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Berlin sucht seine Zukunft

Was taugen die ersten Schritte auf dem Weg zum Stadtentwicklungs­konzept 2030?

Text: Bodenschatz, Harald, Berlin

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Foto: Till Budde

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Berlin sucht seine Zukunft

Was taugen die ersten Schritte auf dem Weg zum Stadtentwicklungs­konzept 2030?

Text: Bodenschatz, Harald, Berlin

Berlin will ein „Stadtentwicklungskonzept 2030“ erarbeiten. Das ist eine gute Botschaft, denn Städte, die kein Zukunftsprojekt entwickeln, setzen ihre Zukunft aufs Spiel. Doch ein solches Konzept ist nicht leicht zu haben – noch hat Michael Müller, Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, keine Vision, aber er hofft, er werde sie im Laufe der Erarbeitung bekommen.
Für diesen Prozess hat seine Verwaltung zwei Formate bereit gestellt: ein öffentliches „Stadtforum 2030“ und eine „Stadtentwicklungswerkstatt“, zu der nur Geladene Zutritt haben. Bislang tagten Stadtforum und Werkstatt je zwei Mal, und ein sogenannter „Statusbericht“, der die Stärken und Schwächen Berlins zu umreißen versucht, ist vorgelegt worden.
Wen es alles mitzunehmen gilt
Was ist ein Stadtentwicklungskonzept? Kurz gesagt: die Klärung gemeinsamer Ziele, Prioritäten und Leitprojekte der Stadtentwicklung und der dafür notwendigen Instrumente. In dem jetzt begonnenen Prozess geht es aber nicht allein um Städtebau, sondern auch um Bildung, Sport, Gesundheit usw. – also um die stadträumliche Integration verschiedener Politikbereiche. Staatssekretär Ephraim Gothe hat das unterstrichen. Eine harte Nuss, erfordert dies doch neben einer konstruktiven Zusammenarbeit innerhalb der federführenden Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, zwischen verschiedenen Senatsverwaltungen sowie zwischen dem Senat und den Bezirken auch den Dialog mit Akteuren der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft. Doch damit nicht genug: Das schließlich erarbeitete Konzept muss von der politischen Führung propagiert und von vielen anderen Institutionen und Initiativen unterstützt werden – sonst bleibt es ohne Kraft. Wie schwierig eine solche Zusammenarbeit ist, zeigen die Werkstätten. Schon zum zweiten Treffen kamen deutlich weniger Teilnehmer als zum ersten, Politiker wie auch zivil­gesellschaftliche Akteure machten sich rar.
Warum braucht Berlin ein Stadtentwicklungskonzept? Als Ausgangspunkt betont der Senator die steigende Einwohnerzahl. Das erscheint zu eng gefasst, zu quantitativ, zu wenig berlinspezifisch. Sollte nicht die Notwendigkeit eines solchen Konzepts vor allem mit der Folge von drei einzigartigen Ereignissen begründet werden? Erstens: Berlin wurde wiedervereinigt (und hat sein Umland und damit die Stadtregion wiedergewonnen), zweitens: Berlin wurde Hauptstadt und drittens: Jahrhundertprojekte der Verkehrsinfrastruktur wurden realisiert, die Bahnhöfe und Flughäfen neu geordnet. Und sollte nicht auch dargelegt werden, wie Berlin mit Herausforderungen wie Energiewende, demographischem Wandel oder sozialer Spaltung umzugehen gedenkt? Ein Konzept muss sich konkret auf Berlin beziehen, es muss über pauschale, für alle Städte gültige Lösungen hinausgehen.
Stadtplanung, Städtebau, Architektur?
Was fehlt bisher? Zu Beginn ist naturgemäß noch vieles offen, aber man stellt die entscheidenden Weichen. Die ersten Schritte, vor allem der „Statusbericht“, fixieren die Gegenwart und denken ein wenig in die Zukunft – lassen aber die Vergangenheit außen vor. Ein typisches Berliner Problem! Es geht
ja nicht nur um Geschichte, an die im Stadtraum erinnert werden kann, sondern auch um tradierte Sicht- und Verhaltensweisen, die die Stadt, ihre Bewohner, Fachleute und Politiker bis heute prägen. Ebenso gilt es aus den wenigen Berliner Erfahrungen von strategischer Planung zu lernen, vor allem aus den widersprüchlichen Planungen nach dem Mauerfall, nicht zuletzt bei der Wohnungsfrage.
Auch mit der gestalterischen Ebene tut sich das Verfahren noch schwer. Wo bleiben Stadtplanung, Städtebau und Architektur, also die Kernkompetenzen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung? Gehören sie in die Schublade „Kulturelle Vielfalt“? Ziel muss es doch sein, neue Wohngebiete, Gewerbe-
anlagen, Fahrradständer, Stromtankstellen, Energiesparmaßnahmen usw., alles, was materielle Form annimmt, gut zu gestalten, und diese Aufgabe nicht in eine Nische zu verweisen. Die gestalterische Messlatte muss hoch angelegt werden – das sollte eine zentrale Botschaft des künftigen Konzepts sein.
Das bisherige Verfahren zum Stadtentwicklungskonzept 2030, die ersten Veranstaltungen und Texte, sie wirken ausbalanciert, klug formuliert und umsichtig moderiert. Die Senatsverwaltung sucht nach einem neuen Format, jenseits der Datenfriedhöfe und Top-down-Planungen der 70er/80er Jahre. Sie orientiert von vornherein auf die entscheidende räumliche Ebene, die der Stadtregion – vielleicht noch zu zögerlich, was Brandenburg betrifft. Sie strebt ein Konzept an, das sich im Feuer einer fachöffentlichen wie öffentlichen Debatte festigt – unter der Federführung der Verwaltung, mit hoffentlich wachsender Rückendeckung von Politik und Zivilgesellschaft, unter abwägender Einbindung weiterer, in den Debatten formulierter Gesichtspunkte.
Dabei könnten das Verfahren und die vorgeschlagenen Strategien durchaus selbstbewusster sein: Berlin steht im Ausland für Deutschland, es repräsentiert unser Land – im Guten wie im Schlechten. Auch in der Stadtentwicklungspolitik. Berlins Wirkung als Hauptstadt weit über die Grenzen hinaus ist ja nicht nur auf die Touristenströme beschränkt. Sie erfordert (wie auf dem ersten Stadtforum am Beispiel Frankreich symbolisch vorgeführt) zur Kenntniss zu nehmen, wie Berlin von außen wahrgenommen wird, was Berlin für Europa bedeutet und bedeuten soll, sie verlangt nach einem Ausbau des internationalen Austauschs, der internationalen Zusammenarbeit, ja: nach einer stadtregionalen Außenpolitik.

Stadtentwicklungskonzept 2030 offiziell: www.stadtentwicklung.berlin.de

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