Bauwelt

Der Louvre in Abu Dhabi

Schattenspiele

Text: Sennewald, J. Emil, Paris

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Der Louvre in Abu Dhabi

Schattenspiele

Text: Sennewald, J. Emil, Paris

Das Projekt des Louvre auf der „Kulturinsel“ Saadiyat am Persischen Golf stammt von Jean Nouvel. Die Bauarbeiten haben begonnen, und Paris profitiert kräftig von den Zuwendungen des Scheichs von Abu Dhabi.
„Im Ramadan sind die Nächte hell“, sagt ein arabisches Sprichwort. Dann sind die Moscheen von Lampen erleuchtet. In die Lampenschirme gestanzte Arabesken erzeugen Muster auf den Wänden und den Gläubigen. Doch an Gottesdienst dachte Jean Nouvel vermutlich weniger, als er die flache Riesenkuppel entwarf, die durch Arabesken spektakuläre Lichtmuster auf die Gebäude des Louvre Abu Dhabi zaubern soll.
Nouvel hatte damals noch nicht an den Louvre gedacht: „Ursprünglich sollten wir ein nationales Museum für Zivilisation und Kulturen entwerfen“, erklärt Hala Wardé. Sie arbei­-tet als ausführende Architektin mit ihrem Team in einem kleinen, mit Modellen und Materialproben gefüllten Büro in der Pariser Rue du Louvre. „Erst sechs Monate nach Vorlage des Projekts kam der Louvre.“ Im März 2007 hatte Frankreich un­ter Jacques Chirac mit den Vereinigten Arabischen Emiraten vereinbart, für insgesamt eine Milliarde Euro Leihgaben, Know-how und Logistik aus 12 französischen Museen nach Saadiyat zu bringen. Das war damals höchst umstritten.
Die künstliche Insel Saadiyat liegt rund 30 Autominuten vom Stadtzentrum Abu Dhabis entfernt. Zwölf Kilometer Autobahn, zehn Kilometer Schienenanbindungen und drei neue Brücken sollen 145.000 Einwohner und noch viel mehr Touristen in dieses „Resort für Luxustourismus“ locken, hofft die Tourismus- und Entwicklungsgesellschaft. Die 27 Quadratkilometer Kunst-Insel gleicht einer Weltausstellung für Star-Architektur: Neben Frank Gehrys Guggenheim und Zaha Hadids Zentrum für darstellende Kunst soll Tadao Ando ein Meeres-Museum realisieren und Norman Foster das Sheikh Zayed National Museum. „Nouvel hat, auch mit Blick auf die Nachbarn, sein Louvre-Projekt als flache, in die Landschaft eingebettete Form entworfen“, so Wardé.
Vorausschauende Bescheidenheit? Vereinbarungsgemäß sind bisher 150 Millionen Euro an die französische Agentur der Museen geflossen. Dann kam die Krise, und die traf auch die Scheichs. Das Projekt verzögerte sich. Hinzu kommt, das jetzt  der sehr erfolgreiche Louvre-Direktor Henri Loyrette (60), der in Lens in Aussicht stellte, „die transversale, kultur­offene Sammlungspolitik auch in Abu Dhabi fortsetzen“ zu wollen, überraschend hingeschmissen hat. Er wolle sich anderen Aufgaben zuwenden, so die offizielle Begründung. Wie sich das auf das Vorhaben auswirken wird, ist nicht abzusehen. Auch ob das Bau-Budget von 108 Millionen Euro weiter zur Verfügung steht, kann niemand sagen.
Hala Wardé spricht lieber über die Ingenieurleistung deutscher Experten unter der Leitung des britischen Ingenieurbüros Happold: „Die Kuppel besteht aus zehn Edelstahl-Schichten. Ihr Durchmesser von 183 Metern würde den Cour Carrée des Pariser Louvre bedecken. Sie wiegt 7000 Tonnen, fast soviel wie der Eiffelturm“, schätzt sie (der wiegt 10.000 Tonnen). In den Modellen scheint die statisch komplizierte flache Wölbung über den Gebäuden zu schweben. Die Basis dieser „Wunder-Ästhetik“ (Jean Nouvel) bildet ein umlaufender Ring, der auf nur vier Pfeilern aufliegt, die vollständig in die Gebäude integriert sind. Die Tragstruktur des Daches ist bis zu  fünf Meter hoch und Teil des Musters, das sich aus dem Übereinanderlegen von jeweils fünf geometrischen Muster-Schichten ergibt. Auf diese Weise soll eine exakte Lichtführung erreicht werden.
Dafür wurde vor Ort ein Simulator gebaut, in den ein Stück der künftigen Kuppel, maßstabsgetreu und in verschiedene Winkel neigbar, eingesetzt ist. So wurde erprobt, welche Lichtflecken und -intensitäten die Elemente der Kuppel produzieren. Hala Wardé führt ihre Erläuterungen fort: „Da der Gebäudekomplex zum Meer hin offen ist, fließt von den Seiten viel Licht ein, das den ,Lichtregen‘ stören würde. Daher haben wir für diese Zonen dunkle Oberflächen vorgesehen. Zudem definieren wir lichtintensive und lichtarme Bereiche genau. Die meisten der Ausstellungssäle haben Oberlicht. Wir kennen bereits die Hälfte der Kunstwerke, die ausgestellt werden. Insgesamt sollen es 300 werden, für die die Säle gemeinsam mit den zuständigen Kuratoren optimiert werden. Darunter gibt es auch fensterlose Säle, andere können durch fünf verschiedene Filter und Verdunkelungssysteme stufenlos zwischen 0 bis 500 Lux reguliert werden.“
Die Eröffnung wurde jüngst um zwei Jahre verschoben, „um Sicherheit und Qualität zu gewährleisten“, wie es offiziell heißt. Bei Google Earth lassen sich erste Fundamente erkennen. Die Anlage im Meer soll, wie eine Luxus-Marina, per Yacht zugänglich sein. „Wir müssen enorme Sicherheitsauf­lagen für die Kunst erfüllen“, so die Architektin, „die Gebäude sind für einen Wasserstand von vier Metern über Normal geplant.“ Mineralputz auf faserverstärktem Beton gewährleistet das makellose Weiß orientalischer Paläste. Die Böden werden mit grau-blauen Marmorplatten (Blanc bleuté de Savoie) ausgelegt, deren Fugenmuster bedeutungsvoll in Richtung des Louvre in Paris weisen soll. In den Ausstellungssälen sind auch Holzböden geplant. Wie im Louvre Lens (Seite 20) werden die Exponate in Vitrinen und auf mobile Leichtbauwände im Ausstellungsraum verteilt. Die Wände bleiben frei. Geplant ist, die Kunstwerke alle 6 bis 24 Monate durch neue Ausleihen aus dem Louvre zu tauschen.
Man könnte Jean Nouvels Schattenspiele als selbstverliebt bezeichnen. Sie zitieren die Arabesken auf der Fassade des Pariser „Institut du Monde Arabe“ (1987), die Würfelstruktur des Musée du Quai Branly in Paris (Bauwelt 28–29.2006) und den Zugang übers Wasser des Kunstzentrums R4 auf der Pariser Île Seguin (Baubeginn 2013). Die Entwurfsskizze Nouvels, die bei Wardé im Büro gerahmt an der Wand hängt, lässt Verankerung in der Moderne erkennen, ähnelt sogar Erich Mendelsohns Zeichnung für die Park Synagoge in Cleveland von 1946. Die für Nouvel typische dynamische Fassaden-Lineatur taucht sogar in den Steppnähten auf, die die geschwungenen Ledermöbel im Museum rhythmisieren. Ende 2015 wird sich zeigen, wie diese Mischung aus Moderne, Aneignung und Ortsbezug die Kunst und ihr Publikum in Szene setzt – vorausgesetzt, das Projekt fällt nicht politischen und ökonomischen Unbilden zum Opfer.
Fakten
Architekten Nouvel, Jean, Paris
Adresse Saadiyat Vereinigte Arabische Emirate


aus Bauwelt 5.2013
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