Bauwelt

Der Einzelne und die Gemeinschaft

Matthias-Mulitzer-Werkschau in Goldegg

Text: Aicher, Florian, Leutkirch

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Foto: Petra Steiner

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Der Einzelne und die Gemeinschaft

Matthias-Mulitzer-Werkschau in Goldegg

Text: Aicher, Florian, Leutkirch

Goldegg, eine Autostunde südlich von Salzburg, mit einer beeindruckenden Burg. Darin ein einzigarti­ger Rittersaal, Wände und Decke 1523 komplett ausgemalt: die Fläche eines Basketballfelds bedeckt mit Bild-Geschichten, Zeichen-Beziehungen, Emblemen. Drei Stockwerke tiefer eine Ausstellung, bei der man an diesen Saal denken muss.
48 Wand-Tafeln voller Skizzen, Pläne, Fotos, Texte, ein Kurz-Film. Da will wohl einer viel erzählen! Und genau so ist es – da erzählt einer, weil er viel zu sagen hat: Matthias Mulitzer, Architekt, 1960 in Goldegg geboren.
Der Bogen spannt sich von der Jugend auf dem elterlichen Hof und der Alm über das Studium in Wien, Meisterklasse bei Gustav Peichl, Zusammenarbeit mit dem bewunderten Ernst A. Plischke, mit Rob Krier, Raimund Abraham, Peter Noever, längeres Engagement bei Carl Pruscha, wo Mulitzer zuständig für die Sanierung des Semperdepots war, bis zu aktuellen Projekten als freier Architekt in Wien seit 1995. Drei Schwerpunkte: Umbauten, Sanierungen im städtischen Kontext Wiens; Um- und Neubauten auf dem Land, vor allem in Goldegg, von Wohnhäusern bis zu Bauten der Gemeinde; Neubauten – und dies ist gewiss selten – für Ordensgemeinschaften.
Es sind Spannungsfelder, die Mulitzer bearbeitet. Ausdrücklich betont er seine Herkunft aus der bäuerlichen Kultur, umso wichtiger ist ihm die Ver-feinerung der Kultur der Metropole. Doch grundlegend bleibt der elterliche Hof: „Nicht das Bauernhaus als Bild ist mir wichtig, sondern die vielfältigen Räume“, sagt er heute. Und da hört man den Buben, dem diese Räume und Bezüge notwendig waren, um seinen eigenen Platz in der Hofgemeinschaft zu finden. Darum kreist sein Tun als Architekt: der Einzelne und seine Gemeinschaft. Erlebter Raum.
Klosterarchitekt
Nähe und Spannung in dieser bedrohten Kultur werden bei Mulitzer so deutlich wie wohl nur bei Gion A. Caminada. Hier wie da ein Bezug, der den Ort ernst nimmt, der gut auskommt ohne Etiketten wie Regionalismus. Das Thema hat Mulitzer früh auf eine weitere Fährte geführt: den Bau von Klöstern. Und das seit einem Viertel Jahrhundert. Es dürfte wenige Klöster in Europa geben, die er nicht kennt. Ein halbes Dutzend grundlegender Publikationen, zahlreiche Zeitschriftenarbeiten zeugen von seiner wissenschaft­lichen Auseinandersetzung. Modern fand das Le Corbusier, der in einem Kloster aus dem 15. Jahrhundert „die strahlende Vision der modernen Stadt“ fand. Der Einzelne und die Gemeinschaft – das ist heute mehr denn je Angelpunkt des Städtebaus. Mulitzers Studien sind keine graue Theorie. Er ist mit diesen Orten als Nutzer vertraut – und als Bauender.
Natürlich erging für das Kartäuserkloster Maria im Paradies nicht ein Auftrag mit Fertigstellungstermin an den damals jungen Architekten. Seine Diplomarbeit ergab Gespräche, Türen öffneten sich, erste Bauten der Neuansiedlung auf der Kinderalm oberhalb von Goldegg folgten. Bestehende Almbauten waren zu integrieren, manches Experiment zu bewältigen beim sogenannten „Unteren Haus“. Ab Mitte der 90er Jahre, mit gewachsener Gewissheit, begann dann die Arbeit am heute von 32 Nonnen bewohnten „Oberen Haus“ des Klosters. Ein Projekt von langem Atem: Weitergebaut wird immer.   
Konvention und Invention
Im Wesentlichen ist die Anlage ein Holzbau. Der Stoff, der vorliegt, mit dem der Bauer schon gebaut hat. Blockbau, Holzständer, bei der Kirche Tafelbau. Auch dem Rotstift der Nonnen wird zu verdanken sein, dass kein Detail zu finden ist, das architektonische Finesse ausspielt – wozu Mulitzer mitunter durchaus neigt. Hier heißen seine Mittel: Gliederung, Proportion, Reihung, Gruppierung, klare Form. Ortsbezogen und doch so eigen, dass man sich weit weg wähnt. In den Karpaten?
Seine Arbeit überzeugte so, dass ab 1998 eine weitere Anlage folgte: für die Kamaldulenser-Eremie Santa Maria de los Ángeles in Venezuela, auf einem Gipfelplateau in der subtropischen Waldregion. Ebenfalls auf lange Zeit angelegt, noch unvollendet, größtenteils in Eigenleistung der Mönche gebaut: Mauerwerk mit eigenen Adobeziegeln zwischen dem – erdbebenbedingten – Betonskelett, Holzdachstuhl. Die Anlage variiert das in jahrhundertelanger Nutzung erprobte Modell: Konvention und Invention.
Fakten
Architekten Mulitzer, Matthias, Wien
aus Bauwelt 42.2012
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