaut. Bezogen auf eine zentrale Querachse, nehmen die Bauteile unterschiedliche Positionen ein und unterstreichen so die Autonomie und den jeweils eigenen Charakter der einzelnen „Raupen“. Sie belegen einmal mehr die animistische Dimension im Werk von Guedes.
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