„Autobauer und Architekten wissen schockierend wenig voneinander.“
Interview mit dem Kurator und Jurymitglied des Audi Urban Future Awards 2010 Christian Gärtner
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
„Autobauer und Architekten wissen schockierend wenig voneinander.“
Interview mit dem Kurator und Jurymitglied des Audi Urban Future Awards 2010 Christian Gärtner
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
Mit dem „Audi Urban Future Award“ wollte der Automobilhersteller Audi „eine Diskussion über das Zusammenwirken von Mobilität, Architektur und Stadtplanung anregen“. Fünf Büros waren eingeladen,. Visionen zur Mobilität in der Stadt 2030 einzureichen.
Mit dem „Audi Urban Future Award“ wollte der Automobilhersteller Audi „eine Diskussion über das Zusammenwirken von Mobilität, Architektur und Stadtplanung anregen“. Fünf Büros waren eingeladen, Visionen zur Mobilität in der Stadt 2030 einzureichen. (Bauwelt 23.10). Um Aufmerksamkeit warb der Auslober nicht nur mit den international bekannten Teilnehmern und der Schlagzeile „höchst dotierter deutscher Architekturpreis“, sondern auch mit Ort und Zeitpunkt der Preisverleihung: in Venedig, der Stadt ohne Autos, in Jacopo Sansovinos Scuola Grande della Misericordia, einem fast 500 Jahre alten Prachtbau, und einen Tag vor Eröffnung der 12. Architekturbiennale. Für sein Projekt „A.way – Pokeville“ erhielt Jürgen Mayer H. 100.000 Euro. In seinem Text ist von „digital erweiterten Räumen mit fahrerlosem Verkehr“ die Rede und von „Monitoring-Technologien, die die Stadt und ihre Bewohner in einen Datenstrom verwandeln und so die Grenzen zwischen Körper, Autos und Architektur auflösen“. Warum Audi für so wenig Greifbares einen derart finanziellen Aufwand betreibt? Christian Gärtner, Kurator des Preises und Jurymitglied, antwortet.
Herr Gärtner, welche Erfahrungen haben Sie als Kurator bei diesem Ideenwettbewerb gemacht?
Dass ein Dialog nötig und möglich ist. Ein Dialog zwischen Autobauern und Architekten, die beide an städtischen Entwicklungen gewichtig mitwirken, aber schockierend wenig voneinander wissen.
Wie lesen Sie den Siegerbeitrag „Pokeville“ von Jürgen Mayer H.?
Jürgen Mayer H. wählte für seine Arbeit die Erzählform des Märchens, weil sie die Metaphern und Ambivalenzen seiner Zukunftsvision unvermittelter hervortreten lässt. Mit seiner These, dass sich das Automobil von der „Sichtmaschine zum Wahrnehmungsvehikel“ wandelt, dreht er unsere konventionelle Sicht auf städtische Wandlungsprozesse komplett um. Nicht allein die gebaute Realität mit ihrer analogen Ästhetik wird in Zukunft das Stadtbild bestimmen. Die Stadt wird vielmehr zu einem individuell programmierbaren Wahrnehmungsraum. Der Begriff des Stadtbilds bekommt damit eine komplett neue Bedeutung. Wie sehr es einer Diskussion über die immer stärker in unsere Realität eindringenden „wahrnehmungsverändernden“ Gerätschaften bedarf, ließ sich an der Reaktion mancher Besucher ablesen, für die eine solche Vision als Albtraum erscheint. Die Architektur hat in der Debatte über die Transformation von Lebensräumen und Lebensqualitäten durch Einflüsse wie „Multi Tasking“, „Augmented Reality“ und die fortschreitende Vernetzung im Vergleich zu Neurowissenschaften und Sozialwissenschaften bisher keine vernehmbare Position bezogen. Jürgen Mayer H. hat hier einen eindrucksvollen Anfang gemacht.
In welcher Form kann das Wettbewerbsergebnis bei der Fahrzeugentwicklung von Audi eine Rolle spielen?
Der Einfluss, den dieser Wettbewerb auf Audi hat, ist ein indirekter. Kontrolle bewusst aufzugeben und sich unerwarteten Perspektiven auszusetzen ist für Unternehmen ein ungewohntes und zugleich sehr mutiges Vorgehen. Das hat bereits zum Umdenken in kleinen Kreisen bei Audi geführt. Es ist ein Interesse für das Thema der städtischen Zukunft zu spüren. Im nächsten Schritt will Audi Projektgruppen aus den Architekten, Audi-Think-Tankern, Mitarbeitern von Stylepark und anderen zusammenstellen. Sie sollen ein Resümee ziehen und darüber entscheiden, welche Aspekte bei konkreten Projekten sinnvoll vertieft werden können.
Ist der Wettbewerb auch Teil einer neuen Marketingstrategie von Audi?
Zur formalen Einordnung: Das Projekt wurde im Bereich der Presse-Kommunikation geboren, nicht im Marketing. Darüber hinaus ist immer Vorsicht geboten, wenn im Zusammenhang von Gestaltung die Rede auf das Marketing kommt. Eine der Lehren aus diesem Projekt ist auch für mich gewesen, das Gut-Böse-Schema endlich aufzugeben. Wenn man unter Marketingstrategie eine kurzfristige Maßnahme zur Verkaufsunterstützung sieht, am besten noch unter Einbeziehung der Täuschung des Konsumenten, dann ist hier gewiss keine am Werk gewesen. Audi hat erkannt, dass sich die Erwartungen an und die Bedingungen für das Automobil in urbanen Räumen stark verändern werden. Sich diesen Veränderungen mit Diskussions- und Lernbereitschaft auszusetzen, das ist unsere Strategie.
Wie stehen die Chancen für den Audi Urban Future Award 2012?
Audi hat keinen Zweifel daran gelassen, dass es einen Urban Future Award 2012 geben wird. Jetzt ziehen wir erst einmal Resümee, sammeln Kritik und Lob ein.
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