Aufwerten ohne verdrängen?
IBA Hamburg 2013
Text: Bartels, Olaf, Hamburg
Aufwerten ohne verdrängen?
IBA Hamburg 2013
Text: Bartels, Olaf, Hamburg
In Wilhelmsburg will die IBA unter anderem soziale Perspektiven eröffen. Ob das gelingt, hängt nicht zuletzt von der Entwicklung der Mietpreise ab. Ein Blick in die Zukunft.
Es klingt etwas weltfremd, wenn man von der IBA Hamburg vernimmt, die Aufwertung der Stadtteile Wilhelmsburg und Veddel und des Harburger Binnenhafens solle gleichzeitig ihren Bewohnern zugute kommen, ihnen Perspektiven bieten und sie nicht vertreiben. Die Erfahrung immenser Steigerung von Mieten und Lebenshaltungskosten in deutschen Großstadtquartieren nach einer Aufwertung solcher Gebiete lassen Zweifel angebracht erscheinen. Man kann sich allerdings auch fragen, ob der Zuzug einkommensstärkerer Bevölkerung, ein hochwertigeres Warenangebot oder reformierte Bildungseinrichtungen einkommensschwachen Bewohnern allein die Perspektive eines Umzugs in kostengünstigere Wohngegenden nahelegen kann.
Die südlichen Stadtteile Hamburgs, zu denen die Wohngebiete auf den Elbinseln gehören, haben es seit ihrer Eingemeindung nach Hamburg im Jahr 1937 schwer, als vollwertiger Teil der Hansestadt anerkannt zu werden. Im Schatten des Hafens führten sie ein produktives, aber unbeachtetes Dasein. Hier wohnten die Arbeiter, und hierher zogen die Arbeiter aus aller Herren Länder in die nach der Flutkatastrophe 1962 verlassenen Wohnhäuser. Als die Werftenkrisen in den 80er Jahren viele von ihnen arbeitslos machten, spielten sich ihre Schicksale hinter den Zollzäunen des Hamburger Freihafens ab, der sie vom Norden der Stadt abtrennte. Aufmerksamkeit erregten dann erst wieder der tödliche Angriff eines Kampfhundes auf einen Sechsjährigen und andere gewaltsame Todesfälle, für die die sozialen Verhältnisse in Wilhelmsburg verantwortlich gemacht wurden. Fast ein Fünftel der Wahlberechtigten stimmten in den Jahren um die Jahrtausendwende für die Republikaner, die DVU oder die Partei des Rechtspopulisten Roland Schill.
Wenn die IBA Hamburg seit ihrer Gründung im Jahr 2006 einen Fokus auf die Elbinseln legt und damit der politischen Willensbekundung folgt, der Stadtentwicklung zu einem „Sprung über die Elbe“ zu verhelfen, liegt dem nicht gerade eine altruistische Haltung zugrunde, diesen Umständen abzuhelfen. Hamburg braucht Platz für das Wachstum seiner Bevölkerung innerhalb seiner Stadtgrenzen. Von einem wachsenden Speckgürtel kann die Stadt nicht zehren. Und entwickeln lassen sich eher Gebiete mit einem niedrigen Immobilien- und Mietpreisniveau. Wenn dessen Bevölkerung auch noch jung, also entwicklungsfähig und letztlich auch offen für kreative Prozesse ist, lassen sich hier nicht nur neue Häuser bauen, in denen eine vielleicht kaufkräftige und die bestehende Sozialstruktur ergänzende Bevölkerung wohnt, sondern auch Perspektiven für die derzeitigen Bewohner eröffnen.
Die IBA-Hamburg versteht sich deshalb nicht allein als Bauausstellung, die die inneren Peripherien der von ihr sogenannten „Metrozonen“ entwickelt, sie will auch soziale Perspektiven eröffnen, hat eine „Bildungsoffensive“ aufgelegt, will lokale Ökonomien stärken, und sie will das Zusammenwirken vieler Kulturen im Stadtteil als Generator von Möglichkeiten unterstützen und nicht als Potenzial für Konflikte verstanden wissen. Dafür sind neue Schulbauten, Gebäude für Bildungs- und Sozialeinrichtungen sowie für soziale und kleinökonomische Projekte gefördert worden.
Ob eine so geschaffene „Kosmopolis“ Bestand hat, hängt auch von den ökonomischen Verhältnissen ihrer Bewohner ab, insbesondere von der Miete ihrer Wohnungen. Mit dem „Weltquartier“ haben die IBA und die städtische Wohnungsbaugesellschaft SAGA/GWG exemplarisch bewiesen, dass eine energetische Sanierung und ein Umbau nach den Wünschen der Bewohner mit geschickter Ausnutzung von finanziellen Förderungen zu einem verträglichen Mietpreis möglich sind (5,70 Euro/qm). Das heißt allerdings nicht, dass Modernisierung dieser Art zum Regelfall und Mietpreissteigerungen vermieden werden. Zwei Drittel des Wohnungsbestandes auf den Elbinseln, beruhigt IBA-Chef Uli Hellweg die örtlich streitenden Gemüter, seien im Eigentum der SAGA/GWG oder von Wohnungsbaugenossenschaften, die nicht zur Spekulation gezwungen seien. Allerdings fallen viele dieser Sozialbauwohnungen 2017 aus der Preisbindung, und der vom Hamburger Senat neu aufgelegte soziale Wohnungsbau, der den Bestand ab 2013 ergänzen könnte, sieht eine nur 15 Jahre laufende Mietpreisbindung vor. Die Wohnungsbaugesellschaften und die Baugenossenschaften müssen die Mieten nicht erhöhen, sie können es bei Neuvermietungen in absehbarer Zeit aber tun. Einige private Vermieter machen dies in den Gebieten bereits, deren Bausubstanz aus dem 19. Jahrhundert stammt und damit die städtische Lebensform bietet, die sich gerade großer Beliebtheit erfreut, dadurch aber eben auch die negativen Begleiterscheinungen der Gentrifizierung spürbar macht. Arbeitersiedlungen der 30er bis 70er Jahre sind davon (noch) weniger betroffen. Aber Sicherheit bietet auch das nicht, schließlich hat den Wohnbauten aus dem 19. Jahrhundert vor dreißig Jahren auch kaum jemand Wert beigemessen.
Die IBA Hamburg hat für alle Fälle ein regelmäßiges Strukturmonitoring des Wohnungsbestandes und der Mietpreisentwicklung in Auftrag gegeben. Die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt wird dies nach dem Ende der IBA 2013 weiter verfolgen, und notfalls, verspricht Senatorin Jutta Blankau (SPD), solle eine Sozialerhaltungssatzung die Mietentwicklung deckeln. Ob das effektiv möglich sein wird, muss die Zukunft zeigen. Derzeit ist Gentrifizierung in Wilhelmsburg wohl eher ein gefühltes denn ein reales Szenario.
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