Campus Rütli CR²
Erweiterung der Gemeinschaftsschule
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Campus Rütli CR²
Erweiterung der Gemeinschaftsschule
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Mit veränderten Lehrkonzepten und neuen Räumen soll eine Problemschule in Berlin-Neukölln zum Campus als Lebensort für Generationen werden. Das Ergebnis des jüngst entschiedenen Wettbewerbs zeigt, dass der Architektur dabei eine untergeordnete Rolle zukommt.
Als das Kollegium der Neuköllner Rütli-Schule vor gut fünf Jahren die Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung um Hilfe und langfristig gar um die Auflösung der Schule bat, war ein Symbol gefunden für all das, was es beim Thema Einwanderung und Integration in Deutschland zu beklagen gibt. Doch ebenso schnell war klar, dass sich hier auch die Chance für einen symbolträchtigen Kurswechsel bot. Die Idee für den „Campus Rütli“ war geboren. Ihr Kern: Bislang vereinzelt agierende Institutionen vom Kindergarten bis zur Erwachsenenbildung sollen unter einer Leitung zusammengefasst werden und das „lebenslange Lernen“ als „niedrigschwelliges Angebot“ für die ganze Familie formulieren.
Die Anstrengung, eine von Gewalt, Zynismus und Perspektivlosigkeit zugrunde gerichtete Schule innerhalb eines Jahrzehnts in ein Modellprojekt zu verwandeln, darf, ja sollte auch einen architektonischen Ausdruck finden. Doch die Entwicklung des Areals ist eine Gratwanderung: Schließlich wäre der Modellcharakter schnell wieder in Frage gestellt, würde hier mit finanziellen Mitteln gearbeitet, die anderen Institutionen mit vergleichbaren Schwierigkeiten nicht zur Verfügung stehen, und abgesehen davon gebietet der Berliner Haushalt sowieso allen Anlass zu Sparsamkeit. Diese Sparsamkeit prägt bereits den Umgang mit dem Ergebnis des Wettbewerbs für die neue Quartierssporthalle an der Nordwestecke des Areals (Bauwelt 45.09): Die Dächer der mittlerweile im Bau befindlichen Halle werden mitnichten als begehbare Elemente einer künstlichen Topographie ausgeführt.
Das Resultat des nun entschiedenen Wettbewerbs aber, bei dem es um die Erweiterung des Schulgebäudes selbst, den Neubau eines Elternzentrums, die Gestaltung der Campus-Mitte und des Zugangs von Norden ging, wirft die Frage auf, wie viel sich bei den Neubauten noch einsparen lässt, an Ambition und Raum, an Material und Details, ohne dass die Architektur aufhört, einen Beitrag zu leisten zum Ziel, darin verantwortungs- und selbstbewusste Individuen heranreifen zu lassen; Menschen mit Gemeinsinn, die den öffentlichen Raum und die Bauten der Gemeinschaft als etwas Wertvolles, Schützenswertes, Sinnstiftendes begreifen. Denn mag es dem mit dem ersten Preis ausgezeichneten Entwurf von Schulz & Schulz aus Leipzig auch gelingen, dem Campus einen räumlichen Mittelpunkt zu geben – die für die Neubauten am Campusplatz vorgesehenen Fassaden aus 22 Zentimetern Wärmedämmverbundsystem und lapidar darin abgebildeten Raumgrößen sowie der Minimalgrundriss des Erweiterungsbaus mit tageslichtlosen Mittelfluren ohne erkennbare Aufenthaltsqualität könnten in einigen Jahren beweisen, dass der geringste architektonische Aufwand zum Erreichen hehrer pädagogischer und bürgerschaftlicher Ziele doch zu wenig ist.
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