Bauwelt

Auf den Sockel gehoben

Möbel von Ferdinand Kramer in Frankfurt am Main

Text: Santifaller, Enrico, Frankfurt am Main

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    Ferdinand Kramer (1898-1985) war von 1952 bis 1964 Baudirektor der Frankfurter Universität.
    Kramer Archiv, Frankfurt am Main

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    Ferdinand Kramer (1898-1985) war von 1952 bis 1964 Baudirektor der Frankfurter Universität.

    Kramer Archiv, Frankfurt am Main

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Einrichtung eines Wohnraums mit Möbeln von Kramer im Haus von J.J.P. Oud in der Stuttgarter Weißenhof-Siedlung, 1927
Foto: Kramer Archiv, Frankfurt am Main

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Einrichtung eines Wohnraums mit Möbeln von Kramer im Haus von J.J.P. Oud in der Stuttgarter Weißenhof-Siedlung, 1927

Foto: Kramer Archiv, Frankfurt am Main


Auf den Sockel gehoben

Möbel von Ferdinand Kramer in Frankfurt am Main

Text: Santifaller, Enrico, Frankfurt am Main

Der Zeitpunkt ist perfekt. Unmittelbar nachdem sich die Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main mit einem live im Fernsehen übertragenen großen Knall von ihrem alten Campus verabschiedet hat, lädt das dortige Museum Angewandte Kunst zu einer Ausstellung über Ferdinand Kramer (1898–1985) ein, den Erbauer eben dieses Campus.
Während heute, von einem hohen Zaun umschlossen, im neuen „Campus Westend“ hinter den schicken Natursteintapeten einer Stiftungshochschule studiert wird, erinnert die Schau an den bescheidenen Charme der Wiederaufbauepoche. Gezeigt wird nicht der Architekt Kramer, nach dessen Plänen allein für die Universität 23 Gebäude errichtet wurden, sondern der Designer von Möbeln und Interieurs. Das Museum möchte das Werk von ei­nem „der wichtigsten Architekten und Designer der deutschen Gestaltungsmoderne“ präsentieren – ein Anliegen, das drei raumgreifende Podeste unterstützen, auf die die Exponate gehoben wurden.
Die Ausstellung ist chronologisch gegliedert. Die erste Abteilung dokumentiert Kramers Arbeiten, als er von 1925 an in der Abteilung Typisierung des Frankfurter Hochbauamtes arbeitete. Mit seinem Beitrag zur Werkbundausstellung „Die Form“ im Jahr zuvor in Stuttgart war Kramer dem zwölf Jahre älteren Ernst May aufgefallen – auch er Frankfurter und Theodor-Fischer-Schüler. Als May am Main Siedlungsdezernent wurde, stieg Kramer zum Möblierer des Neuen Frankfurt auf. Er stattete die Siedlungen mit Öfen aus, mit Türdrückern, Fensteroliven und Leuchten, Tischen und Stühlen. Immer orientiert an Prinzipien, die in den 20er Jahren diskutiert wurden: Standardisierung, Materialgerechtigkeit, industrielle Massenproduktion, Zweckrationalität usw. Im Vergleich zum frühen Bauhaus waren Kramers Möbel reduzierter und aus weniger exklusiven Materialien hergestellt.
Adolf Loos war Kramer Freund und Vorbild zugleich. Wie dieser respektierte Kramer anonyme Handwerkstraditionen, übernahm Existierendes und adaptierte es nach seinen Vorstellungen. Dieser unprätentiöse Zug verhalf Kramer in den USA, wohin er 1938 seiner jüdischen Frau folgte, rasch zu Erfolg und Ansehen. Vor allem der mobile Lebensstil der Amerikaner beeinflusste ihn: Zur Klarheit und Rationalität seiner Möbel kam nun die rasche (De-)Montier­barkeit und eine Do-it-yourself-Komponente. Seine „knock-down-furniture“ waren nicht nur leicht, sondern auch klapp- und zusammenlegbar und damit gut zu transportieren. Ein Prinzip, mit dem ein schwedischer Unternehmer namens Ingvar Kamprad Jahre später einen Weltkonzern aufbauen sollte.
Ferdinand Kramer, der im Exil eine steile Karriere machte, kam auf Bitten von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno 1952 in seine Heimatstadt zurück. Dort avancierte er zum Leiter des Universitätsbauamts. Auch wenn sich sein Traum eines am Stadtrand gelegenen Campus im Grünen nicht erfüllte, so schuf Kramer doch im Stadtteil Bockenheim eine „Insel der Moderne“ (Astrid Hansen). Seine Gebäude brachten mit sichtbaren Stahlskeletten, unverkleideten Außenstützen und Gefachen aus Glas, meist beigen Klinkern oder wie im Philosophicum aus Sichtbeton einen ganz neuen – bis heute kaum verstandenen – Ton in das Frankfurter Baugeschehen ein. Und Kramer konnte seine Gebäude auch möblieren. Dazu griff er auf Serien zurück, die er schon fürs Neue Frankfurt und in den USA entwickelt hatte, übernahm aber auch Möbel von Charles und Ray Eames sowie von Egon Eiermann und von anonymen Möbelherstellern. Um der Brauchbarkeit, Flexibilität und eines günstigen Preises willen verzichtete Kramer einmal mehr auf den umfassenden Autorenanspruch, vom Sofakissen bis zum Städtebau alles selbst gestalten zu wollen.
Gebrauchswert versus Status
Die Gastkuratorin der Ausstellung Gerda Breuer, Professorin für Designgeschichte in Wuppertal, arbeitet die „Statusindifferenz“ von Kramers Design heraus. Ob Hörsaal oder Rektoratszimmer, ob Studen­tenwohnheim, das eigene Haus oder eine edle Ban­kiers-Villa im Vordertaunus (die er für seinen Jugendfreund Albert von Metzler baute), Kramer richtete seine Gebäude immer mit dem gleichen Mobiliar ein. Gebrauchswert galt ihm mehr als sozialer Status – was nicht jedem gefiel. Horkheimer etwa lies Kramers Möbel wieder entfernen und kehrte zum Neo-Biedermeier zurück. Was der überaus gelungenen Ausstellung leider fehlt, ist der späte Kramer. Dass er kein Freund der Postmoderne war, geht aus einer 1980 erschienenen Schrift hervor. Ob und wie er beispielsweise auf die Funktionalismus-Kritik seines Jugendfreundes Adorno reagiert hat, würde man denn doch gerne wissen. Dass es mit der Ausstellung gelingen könnte, Kramer in den Rang einer internationalen Design-Ikone zu erheben, ist eher unwahrscheinlich: Seine Möbel sind letztlich zu nüchtern und unspektakulär. Reichen würde es schon, wann man in Frankfurt seinen Gebäuden etwas mehr Respekt entgegenbrächte. Dann könnten vielleicht einige, die dem Abriss geweiht sind, gerettet werden.
 
 
Fakten
Architekten Kramer, Ferdinand (1898-1985)
aus Bauwelt 8.2014
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