Bauwelt

Berlin ohne Plan?

„Berlin fehlt ein Thema, das mehr ist als ein Wahlprogramm des Bausenators“

Text: Bernau, Nikolaus, Berlin

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Berlin ohne Plan?

„Berlin fehlt ein Thema, das mehr ist als ein Wahlprogramm des Bausenators“

Text: Bernau, Nikolaus, Berlin

Im aktuellen Berliner IBA-Programm soll es um Mieten und um Vielfalt gehen, um Bürgerbeteiligung und um „ökologische Stan­dards“, sogar wieder um Serienproduktion von Häusern. Brauchen wir, um dies durchzusetzen, eine neue IBA? Sollte dies alles seit der IBA von 1987 nicht selbstverständlich sein?
Das Wort Bauausstellung und die Zeichenverbindung IBA haben noch immer eine magische Wirkung. Internationale Bauausstellung – die Welt sieht auf unsere Stadt. Wir können Themen besetzen, die andere aufgreifen werden. Eine Lust, die gerade in Deutschland eine große, auch politische Tradition hat. Die 1957 im Berliner Hansaviertel präsentierte Internationale Bauausstellung etwa zeigte ja nicht nur die Vollendung des International Style der Nachkriegsmoderne, sondern auch die spezielle Rolle der Halbstadt als einen Vorposten amerikanisch geprägter Demokratievorstellungen. Als Nordrhein-Westfalen zwischen 1989 und 1999 mit der IBA Emscher Park die Umwandlung einstiger Industriereviere in Dienstleistungsregionen feierte, ging es auch darum, das Sozialstaatsmodell der Rhei­nischen Repu­blik zu verteidigen. Die IBA in Sachsen-Anhalt zwischen 2002 und 2010 schwelgte in der Melancholie schrumpfender Städte, Hamburg hingegen verteidigt gerade die Idee ununterbro­chenen Wirtschaftswachstums. Und Berlin will, wenns denn wirklich zur IBA 2020 kommt, wie es sich Stadtentwicklungssenator Michael Müller, seine Vorgängerin Ingeborg Junge-Reyer und deren beider Senatsbau­direktorin Regula Lüscher denken, beweisen: Wir sind die Metropole, die die drängenden Veränderungen erneut in die Hand nimmt.
Auffällig bei all diesen IBA-Unternehmungen ist, dass sie zunehmend lange Zeiträume umfassen wollen: Die Ausstellungen vor dem Zweiten Weltkrieg hatten teilweise nur ein Jahr Vorbereitungszeit, in den Fünfzigern und bis in die Achtziger waren es dann schon vier bis fünf Jahre, jetzt sind wir bei acht bis zehn Jahren. Zwei- bis zwei­einhalb Legislaturperioden also, die planungspolitisch kaum noch zu überspannen sind, zumal, wenn sich auch noch die Mehrheitsverhältnisse ändern. Die Macht der Verwaltungen, die Ziele solcher Veranstaltungen zu definieren, wird also strukturell immer größer, der Zwang, politisch möglichst weiche und flexible Ziele vorzugeben, ebenfalls, und die Möglichkeit für Bürger, sich zu engagieren, gar dazwischen zu sprechen, immer kleiner. Es gibt schließlich noch andere Lebensinhalte außer über Jahre hinweg in Gremien, Planungs­zirkeln und Debatten zu sitzen. Charakteristisch ist, dass auch Vereine wie der Werkbund nur noch Einzelinitiativen setzen können, aber nicht mehr prägend für die Veranstaltungen sind.
Charakteristisch ist aber auch das „Kuratorium“ der geplanten Berliner IBA 2020, das die Chefin der Bauverwaltung Regula Lüscher berufen hat. Es soll sich „zwei- bis dreimal“ jährlich treffen – mit großer Sicherheit viel zu selten, denn es sollte in Kenntnis der Details beurteilen können und nicht nur einfach abnicken, was die Senatsplaner sich da ausgedacht haben. Zwar sind der Amsterdamer Kees Christiaanse, einst Professor für Städtebau an der TU Berlin, Stefanie Frensch von der Berliner Wohnungsbaugesellschaft HoWoGe und Erhart Pfotenhauer von der Planungsgruppe proUrban sowie Matthias Lilienthal, derzeit in Mannheim für ein 2014 an den Start gehendes Theater der Welt tätig, mit den Berliner Lokalusancen durchaus vertraut. Und Nathalie de Vries vom Architekturbüro MVRDV aus Rotterdam und Jean-Philippe Vassal aus Paris sollen wohl für den frischen Wind von außen sorgen. Aber wer steht in diesem Gremium für die aktuellen Fragen der Zeit, die über Bezirksorientierung, Kunstleidenschaft, französische Großprojekte und niederländischen Avantgardismus hinausgehen? Wer für den effizienten Gebrauch von Energie, der noch zu gewinnenden, aber auch der schon in Form von Baumaterie der Stadt vorhandenen Energie? Schließlich zeigt die vom Bund mit Milliardensubventionen vorangetriebene Totalisolierung der Städte mit Plastikhäuten, dass der Begriff Energiebilanz immer noch ein Fremdwort für staatliches Handeln ist. Was ist mit dem ja keineswegs erledigten ökologischen Stadtumbau, mit der Frage, wie die Städte wieder zu Lebensmittelproduzenten werden können, wie sie mit ihrem Umfeld interagieren?
Immerhin, für die Debatte um die Bebauung des Tempelhofer Felds, in der die Berliner Verwaltung sich mit fundamentalistischen „Last-das-Feld-frei“-Enthusiasten aus­einandersetzen muss, hat Michael Müller angekündigt, Bürgerbe­fragungen zu initiieren, damit nicht nur die immer beteiligten Empörten und die Fachleute zu Wort kommen. Wenn dann noch auf diese Stimmen gehört würde, ohne gleich in Kirchtumperspektiven abzugleiten – das wäre schon mal was. Da könnten sogar unsere Nachbarländer wieder einmal nach Berlin blicken.  Doch war es nicht gerade diese Berliner Bauverwaltung, die bis vor kurzem behauptete, es drohe gar keine neue Wohnungsnot und die die Bürgerbeteilung bei der Planung des städtebaulichen Entrés, des Quartiers Heidestraße nördlich des Hauptbahnhofs, zur Farce machte?
Auf der neu bearbeiteten Hompage der Senatsverwaltung für das aktuelle IBA-Leitthema „Draußenstadt wird Drinnenstadt“ sind gut bekannte städtische Situationen als mögliche Eingriffsorte für eine IBA benannt: die Gropiusstadt, der 2. Bauabschnitt der Karl-Marx-Allee, das Hansaviertel, Lichtenberg. „Draußen“ ist also nicht nur als geografischer, sondern auch als sozialer Begriff gemeint. Gut so. Es soll um Mieten und um Vielfalt gehen, um Bürgerbeteiligung und um „ökologische Standards“, sogar wieder um Serienproduktion von Häusern. Aber brauchen wir, um dies durchzusetzen, eine neue IBA? All das sollte doch seit der IBA von 1987 eigentlich selbstverständlich sein.
Noch fehlt dieser IBA 2020 das große übergreifende Thema, das Ziel, das mehr ist als ein Wahlprogramm des Bausenators Michael Müller. Und vielleicht fehlt am Schluss gar auch eine Antwort auf die Frage: Warum sind die Menschen eigentlich so unzufrieden mit den Leistungen der Planer und der Politiker?

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