Auf klein gemacht
Der neue Markt von Rostock
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Auf klein gemacht
Der neue Markt von Rostock
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Der Neue Markt in Rostock soll seine im Zweiten Weltkrieg zerstörte und danach planierte Nordseite zurückerhalten, hat der Rat der Stadt schon 2008 beschlossen. Der Ende 2013 entschiedene städtebauliche Ideenwettbewerb zeigt nicht nur, wie sich die vorgesehenen öffentlichen und privaten Nutzungen – Stadtbibliothek, Läden, Wohnungen, Büros – auf der Freifläche zwischen Rathaus und Marienkirche unterbringen lassen, er wirft auch die Frage nach sinnvollen künftigen Parzellengrößen und Eigentumsverhältnissen auf.
Rostock, Anfang Dezember: Die Bandbreite der Eindrücke, mit denen die Hansestadt den Besucher empfängt, macht recht gut den etwas zwiespältigen Charakter der Bauaufgabe „neue Marktnordseite“ deutlich. Das Wummern der Weihnachtsmarktmusik und die Gerüche einfacher, fettsatter Gerichte zeigen, dass man hier, vor der barocken Ratslaube der Stadt, nicht etwa in Lübeck steht – wohlsituierte, lebensstilistisch verfeinerte Bürgerlichkeit ist nicht unbedingt eine Eigenschaft, die die rauere, industriellere Hanse-Schwester an der Warnow zuvorderst prägt. Hinter der Rathaustür aber, wo gleich im Erdgeschoss die Ergebnisse des städtebaulichen Ideenwettbewerbs präsentiert werden, flanieren etliche Bürger die Stellwände entlang, vertiefen sich in Lagepläne, Grundrisse, Schaubilder und diskutieren die Entwürfe in leisen Gesprächen. Auch im Besucherbuch finden sich fast ausschließlich konstruktive Kommentare – eine wohltuende Lektüre für den, der an das in Internetforen herrschende Gepöbel gewöhnt ist. Zwei Tage vor Ende der Ausstellung zeichnen sich zwei Positionen der öffentlichen Meinung ab: eine zahlenmäßig kleinere, die die bestehende Situation mit der verkehrsgerechten Öffnung des Platzes als Dokument des Wiederaufbaus nicht antasten möchte, und eine größere, die sich für die Neubebauung der Marktnordseite ausspricht, verbunden mit dem deutlichen Wunsch, eine Giebelhauszeile entstehen zu lassen, wie sie bis zum Zweiten Weltkrieg dort bestand.
Mit keiner der beiden Positionen ist auch nur einer der drei von der Jury (Vorsitz: Beate Niemann, Düsseldorf/Wismar) gleichberechtigt preisgekürten Entwürfe vereinbar – sie alle sehen hier ein großes Volumen vor, das Kleinteiligkeit höchstens formal vortäuscht: DE+ türmen eine gewaltige Shopping-Mall auf, die für den öffentlichen Raum nichts Gutes, nämlich Rückseiten, verheißt, während Hübotter+ Stürken ebenso wie SMAQ die neue Stadtbibliothek am Markt platzieren. In beiden Fällen bildet dieses öffentliche Gebäude die neue Platzwand, doch wirkt das große Volumen im Entwurf der Berliner gelungener ins Stadtgefüge eingepasst als die auf starrerer Geometrie und Solitärwirkung aufbauende Version der Hannoveraner. Nicht überraschend also, dass von den preisgekrönten Entwürfen der Vorschlag von SMAQ den größten Zuspruch im Besucherbuch fand. Die vom Preisgericht empfohlene Überarbeitung der drei Preisträger dürfte allerdings nicht dazu beitragen, einen der Entwürfe den Wünschen der Rostocker weiter anzunähern – dies bedürfte viel kleinteiligerer Grundstücke.
Zweiphasiger städtebaulicher Ideenwettbewerb
Preisgruppe DE+ Architekten, Berlin | Hübotter + Stürken Architekten und Stadtplaner, Hannover | SMAQ – architecture and urban research, Berlin
Anerkennungen mhb Planungs- und Ingenieurgesellschaft, Rostock | Steiner Weißenberger Architekten, Berlin
Preisgruppe DE+ Architekten, Berlin | Hübotter + Stürken Architekten und Stadtplaner, Hannover | SMAQ – architecture and urban research, Berlin
Anerkennungen mhb Planungs- und Ingenieurgesellschaft, Rostock | Steiner Weißenberger Architekten, Berlin
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