Bauwelt

Augmented City

Erweiterte Realität in der Stadtplanung

Text: Zeile, Peter, Kaiserslautern

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Augmented City

Erweiterte Realität in der Stadtplanung

Text: Zeile, Peter, Kaiserslautern

Virtuelle Realität war gestern. Willkommen in der erweiterten Realität! Zehn Jahre nach dem Durchbruch des Mobiltelefons vereinen Smartphones die Technik eines Computers auf geringster Fläche. Ausgerüstet mit Internet, GPS und der richtigen App erschließen sie eine neue Schicht visueller Informationen, die sich auf dem Display mit dem Bild der Stadt mischt, das mit bloßem Auge sichtbar ist.
Der Traum des Bauherrn wird wahr: Er kann sein neues Haus direkt auf dem Grundstück von allen Seiten betrachten – noch bevor es gebaut ist. Das Zauberwort heißt „Augmented Reality“, die (optische) Erweiterung der Realität durch virtuelle Inhalte, die, z.B. auf einem Computerbildschirm, über das zeitgleich sichtbare Bild der Realität gelegt werden können. Diese Technik ist nicht nur für Architekten, sondern auch für Stadt- planer äußerst spannend. Denn Augmented Reality (AR) bietet dem Betrachter die Möglichkeit, mit relativ einfach zu bedienenden technischen Hilfsmitteln, z.B. einem Smartphone, zusätzliche Informationen seinem gewohnten Sehumfeld „zuzuschalten“. Das können dreidimensionale Elemente sein, die eigentlich durch Gebäude verdeckt sind, Text-Informationen, die per se immateriell sind, Entwürfe für die Zukunft eines Ortes (also z.B. der Neubau) oder Situationen, die in der Vergangenheit liegen (ein gutes Beispiel hierfür ist die Visualisierung der Berliner Mauer, siehe rechte Seite). In der Stadtplanung können so Gestaltungsvorschläge, aber auch funktionale oder rechtliche Aussagen zu Flächen direkt vor Ort abgerufen werden. Eine „Augmented City“, die durch eine zweite Realität erweiterte Stadt, entsteht.
Vom Internet zum Geoweb
In seinen Ursprüngen waren Daten im Internet „nur“ eine Ansammlung von virtuellen Informationen. Nun ist es möglich, diese mit einem geografischen Bezug zu versehen. Nicht nur die technischen Möglichkeiten, auch das Verhalten des Individuums hinsichtlich mobiler Kommunikation ändert sich fundamental. Erlebten wir vor zehn Jahren den Durchbruch der Mobiltelefone zum massentauglichen Kommunikationsmedium, verwandelt sich das Handy derzeit vom reinen Telefon zu einem Alleskönner mit permanentem Internetzugang. Die Smartphones der neueren Generation sind kleine Hochleistungssensoren: Sie können z.B. den eigenen Standort über GPS ermitteln, besitzen einen Kompass und haben die Fähigkeit, mithilfe von geeigneten Apps physikalische Größen wie Temperatur, Lautstärke oder Lichtintensität zu überermitteln. Durch den steten Zugang zum Internet wird die Vision des „Ubiquitous Computings“, also der Allgegenwärtigkeit der rechnergestützten Informationsverarbeitung, Realität.
Bei Planern und Architekten besteht zudem mittlerweile eine große Kompetenz beim Erstellen von 3D-Modellen. Zur besseren Transparenz und Nachvollziehbarkeit von stadtgestalterischen Entscheidungen haben viele Städte virtuelle Stadtmodelle aufgebaut, um anhand dieser Neuplanungen besser kommunizieren zu können. So hat zum Beispiel die Stadt Bamberg schon im Jahr 2006 begonnen, Wettbewerbsentwür­fe für einen Brückenneubau in ihr virtuelles Stadtmodell ein­zubinden, um sowohl der Wettbewerbsjury als auch dem Bürger den Brückenneubau im gewohnten Sehumfeld zu präsentieren.
Augmented Reality für den Hausgebrauch
Der Schritt, eigene Modelle in eine Augmented Reality Umgebung zu integrieren, ist für alle, die sich mit virtuellem Modellieren beschäftigen, nicht mehr groß. Die neue Inhaltsebene in Echtzeit kann theoretisch alle menschlichen Sinne ansprechen. Praktisch sind vor allem die visuelle und akustische Überlagerung der Realität verhältnismäßig einfach umzusetzen. Im Gegensatz zur „Virtual Reality“, die sich nur im virtuellen Raum bewegt (das virtuelle 3D-Stadtmodell ist zwar ein modellhaftes Abbild der Wirklichkeit, zeigt aber nicht die vorhandene Realität), kombinieren alle Techniken der Augmented Reality virtuelle und reale Objekte in einer realen Umgebung (oder deren Abbild, zum Beispiel auf dem Display des Handy) und lassen eine direkte Interaktion zu. Technisch gesehen braucht man dazu vier Dinge: einen Computer mit entsprechender Software, der als Rendereinheit die realen und virtuellen Bilder überlagert, ein Trackingsystem (mit dem die Rendereinheit/die Software übermittelt bekommt, wo sich der Nutzer in der Realität befindet), eine Kamera als Aufnahmesensor und ein Anzeigesystem, z.B. in Form eines Monitors. Mithilfe dieser Komponenten lassen sich derzeit vier verschiedene Visualisierungsverfahren realisieren:
Projective Augmented Reality (PAR) | manchmal auch „Spatial AR“ genannt, ist vom Prinzip her die einfachste Technik, da sie die virtuellen Inhalte auf ein real existierendes Objekt projiziert. So kann zum Beispiel mit einem Diaprojektor oder einem Beamer schon eine einfache Art der Augmented Reality hergestellt werden. Das Hauptproblem dabei ist, dass die Größe der zu projizierenden Oberfläche je nach Distanz zum Projektor immer wieder neu angepasst werden muss.
Video See-Through (VST) | ist eine Technik, bei der der Nutzer eine vollständig geschlossene Projektionsbrille trägt. Auf kleinen LCD-Monitoren innerhalb der Brille werden das virtuelle Bild des überlagerten Objektes und die Realität in Form eines Kamerabildes gemischt.
Optical See-Through (OST) | projiziert ein Bild des virtuellen Objekts auf einen halbdurchlässigen Spiegel. So kann auf die Kameraaufnahme der „realen“ Welt verzichtet werden.
Monitor Augmented Reality (MAR) | ist eine Technik, die den Monitor als Ausgabemedium verwendet. Mithilfe der Kamera und der Rendereinheit wird auf  dem Display das Bild der Realität mit virtuellen Inhalten überlagert. Die MAR ist derzeit am interessantesten für Anwender, da diese Technik auch mit Smartphones der neueren Generation funktioniert: Die Rendereinheit wird durch eine auf das Smartphone aufgespielte Software ermöglicht, als Trackingsystem fungieren der eingebaute Kompass (für die Ermittlung der Blickrichtung) und das GPS-Signal (für die Ermittlung des jeweiligen Standpunkts des Nutzers), Aufnahmesensor ist die eingebaute Kamera.
Unhandliche Hilfsmittel wie zu Beginn der Experimente mit dieser Technik in den 80er Jahren werden heute nicht mehr benötigt. Für fast jedes Smartphone und jedes mobile Betriebssystem sind sogenannte „Mobile Augmented Reality Browser“ verfügbar, also kleine Softwareprogramme, die die Eigenschaften des Smartphones nutzen und Augmented Reality für den „Hausgebrauch“ möglich machen. Eine der bekanntesten und sehr weit verbreiteten Apps ist LAYAR (layar.com).
Neben der Möglichkeit, virtuelle Objekte in die Realität zu projizieren, arbeiten moderne Augmented Reality-Apps auf Smartphones eng mit Social Communities und ortsbezogenen Diensten zusammen, wo Nutzer Kommentare und Ideen direkt vor Ort hinterlassen und auch abrufen können. Dadurch ergeben sich zusätzlich große Potenziale zur Wissensgenerierung und -vermittlung. In diesem Bereich sind zum Beispiel ALOQA (aloqa.com) oder WIKITUDE (wikitude.org) zu empfehlen, die allen frei offen stehen und die Möglichkeit bieten, eigene Informationen in einem eigenen Kanal zu publizieren.
Ein gutes Beispiel, wie dreidimensionale Augmented Reality Objekte in den urbanen Raum projiziert werden können, ist das Projekt „paradise to go“ des Büro MESS aus Kaiserslautern. Hatten die Architekten ihren Vorschlag für temporäres Mobiliar für den zentralen Stiftsplatz der Stadt im Jahr 2007 noch durch Fotomontagen auf Postkarten kommuniziert, ist das Projekt seit diesem Jahr mithilfe der RADAR-Umgebung des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) Kaiserslautern als „erweiterte Realität“ direkt vor Ort zu erleben. Als ein gutes Beispiel aus dem Bereich historischer Themen, also dem Wiedersichtbar-Machen von Verborgenem, kann die Rekonstruktion des Verlaufs des rätischen Limes dienen. Bis auf wenige Ausgrabungsstellen sind alle Bauwerke dieses ehemaligen Grenzwalles der Römer verschwunden und vielfach nur noch auf Luftbildern zu erahnen. Mithilfe von Augmented Reality wird es in Zukunft möglich sein, die Dimensionen und den Verlauf auf dem Display des Smartphones nachzuvollziehen.
Grenzen und Möglichkeiten der neuen Technik
Bisher setzt allerdings die Technik (noch) Grenzen. So ist z.B. die Ortungsgenauigkeit des GPS-Senders und die Übermittlung der Inhalte vom Server zum Smartphone oft alles andere als zufriedenstellend. Für ein wirklich exaktes und jederzeit erlebbares Augmented-Reality-Erlebnis müsste das GPS immer eine Ortungsgenauigkeit von unter einem Meter besitzen. In der Realität ist die Ungenauigkeit wesentlich größer. Hinzu kommt, dass die Übermittlung der Datenpakete auf das Smartphone teilweise so langsam, dass der Benutzer die Lust verliert, auf den Inhalt zu warten. Ein weiteres Problem ist, dass das von der Kamera im Smartphone aufgenommene Bild keine Tiefeninformation enthält. Anders als bei Virtual Reality Anwendungen, bei denen verdeckte Teile von Oberflächen durch eine Rechenoperation auch nicht angezeigt werden, ist das sogenannte Sichtbarkeitsproblem bei den mobilen Augmented-Reality-Anwendungen noch nicht gelöst, so dass durch das neue, „augmentierte“ Objekt nicht nur Elemente verdeckt werden, die hinter dem virtuellen Objekt liegen, sondern auch solche, die vor dem virtuellen Inhalt liegen. Deshalb eignet sich Augmented Reality im dicht bebauten Umfeld bisher vor allem zur Visualisierung punkthafter Informationen wie z.B. Text, während 3D-Objekte auf freieren Flächen oder Plätzen gut in Szene gesetzt werden können. Gerade in der sinvollen Ergänzung liegt jedoch die Stärke und auch die Zukunft der „Augmented City“: Sei es die Visualisierung von Leitungssträngen, die Überlagerung von Karten, die Einbindung von Messdaten oder die Integration von neuen oder vergangenen Strukturen – in der Fantasie sind die Möglichkeiten von Augmented Reality in der Stadtplanung schon jetzt nahezu unbegrenzt.

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