Denkmal, Wohn- und Naherholungsgebiet
Veranstaltungen zum Mauerstreifen
Text: Spix, Sebastian, Berlin
Denkmal, Wohn- und Naherholungsgebiet
Veranstaltungen zum Mauerstreifen
Text: Spix, Sebastian, Berlin
„Die Mauer ist kein Denkmal!“, befand Ingeborg Berggreen-Merkel. Die Abteilungsleiterin beim Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien plädierte für „ein angemessenes Erinnern und Gedenken an die Opfer des 40 Jahre währenden Unrechtstaates“.
Die Tagung „Mauer und Grenze – Denkmal und Gedenken“ der BTU Cottbus und des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz, die im Mai in der Berliner Akademie der Künste stattfand, bildete quasi den Auftakt zu einer Reihe von Ausstellungen, Tagungen und Symposien unterschiedlicher Veranstalter, die sich zum 20. Jahrestag des Mauerfalls mit der ehemaligen innerdeutschen Grenze befassen.
In welchem baulichen Zustand sich das diskutierte Objekt überhaupt befindet, darüber gab Johannes Cramers Bericht über ein von ihm geleitetes Forschungsprojekt an der TU Berlin Auskunft. Studenten haben mittels Bauaufnahme und archäologischer Ausgrabung die verbliebenen Mauerreste ermittelt und die sich stetig verschlechternde Substanz dokumentiert. Einen gänzlich anderen Aspekt beleuchtete Jochen Maurer von der Universität der Bundeswehr in Hamburg. In seiner Doktorarbeit zur Lebenswelt der Grenztruppen entlarvt er den vermeintlich elitären Dienst der DDR-Grenzer als erniedrigende Schikane in einer Stimmung ständigen Misstrauens. Nach gut 20 Beiträgen von Denkmalpflegern, Architekten, Historikern und Künstlern lag die Frage eigentlich in der Luft: Wie lassen sich all diese akribischen Dokumentations-, Rekonstruktions- und Konservierungsarbeiten zu einer inhaltlich schlüssigen Gesamtbetrachtung zusammenführen?
„Neues Licht auf das Sperrgebiet“, eine Ausstellung im Deutschen Architektur Zentrum (DAZ), wendet sich der Zukunft des Mauerstreifens zu. Auf der Grundlage von privatem Kartenmaterial und Luftaufnahmen präsentiert die niederländische Landschaftsarchitektin Joyce van den Berg Vorschläge für einen Wandel des ehemaligen Grenzareals zu einem Naherholungsgebiet. So soll aus dem einstigen Kontrollstreifen eine extensiv bewirtschaftete Sandfläche mit „Kompostparks“ und „Dünen“ werden. Die freigelegten Fundamente ehemaliger Wachtürme sieht van den Berg zu „kleinen Gärten mit gewöhnlichen Gräsern und seltenen Pflanzenarten“ umfunktioniert, Fluchttunnel in Form von Lichtstrahlen als „belebendes grafisches Element“ in die Berliner Stadtlandschaft integriert. So schlüssig und ökologisch sinnvoll die Ideen in ihrer legeren holländischen Attitüde daherkommen, so befremdlich ist die Verwandlung der „Traumalandschaft“ in einen kunterbunten Freizeitpark, in dem jedes verbliebene Relikt zu einem einzigartigen Artefakt verklärt wird.
Auch die BDA-Galerie in Berlin-Charlottenburg widmet sich dem Thema. Unter dem Motto „Nach der Mauer. Wohnen Gedenken“ werden acht aktuelle Neubauten und Projekte im alten Grenzgebiet an der Bernauer Straße gezeigt, die „heterogene, teilweise widersprüchliche Strukturen“ aufweisen sollen. Beispielsweise das Reihenhaus „fl“ von Ludloff+Ludloff Architekten (Heft 39–40.08), das sich zwischen dem ehemaligen Kolonnenweg und der Blockrandbrache autistisch in den alten Todesstreifen schiebt. Oder die in Realisierung befindliche Blockbebauung von Georg Scheel Wetzel, die in einer Mäanderkonfiguration zwar den rückwärtigen Postenweg freihält, das alte Mauerfeld aber besetzt. Wohl unbeabsichtigt führt die Ausstellung eindrücklich das große Berliner Versäumnis vor: An dieser wichtigen Stelle der zusammenwachsenden Stadt hätte man exemplarisch einen Korridor als mahnende städtebauliche Narbe bestehen lassen können.
Ist die Berliner Mauer nun ein Denkmal oder nicht? Die Argumentationen sind vielstimmig. Ob daran der Antrag zur Aufnahme in die Unesco-Welterbeliste, der in Vorbereitung sein soll, etwas ändert?
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