Baumeister der Revolution
Konstruktivistische Architektur und Kunst im Martin-Gropius-Bau Berlin
Text: Wilke, Claudia, Berlin
Baumeister der Revolution
Konstruktivistische Architektur und Kunst im Martin-Gropius-Bau Berlin
Text: Wilke, Claudia, Berlin
Vieles, was wir mit „moderner Architektur“ verbinden, hat seine Wurzeln im nachrevolutionären Russland. Zwischen 1915 und 35 wurde hier mit dem Konstruktivismus einer ihrer Grundsteine gelegt. Dennoch sind die Architekten und ihre Bauten nicht in demselben Maß Teil des kulturellen Gedächtnisses geworden wie die Vertreter der Moderne im Westen.
Die Gründe liegen zum Großteil in der Bewegung des russischen Konstruktivismus selbst. Die Strömung ist ohne die russische Revolution nicht zu denken: Ziel der sowjetischen Avantgardisten war es, am Aufbau der neuen Gesellschaft mitzuwirken. Sie wollten den kommunistischen Idealen eine äußere Form geben. Dieser radikale Bruch mit den Traditionen der bürgerlichen Gesellschaft löste zunächst eine Welle der Begeisterung aus und fand schnell auch Anhänger im Westen. Doch zunehmend verlagerte sich der Fokus des Interesses auf westeuropäische Bewegungen wie De Stijl oder das Bauhaus – während die Arbeit der russischen Vertreter vom sowjetischen Staat immer stärker eingeschränkt wurde. Mitte der 30er Jahre setzte Stalin dem Konstruktivismus ein Ende. Viele Architekten erhielten Berufsverbot oder wurden gar in die Gulags verbannt. Einige flohen in den Westen. Der Kalte Krieg schließlich machte eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Epoche aus Sicht des Westens unmöglich; in Russland gibt es bis heute kein wirkliches (Publikums-)Interesse an dieser Zeit.
Dass viele konstruktivistische Bauten nicht endgültig in Vergessenheit geraten sind, ist unter anderem dem britischen Fotografen Richard Pare zu danken, der seit 1993 auf Reisen durch die ehemalige Sowjetunion erhaltene Gebäude fotografiert. Seine großformatigen Farbfotos bilden den Schwerpunkt der Ausstellung „Baumeister der Revolution“ im Berliner Martin-Gropius-Bau. Pare ist es trotz des augenscheinlichen Verfalls gelungen, die optimistische, visionäre Kraft der Bauten einzufangen. Das Moskauer Architekturmuseum hat Fotomaterial aus den 20er und 30er Jahren beigesteuert, das die Bauwerke kurz nach ihrer Entstehung zeigt. Ergänzt wird die Schau durch Zeichnungen und Gemälde aus der Sammlung Costakis des Staatlichen Museums für Zeitgenössische Kunst in Thessaloniki: Arbeiten u.a. von El Lissitzky, Gustav Kluzis, Ljubow Popowa, Alexander Rodtschenko und Wladimir Tatlin.
1919 projektierte Tatlin das „Denkmal der III. Internationale“. Auch wenn der Turm nie gebaut wurde, gilt er als richtungsweisend. Eine ungefähre Vorstellung von der himmelsstürmenden Konstruktion kann man sich anhand des ersten tatsächlich realisierten konstruktivistischen Bauwerks machen. Der Schabolowka-Radioturm von Wladimir Schuchow wurde von 1919–22 aus sechs übereinander montierten Hyperboloiden errichtet und war mit 150 Metern zu jener Zeit der höchste Turm in dieser Bauweise.
Neu war nicht nur die Formensprache, neu waren auch die Bauaufgaben: Innerhalb eines Jahrzehnts entstanden gewaltige Industriekomplexe, Regierungsgebäude, Kulturhäuser, Sanatorien und kollektive Wohnanlagen. Exemplarisch sei die Wohnanlage „Narkomfin“ von Moisei Ginzburg und Ignaty Milinis in Moskau genannt, ein sozial-utopisches Haus, gebauter Traum vom sozialistischen Zusammenleben: Der 1928–32 errichtete Wohnblock für Mitarbeiter des Kommissariats für Finanzen bot neben Sporthalle und Kindertagestätte Gemeinschaftsräume und -küchen und gemeinschaftlich genutzte Dachterrassen – nur schlafen sollten die Bewohner noch allein.
Dass viele konstruktivistische Bauten nicht endgültig in Vergessenheit geraten sind, ist unter anderem dem britischen Fotografen Richard Pare zu danken, der seit 1993 auf Reisen durch die ehemalige Sowjetunion erhaltene Gebäude fotografiert. Seine großformatigen Farbfotos bilden den Schwerpunkt der Ausstellung „Baumeister der Revolution“ im Berliner Martin-Gropius-Bau. Pare ist es trotz des augenscheinlichen Verfalls gelungen, die optimistische, visionäre Kraft der Bauten einzufangen. Das Moskauer Architekturmuseum hat Fotomaterial aus den 20er und 30er Jahren beigesteuert, das die Bauwerke kurz nach ihrer Entstehung zeigt. Ergänzt wird die Schau durch Zeichnungen und Gemälde aus der Sammlung Costakis des Staatlichen Museums für Zeitgenössische Kunst in Thessaloniki: Arbeiten u.a. von El Lissitzky, Gustav Kluzis, Ljubow Popowa, Alexander Rodtschenko und Wladimir Tatlin.
1919 projektierte Tatlin das „Denkmal der III. Internationale“. Auch wenn der Turm nie gebaut wurde, gilt er als richtungsweisend. Eine ungefähre Vorstellung von der himmelsstürmenden Konstruktion kann man sich anhand des ersten tatsächlich realisierten konstruktivistischen Bauwerks machen. Der Schabolowka-Radioturm von Wladimir Schuchow wurde von 1919–22 aus sechs übereinander montierten Hyperboloiden errichtet und war mit 150 Metern zu jener Zeit der höchste Turm in dieser Bauweise.
Neu war nicht nur die Formensprache, neu waren auch die Bauaufgaben: Innerhalb eines Jahrzehnts entstanden gewaltige Industriekomplexe, Regierungsgebäude, Kulturhäuser, Sanatorien und kollektive Wohnanlagen. Exemplarisch sei die Wohnanlage „Narkomfin“ von Moisei Ginzburg und Ignaty Milinis in Moskau genannt, ein sozial-utopisches Haus, gebauter Traum vom sozialistischen Zusammenleben: Der 1928–32 errichtete Wohnblock für Mitarbeiter des Kommissariats für Finanzen bot neben Sporthalle und Kindertagestätte Gemeinschaftsräume und -küchen und gemeinschaftlich genutzte Dachterrassen – nur schlafen sollten die Bewohner noch allein.
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