Bauwelt

Bausatz Stadt

Een Nieuw Perspectief

Text: Köhl, Florian, Berlin

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Bausatz Stadt

Een Nieuw Perspectief

Text: Köhl, Florian, Berlin

Mit anpacken statt nur beteiligt werden. Um prekäre Stadtviertel kostengünstig zu erneuern, nutzen in Rotterdam Stadtverwaltung und Immobilienentwickler die Tatkraft der zukünftigen Bewohner. Das Tauschgeschäft ist simpel: günstige Grundstücke, Wohnungen oder Häuser gegen eigenhändige Sanierung. Eine einmalige Chance für die betroffenen Gebiete – oder der endgültige Ausverkauf der Stadt?
Bis vor wenigen Jahren bestimmten Staat, Wirtschaft und Einwohner in klar unterschiedenen Rollen die Stadtentwicklung. Heute gibt es alternative Stadt-Unternehmer, die sich zwischen diesen Rollen bewegen und damit neue Modelle der Stadt- und Architekturproduktion möglich machen. Solche alternativen Entwicklungen sind dringend nötig, weil in vielen Städten Europas die Einkommensunterschiede der Bewohner beständig größer werden und sich für immer mehr Menschen Wohnen unverhältnismäßig verteuert.
Rotterdam bildet in dieser Hinsicht im Augenblick eine Ausnahme. Vergleichbar mit Berlin nach dem Bauboom der unmittelbaren Nachwendezeit, sieht sich die Stadt mit Stagnation, Abwanderung und Schrumpfung konfrontiert. Anders als damals in der deutschen Hauptstadt versuchen die Rotterdamer Stadtverwaltung und eine Reihe von Investoren, diesen Prozessen aktiv gegenzusteuern – mit Hilfe alternativer Beteiligungsmodelle. Doch im Rückblick auf die Berliner Situation lohnt ein Vergleich: Dort sind mitten in der Wohnungsbaukrise, jenseits von Verwaltung und Immobilienmarkt, eine Reihe unterschiedlicher Entwicklungsmodelle entstanden, dem Prinzip der gemischten Stadt verpflichtet, die für möglichst viele erschwinglich ist. Initiiert hat diese Bewegung eine risikobereite Gruppe von Stadt-Unternehmern, meist Architekten in Zusammenarbeit mit alternativen Projektentwicklern und aufgeschlossenen Pionier-Bauherren, die Zugriff hatten auf eine Vielzahl günstiger Grundstücke in zentraler Lage. Im Unterschied zu Berlin in jener Zeit gibt es in Rotterdam eine kooperative Stadtverwaltung. Doch wie sieht es mit risikobereiten Architekten aus? Und welche Liegenschaftspolitik verfolgt die Stadt?
Autonomie zurückgewinnen
Der Schwerpunkt holländischer Architekten liegt auf dem Entwurf, nicht auf der Durchführung von Projekten. Mit der Entscheidung, Super Dutch zu einer Weltmarke zu entwickeln, ist Holland zwar zum Vorbild einer ganzen Planergeneration geworden, die Architekten gaben aber einen Großteil ihrer Autonomie an eine monopolisierte, unflexible Bauindustrie ab, die mit eigens festgelegten Standards die Projekte der Ar­chitekten umsetzte. Diese Situation erschwert alternative Entwicklungen, denn bei Beteiligungsprojekten sind Architekten, die Einfluss nehmen, unabdingbar. Besteht hier eine Chance, verlorene Autonomie zurückzugewinnen?
Auch bei der Grundstückspolitik lohnt ein Vergleich mit Berlin, wo mit dem Ausverkauf der Liegenschaften kein nachhaltiges Modell verfolgt wurde; für den dort inzwischen enorm gestiegenen Bedarf an neuen Wohnungen stehen nur noch wenige stadteigene Grundstücke zur Verfügung. Auch Rotterdam hat vor rund zehn Jahren entschieden, städtische Liegenschaften zu veräußern. Zwar konnte so der staatliche Verwaltungsapparat um etwa 30 Prozent verkleinert werden, gleichzeitig sind aber die Einnahmen durch Miete und Pacht drastisch gesunken. An dieser Politik möchte Rotterdam festhalten, jedoch Gebäude und Grundstücke vor allem an alternative Entwickler vergeben. Ambitionierte 20 Prozent der Immobilienentwicklung sollen in Zukunft auf diese Weise abgedeckt werden.
Ein frühes Beispiel für ein alternatives Entwicklungskonzept ist Spangen, eine einst gut funktionierende Nachbarschaft im zentrumsnahen Westen der Stadt mit rund 9000 Bewohnern. Das Quartier wurde über die Jahre zu einem der ärmsten Viertel der Niederlande. 87 Prozent der Bewohner sind Migranten. Um eine robustere Mischung im Quartier zu erreichen, hat die Entwicklungsabteilung der Stadtverwaltung marode Häuser und Wohnungen an ausgewählte Interessenten verschenkt. Die neuen Besitzer sanierten in Eigenleistung und mussten garantieren, mindestens zwei Jahre selbst in den Objekten zu wohnen. Diesem erfolgreichen Tauschgeschäft zwischen Stadt und Bürgern folgten weitere Modelle. Drei sollen hier vorgestellt werden.
Grundstücke für gemeinschaftliches Bauen
Mit einem Modell für Baugruppen versucht die Stadt, Architekten und Bauherren als Entwickler zu befähigen und ihnen gegen Eigenleistung und Risikobeteiligung günstigen Wohnraum und alternative Hausmodelle zu ermöglichen. Für ein angebotenes Grundstück wird eine Studie angefertigt, in der Grundfläche, Höhe, Geschosszahl und Anzahl der Wohnungen festgelegt werden. Daraus leitet sich der Grundstückswert ab. Um den Gruppen Planungssicherheit zu geben, können sie zu einem fixen Preis bieten – anders als in Rotterdam üblich, wo normalerweise in einem aufwendigen Prozess bis zum Abschluss eines Vertrags verhandelt wird; die Stadtverwaltung verzichtet somit auf die Maximierung des Verkaufswerts. Da­mit eine Gruppe zum Zug kommen kann, muss zu Beginn mindestens die Hälfte der künftigen Bauherren einen Kooperationsvertrag mit der Stadtverwaltung unterzeichnen; jeder muss ein Startkapital von 150.000 Euro nachweisen. Im Anschluss hat die Gruppe sechs Monate Zeit, um die übrigen Mitglieder der Baugemeinschaft zu finden. Das ist wichtig, denn im Gegensatz zum Investor braucht eine Gruppe diese Zeit für die Suche nach weiteren Partnern und für die interne Abstimmung des Planungs- und Kostenziels. Die Finanzierung genau dieser Planungsphase bis zum Bauantrag ist für Baugruppen schwer, denn häufig wird von Banken geliehenes Kapital erst zu Baubeginn ausgezahlt. Um diese Zeit zur überbrücken, bietet ein von der Stadt gegründeter Planungsfonds jedem Gruppenmitglied einen günstigen Sofortkredit über 5000 Euro an. Ist nach sechs Monaten keine Entwicklung des Projekts erkennbar, kann die Verwaltung den Kaufvertrag rückgängig machen. Fragwürdig ist die Art und Weise, in der die geeignete Gruppe ausgewählt wird: Damit die Verwaltung größtmögliche Neutralität wahrt, entscheidet im Fall von mehreren Bewerbern das Los. Zwar soll eine detaillierte Beschreibung des geplanten Programms und der Architektur schwache Projekte verhindern helfen, trotzdem beeinträchtigt die Zufälligkeit der Auswahl die Chancen anspruchsvoller Projekte.
Klushuizen
Der Begriff Klushuizen (Klus: Basteln; Huizen: Häuser) beschreibt ein weiteres Modell zur Instandsetzung von Häusern in schwierigen Nachbarschaften – einem Umfeld, in dem konventionelle Developer nicht entwickeln wollen oder können. Zahlreiche Viertel in Rotterdam sind hiervon betroffen, und meist sind vor allem die Fundamente der Bauten sanierungsbedürftig. Während man in Spangen die Gebäude noch verschenkte, muss andernorts mittlerweile Geld gezahlt werden. Um den Verkaufspreis festzulegen, wird folgende Rechnung aufgemacht: Ein von der Stadtverwaltung beauftragter Architekt ermittelt die Höhe der Sanierungskosten, zum einen den Anteil, den Baufirmen übernehmen müssen, zum anderen den möglichen Selbstbauanteil. Der Wert des Selbstausbauan­teils wird vom Marktwert des unsanierten Hauses abgezogen. Für haftungsrelevante und baurechtliche Fragen sowie zur Un­terstützung beim Entwurf steht der Architekt dem Käufer zur Verfügung. Zur Sicherung der Nachbarschaft müssen die neuen Besitzer mindestens zwei Jahre selbst in ihrem Haus wohnen, bevor sie es weiter vermieten können.
Één blok stad
Um trotz Baukrise günstige Wohnungen anbieten zu können, nutzt auch der Entwickler und Generalunternehmer ERA Contour das Eigenbeteiligungspotenzial der Bauherren. Er hat daraus ein baurechtlich und wirtschaftlich tragfähiges Modell entwickelt. Die Firma sichert einen ganzen Block – Éen block stad – maroder Vorkriegsarchitektur in Ziegelbauweise. Die bauliche Gleichartigkeit der Häuser ermöglicht der Firma ein wirtschaftliches Standardmodell für die Sanierung von Fundamenten, Außenwänden und Dächern. Damit übernimmt der Entwickler die haftungsrelevanten und teuren Hauptrisiken für das gesamte Projekt. Auf dieser Sanierungsgrundlage können Interessenten ein ganzes Haus oder Teile davon kaufen und den weiteren Umbau nach eigenen Bedürfnissen planen und ausführen. Da die Häuser wesentlich kleiner sind als z.B. Berliner Altbauten, ergeben sich in der Regel flexible Mini-Baugemeinschaften mit geringem Absprache­bedarf zwischen den einzelnen Käufern; die kurzen Spannweiten machen den Selbstbau auch ohne Handwerkerausbildung möglich.
Rotterdam hat wohl schon erkannt: Für den Fortbe­stand der wirtschaftlich und soziokulturell gemischten Stadt braucht es radikale Veränderungen. Dennoch bleibt die Frage, in welcher Weise die kollektive Stadt davon profitiert. Die ­Modelle stabilisieren zwar die Nachbarschaften, die Häuser werden aber Teil des freien Markts. Der Ausverkauf der Liegenschaften ermöglicht temporär eine alternative Stadtentwicklung unter Beteiligung der Bürger, gleichzeitig wird der Einfluss der Stadt aber zunehmend geringer.

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