Bauwelt

Der Lichtkünstler als Zeichner

Dan Flavin in der Kunsthalle Bielefeld

Text: Kuhlmann, Elmar, Minden

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Estate of Dan Flavin/ VG Bild-Kunst, Bonn 2012

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Der Lichtkünstler als Zeichner

Dan Flavin in der Kunsthalle Bielefeld

Text: Kuhlmann, Elmar, Minden

Wer hätte hinter dem strengen Rationalisten Dan Flavin einen Bewunderer japanischer Tintenzeichnungen des 18. oder amerikanischer Landschaftsdarstellungen des 19. Jahrhunderts vermutet?
Als der Kunstkritiker Bruce Glaser ihn bei Durchsicht von Skizzenbüchern einen um hundert Jahre verspäteten Impressionisten nennt, wiegelt Dan Flavin ab. Seine Zeichnungen seien „einfach nur Berichte für mich selbst, deren Herstellung mir definitiv große Freude macht.“ Doch in seinem Tagebuch hält er über das Zusammentreffen auch ernüchtert fest: „Kein Kommentar zu meinen Konstruktionsskizzen.“ Flavins Notiz stammt von 1963, dem Jahr seiner entscheidenden künstlerischen Weichenstellung. Kaum sechs Monate später wird derselbe Bruce Glaser das legendäre Radiointerview „New Nihilism or New Art“ mit drei Protagonisten des aufkeimen- den Minimalismus führen: Donald Judd, Frank Stella – und Dan Flavin.

Mit dem Abstand von fünf Jahrzehnten widmet die Kunsthalle Bielefeld dem Werk von Dan Flavin (1933–1996) nun eine aus der New Yorker Morgan Library & Museum übernommene und für das von Philip Johnson erbaute Bielefelder Ausstellungshaus aufbereitete Einzelausstellung. Während im Museum Moderner Kunst in Wien kürzlich Flavins Œuvre als Lichtkünstler erstrahlte, setzt man in Westfalen auf das zeichnerische Werk des Künstlers und sein grafisches Archiv – in Kontrast zu einigen Exponaten seiner richtungweisenden Neonröhren-Installationen.

Dass den Besucher im Zentrum des ersten Ausstellungsgeschosses die Installation Untitled (to Philip Johnson) von 1964 empfängt, liegt nahe. Hinter den frei eingestellten Wandscheiben erwarten ihn fünf weitere fluoreszierende Leuchtkörper, für deren werktreue Montage die Kunsthalle Flavins langjährigen Mitarbeiter Steve Morse engagierte, darunter das minimalistische Initialwerk the diagonal of May 25, 1963 (to Constantin Brancusi). Selten sind Johnsons viel zitierte „fließende Räume“ besser inszeniert worden als mit den einander farblich überlagernden Lichtspuren von Flavins Objekten, was nach Einbruch der Dämmerung zu fast mystischer Entfaltung gelangt. Dann verwandelt das Exponat Untitled (to Don Judd, colorist), 1–5 die verglaste Ausstellungsfläche zur spektakulären Bühne im Kunsthallen-Park.

Die vielfachen Widmungen seiner Objekte weisen Flavin als akkuraten Kenner zeitgenössischer Kunstströmungen aus. Der zweite Teil der Ausstellung, der einen intimen Einblick in seine Archivarien erlaubt, ist gleichwohl verblüffend, denn er offenbart einen ebenso leidenschaftlich versessenen Urheber wie akribischen Sammler von Handzeichnungen. Angesichts Flavins industriell vorgefertigten und mit handelsüblichen Lichtröhren bestückten Leuchtobjekte – hinter dem strengen Rationalisten würde wohl niemand einen Bewunderer japanischer Tintenzeichnungen des 18. oder amerikanischer Landschaftsdarstellungen des 19. Jahrhunderts vermuten. Einflüsse, die Flavin offenbar eine enorme Bandbreite zeichnerischer Ausdrucksweisen eröffneten: von schnellen, karikaturhaft hingeworfenen Porträtskizzen über seriell-analytische Strichgrafiken bis hin zu artifiziellen Kalligrammen.

En passant liefert die Ausstellung auch einen Einblick in die sozialen Zusammenhänge von Avantgarde-Künstlern der späten 50er Jahre, etwa in Form einer Serie von Zeichnungen, die während Flavins Tätigkeit als Museumsaufseher entstanden ist. Ein Schicksal, das er seinerzeit mit befreundeten Künstlern wie Sol LeWitt oder Michael Venezia teilte.
   
Im Auftrag der New Yorker Dia Art Foundation erwarb Dan Flavin sukzessive eine stattliche Anzahl von Landschaftszeichnungen der Hudson River School. Ende der 70er Jahre plante er für die Stiftung den Erwerb des historischen Herrenhauses Dick’s Castle, um diese Sammlung und eigene Licht­objekte darin dauerhaft auszustellen. Das Vorhaben scheiterte. In der Kunsthalle Bielefeld aber hat man sich dieses Konzepts erinnert.
Fakten
Architekten Flavin, Dan (1933-1996)
aus Bauwelt 7.2013
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