Das neue Berlin
Regierungsbauten und Botschaften in der Berlinischen Galerie
Text: Schulz, Bernhard, Berlin
Das neue Berlin
Regierungsbauten und Botschaften in der Berlinischen Galerie
Text: Schulz, Bernhard, Berlin
Über Ehrenhöfe und steinerne Fassaden regt sich heute keiner mehr auf. Die Ausstellung lohnt sich vor allem für jene, die Berlin in den neunziger Jahren nicht miterlebt haben.
Die alten Debatten leben auf, wenn man den langgestreckten Ausstellungsraum der Berlinischen Galerie betritt, in dem „Internationale Entwürfe für Regierungsbauten und Botschaften seit 1990“ in zahlreichen Modellen aufgereiht sind, ergänzt durch einige wenige Fotografien. Und – nein, sie leben gerade nicht auf. Der argumentative Furor, der in den neunziger Jahren für und wider wütete, der entweder das Erwachsenwerden einer zu klein gewordenen Bundesrepublik beschwor oder das vereinte Deutschland auf dem verhängnisvollen Weg zu einem neuerlichen Germania sah, dieser Furor ist erloschen. Seine Spuren mögen auf den Seiten der zahllosen Publikationen jener Zeit zu finden sein, in den makellosen Modellen der Bauten, um die doch so heftig gerungen wurde, ist nichts davon aufgehoben. Wie sollte es auch.
In den Neunzigern fragten sich Neu-Berliner entgeistert, wie es die beiden Stadthälften bis zur Wende nur hatten fertigbringen können, sich derart selbstzufrieden in ihren jeweiligen Ecken einzurichten. Heute fragen sich zugezogene Neu-Berliner unsicher, ob der Prozess der (Wieder-)Vereinigung und Hauptstadtwerdung denn wirklich so glatt verlaufen ist, wie er sich in den mitunter schon Patina ansetzenden Neubauten spiegelt. Für diese „zweite“ und kontinuierlich sich fortsetzende Welle der Zuzügler ist die Ausstellung der Berlinischen Galerie gemacht, nicht für jene „erste“ Welle derer, die damals das vermuffte Berliner Zimmer gründlich durchlüften wollten – und es auch taten.
So ist denn alles, was die Berlinische Galerie (BG) zu bieten hat, im besten Sinne „museal“. Unmittelbarer Anlass für die Ausstellung war ein Schenkungspaket, das das Architekturarchiv der BG vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung aufgrund dessen Umzugs 2011 erreichte. Die Hälfte der 60 gezeigten Modelle aus eigenem Bestand der BG kommen von dort. Zur Abrundung wurden Leihgaben für das Ausstellungskapitel „Botschaftsbauten“ von den jeweiligen Staaten erbeten.
Natürlich beginnt die Ausstellung mit dem Kapitel „Spreebogen“. Der Wettbewerb von 1993 schuf das Fundament, auf dem sich die Planungen für Kanzleramt und Bundestagsbauten entfalten konnten. Axel Schultes und Charlotte Frank haben ihren so ungemein suggestiven, rot glühenden Computerdruck hergeliehen, aus dem das von ihnen zunächst „Spur“ genannte „Band des Bundes“ in leuchtendem Cyanblau heraussticht. Die lange Reihe der Tische, die den Raum durchschneidet, wird mit den Großmodellen der Kanzleramts-Sieger eingeleitet, erneut Schultes/Frank zum einen und KSV Krüger Schuberth Vandreike zum anderen. Was wurde damals, 1995, um Säulen und Symmetrien gestritten! Dass Bundeskanzler Kohl sich für das Ost-Büro KSV stark machte, ist heute nur mehr historische Folklore.
Allzu kurz kommt die mühsame Geburt der Reichstags-Kuppel weg, ihr sind lediglich Fotos an der Wand gewidmet. Dass Norman Foster zur Kuppel geradezu gezwungen werden musste, erschließt sich aus dem abrupten Übergang der Modellfotos von der Wettbewerbseinreichung „Tankstellendach“ zum Ausführungsentwurf „Kuppel-Ei“ mitnichten. Zwischendrin Calatrava, aber was will das sagen? Mit einem Mal langt die Ausstellung bei der Gegenwart an, beim Bauvorhaben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung von Heinle, Wischer und Partner, bei dem heutzutage niemand mehr an dem mustergültigen, wenn auch arg plattgedrückten Ehrenhof Anstoß nimmt. Den Neubau des Bundesinnenministeriums von Müller Reimann sucht man ebenso vergeblich wie den vom selben Büro verantworteten Annex des Außenministeriums. Oder versteckt er sich in dem Klein-Klein, das die Tischplatten jenseits des Kanzleramtes zu tragen haben?
Was man hingegen findet, ist das kleine Modell des Bundespräsidialamtes von Gruber + Kleine-Kraneburg, dem Frankfurter Überraschungssieger des Wettbewerbs von 1994. Das Oval misst vielleicht ein Dutzend Zentimeter. Es ist beinahe so unsichtbar wie das Original, das in den Bäumen des Tiergartens neben Schloss Bellevue verborgen liegt, ein schwarzer Solitär der – jawohl – Baukunst.
Nun, Vollständigkeit wurde nicht angestrebt. Es geht der Ausstellung um einen Einblick in die von der Öffentlichkeit chronisch unterschätzten Bestände der BG, die längst ein wichtiges Repositorium des Berliner Baugeschehens darstellt. Man nehme die Ausstellung als das, was sie ist: eine Aufforderung, diesen Schatz zumindest regelmäßig aus seinem Dornröschenschlaf zu wecken.
0 Kommentare