Bauwelt

Baden? Wohnen? Baden und wohnen?

Streit um den Potsdamer Brauhausberg

Text: Grünzig, Matthias, Berlin

Eventteaser Image
  • Social Media Items Social Media Items

Fotomontage: Christoph Kohl Architekten

  • Social Media Items Social Media Items

Fotomontage: Christoph Kohl Architekten


Baden? Wohnen? Baden und wohnen?

Streit um den Potsdamer Brauhausberg

Text: Grünzig, Matthias, Berlin

2005 erregte der Plan für ein von Oscar Niemeyer entworfenes Freizeitbad am Potsdamer Brauhausberg die Gemüter. Nun sorgt erneut ein Schwimmbadprojekt für Zündstoff am Berg. Warum eine Bürgerbefragung zwar ein eindeutiges Votum brachte, aber kein Ende der Auseinandersetzung.
Der Nordhang des Potsdamer Brauhausbergs ist vor allem durch die 1970er Jahre geprägt, als das Areal zu einem Freizeitpark umgestaltet wurde. Damals entstanden die Schwimmhalle (Eva Herzog, Karl-Heinz Birkholz, 1969–71), die Gaststätte „Minsk“ (Karl-Heinz Birkholz, Wolfgang Müller, 1971–77) und eine Gartenanlage mit Wasserkaskaden, die einen terrassenförmigen Übergang zur Stadt schuf. 2005 beschloss die Stadtverwaltung die Neugestaltung des Geländes. Die marode Schwimmhalle sollte abgerissen und durch ein Freizeitbad nach einem Entwurf von Oscar Niemeyer ersetzt werden. Das Projekt scheiterte an den hohen Kosten und der fehlenden Förderung durch das Land Brandenburg.
Die Stadtverwaltung reagierte mit einem völlig neuen Planungsansatz. Nun sollten Schwimmhalle und Gaststätte abgerissen und die Grundstücke mit den umliegenden Freiflächen als Bauland verkauft werden. Das städtebauliche Konzept des Berliner Büros Christoph Kohl Architekten sah den Bau von 400 Wohnungen vor. Die Stadt erhoffte sich einen Verkaufserlös von 12 Millionen Euro. Diese sollten in die Finanzierung eines neuen, 18 Millionen Euro teuren Freizeitbads auf dem Bornstedter Feld fließen. Im Januar 2010 stimmte die Stadtverordnetenversammlung mit den Stimmen von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP für das Projekt.
Welterbe-in-Gefahr-Mahner
Anfang 2011 gründeten Gegner dieser Pläne die Bürgerinitiative „Pro Brauhausberg“. Ihr Protest machte sich vor allem an zwei Punkten fest. Der Standort des neuen Schwimmbads auf dem Bornstedter Feld sorgte für Unmut; am nördlichen Stadtrand gelegen, sei dieser viel schlechter zu erreichen als der zentrale Brauhausberg. Der zweite Kritikpunkt betraf die geplante Wohnbebauung am Brauhausberg. Die 88 Meter hohe Erhebung ist ein prägnanter Aussichtspunkt und markiert den Schnittpunkt verschiedener Sichtachsen. Dieses historisch gewachsene Gesamtkunstwerk der Potsdamer Kulturlandschaft würde durch die Bebauung Schaden nehmen, so die Kritiker. Manche sahen gar den Potsdamer UNESCO-Welterbestatus in Gefahr. Sie erinnerten an die 90er Jahre, als das unmittelbar neben dem Brauhausberg gelegene Großprojekt „Potsdam-Center“ zum ernsten Konflikt mit dem Welterbekomitee geführt hatte.
Pro Brauhausberg machte mit Protestkundgebungen, Flugblattaktionen und einer Menschenkette um den Brauhausberg mobil. Außerdem organisierte die Initiative eine Ideenwerkstatt, auf der die Potsdamer über die Zukunft des Berges diskutieren konnten. Diese Aktionen erzwangen schließlich eine Bürgerbefragung zum Standort des neuen Schwimmbads. Ende April/Anfang Mai dieses Jahres wurde sie durchgeführt. Ihr ging ein polarisierter Wahlkampf voraus. Auf der einen Seite stritt die in Potsdam regierende „Rathauskooperation“ aus SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, auf der anderen Seite stand Pro Brauhausberg, die von den Parteien Die Linke und Die Andere unterstützt wurde.
Die Rathauskooperation erlitt eine unerwartet deutliche Niederlage. 65,2 Prozent der Stimmen entfielen auf den Standort Brauhausberg, nur 32,7 Prozent votierten für das Bornstedter Feld. Überraschend auch die Wahlbeteiligung: Mit 52,8 Prozent lag sie höher als bei der letzten Oberbürgermeisterwahl und bei der ebenfalls viel beachteten Bürgerbefragung zum Landtagsneubau 2006.
Worum ging es eigentlich?
Befriedet ist der Konflikt allerdings nicht, da beide Lager das Ergebnis unterschiedlich interpretieren. Die Stadtverwaltung hält an den Bebauungsplänen fest. Sie argumentiert – juristisch korrekt –, dass mit der Befragung nur über den Bad­standort, nicht aber über die städtebauliche Entwicklung des Brauhausbergs abgestimmt wurde. So soll nun zwar das Schwimmbad dort eingeplant, die übrige Fläche aber mit etwa 200 Wohnungen bebaut werden; ein Verkaufserlös von 6 Millionen Euro steht in Aussicht. Anfang 2013 soll ein Städtebauwettbewerb für das Gebiet ausgelobt werden. Pro Brauhausberg hingegen betracht das Ergebnis der Bürgerbefragung auch als Votum gegen die Brauhausberg-Bebauung – und will weiter gegen die Pläne der Stadt kämpfen.
Fakten
Architekten Christoph Kohl Architekten, Berlin; Herzog, Eva; Birkholz, Karl-Heinz (1969–71); Müller, Wolfgang (1971–77)
aus Bauwelt 26.2012
Artikel als pdf

0 Kommentare


loading
x
loading

26.2024

Das aktuelle Heft

Bauwelt Newsletter

Das Wichtigste der Woche. Dazu: aktuelle Jobangebote, Auslobungen und Termine. Immer freitags – kostenlos und jederzeit wieder kündbar.