Die Schau zum Schlossneubau
Andreas-Schlüter-Ausstellung im Bode-Museum
Text: Schulz, Bernhard, Berlin
Die Schau zum Schlossneubau
Andreas-Schlüter-Ausstellung im Bode-Museum
Text: Schulz, Bernhard, Berlin
Man hat ihn den „Michel-Ange du Nord“ genannt. So wurde Andreas Schlüter (1659/60–1714) zumindest in Berlin gesehen, bis sein Werk unterging – im Zweiten Weltkrieg und danach durch die Sprengung des Berliner Schlosses 1950.
Das Empfinden für plastischen Schmuck und für Bildhauerei im Ganzen ist längst verlorengegangen, und Schlüter ist aus dem öffentlichen Bewusstsein gefallen.
Mit dem heftig umstrittenen Wiederaufbau des Schlosses und der Schwierigkeit, den Bauschmuck in Steinmetzarbeit wiederherzustellen, rückt das Werk zumindest wieder in Sicht. War er mehr Bildhauer, mehr Architekt? Ist dem heutigen Verständnis überhaupt deutlich zu machen, dass beide Berufe einst zusammengehörten, von Michelangelo bis Bernini, um nur die beiden Bedeutendsten zu nennen? Die Konzentration auf die Architektur Schlüters hat ihre Schwierigkeit darin, „dass der große Bildhauer-Architekt seine Architektur und Plastik natürlich in einem gedacht hat“, schreibt Goerd Peschken, der Verfasser der großen Monografie zum Berliner Schloss. Eben dieses nicht Neben-, sondern Miteinander der beiden künstlerischen Gattungen zu veranschaulichen, ist ein Ziel der Ausstellung der Staatlichen Museen Berlin im Bode-Museum unter dem Titel „Schloss Bau Meister. Andreas Schlüter und das barocke Berlin“.
Einst war Schlüter ein großer Saal im „Deutschen Museum“, dem Nordflügel des Pergamon-Museums, gewidmet. Immerhin 16 seiner Skulpturen zählen zum Bestand, der zuletzt 1964 im Rahmen einer Überblicksausstellung gezeigt wurde. Ganz kann es auch diesmal nicht gelingen, den Bildhauer mit dem Architekten zusammenzubringen. Das wird erst der Fall sein, wenn die Arbeiten aus der „Schlossbauhütte“ vor den Betonkern der zügig wachsenden Schloss-Rekonstruktion gebracht worden sind.
Schlüter baut die Provinzresidenz Berlin zur barocken Metropole um
Es dauert denn auch innerhalb des 16 Säle umfassenden Rundgangs, bis der Besucher zum Architekten Schlüter gelangt. Den Bildhauer hat jeder im Blick, der das Bode-Museum betritt, ist doch eine originalgetreue Galvano-Plastik von Schlüters berühmtestem Werk, dem Reiterstandbild des Großen Kurfürsten von 1696/1706, im Kuppelsaal, dem Foyer des Museums, aufgestellt – eine neobarocke Inszenierung des Museums-Architekten Ernst von Ihne, die bei der Eröffnung des Hauses 1904 noch unmittelbar die Ikonografie der Residenzstadt Berlin aufrief. Das Reiterstandbild stand auf der Langen Brücke, die direkt auf den Schlossplatz mündete. Schlüter war, vor Schinkel, der erste Architekt, der die stadträumliche Wirkung bewusst berechnete und ausgeklügelte Bezüge herzustellen wusste. „Er hat Berlin innerhalb von eineinhalb Jahrzehnten von einer kommoden Provinzresidenz zu einer barocken Metropole umgestaltet“, erklärt Museums-Generaldirektor Michael Eissenhauer bei der Eröffnung der Ausstellung – die genau das jedoch zu wenig deutlich macht. Zu stark steht die Bildhauerei im Vordergrund.
Schlüter, der, vermutlich aus Danzig gebürtig, zunächst am Warschauer Hof arbeitete, war 1694 als Hofbildhauer an den von Kurfürst Friedrich III. berufen worden, ehe er auch das Amt des Schlossbaumeisters übernahm. Da liegt aus architektonischer Sicht seine überragende Leistung. Das aus der Renaissance stammende Schlossensemble, ein Konglomerat von unterschiedlichen Bauteilen, ließ er großenteils durch ein barockes Geviert ersetzen, dem nur die an der Spree gelegenen Wohntrakte von Kurfürst – ab 1701 König – und Gattin angeschlossen blieben. Mit den ikonografisch unterschiedlichen Fassaden zum Schlossplatz – kraftvoll durch Säulen gegliedert – und zum Lustgarten – eher spielerisch mit Hermen – und vor allem mit dem repräsentativen Hof zeigte Schlüter, wie gut er sich die römische Palastarchitektur wie auch die barocken Vorbilder Frankreichs anzuverwandeln wusste, die er auf seiner vom Kurfürsten angeordneten Bildungsreise 1695/96 kennengelernt hatte.
Beeindruckend ist das technische Genie Schlüters. Das Reiterstandbild des Großen Kurfürsten ist die erste Großbronze überhaupt, die in deutschen Landen geschaffen wurde. Ein glücklich erhaltenes Gussmodell lässt die Schwierigkeiten erahnen, die der Gussmeister Johann Jacobi zu bewältigen hatte, dem damals auch alle Ehre zuteil wurde. Die Ausstellung zeigt die Vorbilder, insbesondere das in der Französischen Revolution zerstörte Reiterstandbild des Königs Henri IV. auf dem Pont Neuf in Paris, anhand von Gemälden. Die stimmungsvollen Berliner Ansichten, die der unübertroffene Architekturmaler Eduard Gaertner zur Zeit des Biedermeier vom Schloss und von der Langen Brücke schuf, stellen die Bedeutung dieser städtischen Komposition eindrucksvoll vor Augen. Dazu gesellte sich noch das von Schlüter am anderen Spreeufer als Alte Post errichtete Palais Wartenberg. Der Münzturm von 94 Metern Höhe, den sich der frisch gekrönte König wünschte und den Schlüter bereits auf 40 Meter gebracht hatte, markierte das Ende der Karriere als Hofbaumeister. Der Turm sackte weg, was angesichts des modrigen, damals noch nicht erforschbaren Untergrunds kein Wunder, aber für den geltungssüchtigen König eben eine Katastrophe war.
Nach Jahren erzwungener Untätigkeit ging Schlüter ins neugegründete St.Petersburg, wo er Skizzen und Entwürfe und einige wenige Bauten hinterließ. Er starb bald nach seiner Ankunft. Sein Grab ist unbekannt, wie sich überhaupt sein Lebensweg im Dunkel der Geschichte verliert. Zumindest als Künstler – ob nun der bedeutendste Berlins überhaupt, wie Kurator Hans-Ulrich Kessler andeutet, sei dahingestellt – erfährt Andreas Schlüter mit dieser Ausstellung die überfällige und angesichts des Schloss-Wiederaufbaus geradezu dringliche Würdigung.
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