Die lange Suche nach einem Konzept
IBA Berlin 2020
Text: Meyer, Friederike, Berlin
Die lange Suche nach einem Konzept
IBA Berlin 2020
Text: Meyer, Friederike, Berlin
Vor fünf Jahren wurde die Idee erstmals publik: Berlin soll eine dritte IBA veranstalten. Damals landeten noch Flugzeuge in Tempelhof – das frei werdende Feld versprach Raum zum Experimentieren. Seitdem diskutiert die Stadt über das passende Konzept. Aufwändiger und vielstimmiger ist das bisher bei keiner IBA geschehen.
Nie kamen so viele Orte in Frage, nie wurde so oft das Leitbild justiert, nie schwebten mehr Motti im Raum. Jetzt soll entschieden werden. Die Vorlage für den Senat wird gerade abgestimmt.
Noch gibt es die IBA Berlin 2020 nur als Idee. Seit 2008 schwirrt sie in Form mehrerer Konzepte umher, betitelt mit modischen Begriffen, diskutiert auf zahlreichen Podien, von Politikern benutzt und vereinzelt auch als überflüssig kritisiert. Die Suche nach dem passenden Konzept gestaltet sich aufwendig. Das liegt zum einen an den städtebaulichen Möglichkeiten, die Berlin bietet, zum anderen an den vielen Engagierten, die die Stadt gestalten wollen. Aber es liegt auch an einigen älteren IBA-Spezialisten, die heutige Vorschläge nach den Prämissen der IBA vor 25 Jahren beurteilen. Vor allem aber liegt es an dem Anspruch, die Konzeptphase so offen wie möglich zu gestalten. War die IBA 1987 noch in den Köpfen einzelner entstanden und im Anschluss top-down in die Ausführung diktiert worden, geht es heute darum, in vielen Gesprächsrunden mit vielen Teilnehmern Meinungen zu bewegen und Ideen zu sammeln. Mehr als zwei Dutzend Expertenworkshops, Symposien, Werkstattgespräche, Talks und Klausuren haben seit 2010 in der alten Zollgarage, dem Senatsquartier im Flughafengebäude Tempelhof, stattgefunden. Doch nicht nur das: Auch die Partei der Grünen und die uninahe Initiative „Think Berlin“ veröffentlichten alternative Vorschläge. Wohin hat das in dreieinhalb Jahren geführt?
Noch gibt es die IBA Berlin 2020 nur als Idee. Seit 2008 schwirrt sie in Form mehrerer Konzepte umher, betitelt mit modischen Begriffen, diskutiert auf zahlreichen Podien, von Politikern benutzt und vereinzelt auch als überflüssig kritisiert. Die Suche nach dem passenden Konzept gestaltet sich aufwendig. Das liegt zum einen an den städtebaulichen Möglichkeiten, die Berlin bietet, zum anderen an den vielen Engagierten, die die Stadt gestalten wollen. Aber es liegt auch an einigen älteren IBA-Spezialisten, die heutige Vorschläge nach den Prämissen der IBA vor 25 Jahren beurteilen. Vor allem aber liegt es an dem Anspruch, die Konzeptphase so offen wie möglich zu gestalten. War die IBA 1987 noch in den Köpfen einzelner entstanden und im Anschluss top-down in die Ausführung diktiert worden, geht es heute darum, in vielen Gesprächsrunden mit vielen Teilnehmern Meinungen zu bewegen und Ideen zu sammeln. Mehr als zwei Dutzend Expertenworkshops, Symposien, Werkstattgespräche, Talks und Klausuren haben seit 2010 in der alten Zollgarage, dem Senatsquartier im Flughafengebäude Tempelhof, stattgefunden. Doch nicht nur das: Auch die Partei der Grünen und die uninahe Initiative „Think Berlin“ veröffentlichten alternative Vorschläge. Wohin hat das in dreieinhalb Jahren geführt?
Wer ganz unbefangen in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung nach dem Stand der Dinge fragt, wird auf eine frisch überarbeitete Webseite verwiesen. Dort ist der Prozess zusammengefasst. Es war Anfang 2008, als Senatsbaudirektorin Regula Lüscher zum ersten Mal nach einer dritten IBA in der Stadt rief. Sie war überzeugt, dass das nach der Schließung des Flughafen Tempelhof frei werdende Feld ein idealer Ort für experimentelle Stadtentwicklungspraktiken werden könne. Mit „IBA Berlin“ hatte sie eine vertraute, aber auch Ehrfurcht einflößende Kombination in den Mund genommen. Keine andere Stadt kann auf zwei IBAs zurückblicken, die dazu noch beide Planungsgeschichte geschrieben haben. Die Interbau im Hansaviertel 1957 zeigte, dass der International Style in Deutschland angekommen war, und sie hat die Gegend zu einem beliebten innerstädtischen Wohnquartier gemacht. 1987 demonstrierte die IBA Stadtumbau wie Stadtreparatur aussehen kann und realisierte unter den Schlagworten „Behutsame Stadterneuerung“ und „Kritische Rekonstruktion“ zahlreiche Wohnbauten, die weit über Berlin hinaus für den sozialen Wohnungsbau der Zeit zum Vorbild wurden. Die IBA 2020 muss sich an diesen Vorbildern messen lassen.
Hauptstadt.Raumstadt.Sofortstadt
Soll sich die IBA mit der Leere in Tempelhof befassen? Soll sie sich überhaupt auf ein einzelnes Thema, einen fixen Ort konzentrieren? Die Frage nach dem dringenden städtebaulichen Problem, die normalerweise am Anfang einer jeden IBA steht, delegierte die Senatsverwaltung im Sommer 2010 an ein siebenköpfiges Prae-IBA-Team (Markus Bader, Sonja Beeck, Vanessa Miriam Carlow, Pamela Dorsch, Martin Heller, Thilo Lang und Fritz Reusswig). In der alten Zollgarage richten sie einen öffentlichen Arbeitsraum, das IBA-Studio, ein. Alle sind eingeladen, Ideen einzubringen, Studierende der TU Berlin
erkunden Raumpotenziale in den Bezirken und bauen ein begehbares Modell der Freiräume Berlins. Ein Jahr später liegt das Vorkonzept „IBA Berlin Zwanzig Zwanzig“ auf dem Tisch. Unter dem Titel „Hauptstadt.Raumstadt.Sofortstadt“ hatte das Prae-IBA-Team seine Überlegungen in drei Teile gegliedert, die den Rahmen für die Entwicklung von neuen Verfahren, Instrumenten und Rechenmodellen bilden sollen. Gefäße für viele Themen sollten gefunden werden, etwa dafür, wie es zu machen sei, dass nicht jeder Bauplatz mit Maximalgewinn von Investoren zugebaut wird. Die IBA, sagt Markus Bader, solle nicht vorrangig Probleme, sondern Potenziale aufzeigen. Die des städtischen Raumes an sich zum Beispiel. Dabei gehe es um schlaue Partnerschaften, um eine Handlungsfähigkeit, die über die einer Behörde hinausreicht, um informelle Ebenen, die auf die Verwaltung ausstrahlen.
erkunden Raumpotenziale in den Bezirken und bauen ein begehbares Modell der Freiräume Berlins. Ein Jahr später liegt das Vorkonzept „IBA Berlin Zwanzig Zwanzig“ auf dem Tisch. Unter dem Titel „Hauptstadt.Raumstadt.Sofortstadt“ hatte das Prae-IBA-Team seine Überlegungen in drei Teile gegliedert, die den Rahmen für die Entwicklung von neuen Verfahren, Instrumenten und Rechenmodellen bilden sollen. Gefäße für viele Themen sollten gefunden werden, etwa dafür, wie es zu machen sei, dass nicht jeder Bauplatz mit Maximalgewinn von Investoren zugebaut wird. Die IBA, sagt Markus Bader, solle nicht vorrangig Probleme, sondern Potenziale aufzeigen. Die des städtischen Raumes an sich zum Beispiel. Dabei gehe es um schlaue Partnerschaften, um eine Handlungsfähigkeit, die über die einer Behörde hinausreicht, um informelle Ebenen, die auf die Verwaltung ausstrahlen.
Kritik von Grünen und Think Berlin
Als Reaktion auf die ersten Vorschläge des rot-roten Senats legt auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ein Konzept vor. Die Konzentration auf das Tempelhofer Feld erscheint der Partei unzureichend, die Ausrichtung thematisch unklar. Die bis dato bekannten Eckpunkte würden sich wie ein Stadtentwicklungskonzept im Gießkannenprinzip lesen, kritisiert die Fraktionsvorsitzende Antje Kapek. Sie vermisst Themen wie Klimaschutz, sozialer Zusammenhalt und Entwicklung des Gebäudebestandes; und plädiert für eine stärkere ökologische und soziale Ausrichtung der IBA, eine Konzentration auf Nord-Neukölln und eine größere Rolle der sozialverträglichen Sanierung des Wohnungsbestandes. Das Tempelhofer Feld hat sie dabei allenfalls als Erweiterungsfläche, zum Beispiel für soziale Infrastruktur im Blick.
Wenige Monate später wird ein weiterer Vorschlag bekannt. „Think Berlin“, eine Gruppe Stadtplaner von der TU Berlin in Zusammenarbeit mit Harald Bodenschatz und Machleidt + Partner, stellt ihre Idee „Radikal Radial“ zur Diskussion. Sie wollen die Ausfallstraßen Berlins in den Mittelpunkt der IBA stellen. Die Radialen bilden das stadtregionale Ordnungsprinzip, so ihr Argument – eines das aus dem aktuellen Londoner Planungsvokabular übernommen scheint. Einer ihrer Kritikpunkte am Senatskonzept allerdings hat Schlagkraft: Die neue Wohnungsfrage lasse sich nicht hauptsächlich durch Wohnungsneubau, das heißt auf dem Feld der Architektur und des Städtebaus, wie es die herkömmliche IBA-Struktur vorsieht, lösen.
Dann kommt im September 2011 die Wahl. Die Senatsverwaltung hatte entschieden, das IBA-Konzept nicht zum Wahlkampfthema zu machen, sondern abzuwarten. Im Koalitionsvertrag des neuen, schwarz-roten Senat heißt es: „Die ‚IBA Berlin 2020‘ steht unter dem Leitthema der gemischten Stadt. Mit der Überschrift „Wissen, Wirtschaft, Wohnen“ soll sie sich mit urbaner Wirtschaft und Technologie, der Zukunft des Wohnens in der Stadt und der Organisation der Wissensstadt auseinandersetzen.“ Michael Müller löst Ingeborg Junge-Reyer im Amt des Stadtentwicklungssenators ab. Und prescht im Alleingang voran: „Ich will keine IBA der Wirtschaft und der Wissenschaft, ich will eine Wohnungs-IBA“, sagt er im Januar 2012 auf einer Veranstaltung des Tagesspiegels in der Urania. Ihm gehe es darum, wie das „Wohnen der Zukunft“ aussehen könne. Neue Wohnformen, Wohnungsbau ohne großen Flächenbedarf und Wohnen für ältere Menschen sollten bei der künftigen IBA eine zentrale Rolle spielen.
Draußenstadt wird Drinnenstadt
Seit dem Amtsantritt von Müller wird das Konzept in Richtung Wohnen getrimmt. Wohnungsbau als IBA-Thema lässt sich politisch inzwischen gut verkaufen. Schließlich steigen die Mieten in Berlin schneller als in jeder anderen deutschen Stadt. Anfang 2012 widmen sich drei kleine IBA-Symposien dem Thema. Es geht um ökonomischen Wohungsbau, die Chancen von Großwohnsiedlungen und die Potenziale von XXL-Bauten wie etwa Tempelhof.
Im Juni 2012 beruft Regula Lüscher ein richtiges Kuratorium, das die IBA inhaltlich unter anderem bei der Überarbeitung des Konzeptes und bei den Auswahlkriterien für die einzelnen Projekte begleiten soll: Kees Christiaanse, Nathalie de Vries von MVRDV, Stefanie Frensch von der Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE Berlin, Erhart Pfotenhauer von der Planungsgruppe proUrban, Matthias Lilienthal, ehemaliger Intendant des Berliner Theaters HAU, und Jean-Philippe Vassal vom Pariser Büro Lacaton & Vassal werden sich dafür zwei- bis dreimal im Jahr treffen.
Inzwischen hat der Senat das Leitthema entsprechend angepasst. Aus „Gemischter Stadt – Wissen, Wirtschaft, Wohnen“ ist nun „Draußenstadt wird Drinnenstadt“ geworden. Gemeint sind damit nicht nur Räume außerhalb des S-Bahn-Rings, sondern auch gefühlt periphere Standorte, die in der Wahrnehmung „draußen“ sind, obwohl sie im Inneren der Stadt liegen: das Hansaviertel zum Beispiel oder der 2. Bauabschnitt der Karl-Marx-Alle, die Flughäfen Tempelhof und Tegel, die Gropiusstadt und der Stadtteil Lichtenberg. Sie alle sind als mögliche Orte in fünf Raumtypologien einsortiert.
Die öffentliche Diskussion ist damit vorerst beendet. Eine Vorlage für den Senatsbeschluss, die IBA 2020 zu veranstalten, geht in diesen Tagen über die Tische von Bürgermeister Klaus Wowereits Mitarbeitern. Bis abgestimmt wird, kann es noch dauern. Fällt die Entscheidung für die IBA, kann in Berlin die Gründung einer neuen IBA GmbH vorbereitet werden.
8 Fragen zur IBA Berlin | beantwortet von Joachim Günther
8 Fragen zur IBA Berlin | beantwortet von Joachim Günther
Was ist die Grundidee der IBA Berlin?
Mit der Überschrift „Draußenstadt wird Drinnenstadt“ setzt die IBA an die Stelle einer neuerlichen Stadterweiterung die Erweiterung des Städtischen, die Urbanisierung der „Draußenstadt“.
Welches sind die Probleme, die Berlin dazu veranlasst haben, eine IBA zu initiieren?
Steigende Einwohnerzahlen und veränderte Haushaltsgrößen führen zu einer Verknappung von Wohnraum, insbesondere von bezahlbarem Wohnraum in der Innenstadt. Vor allem in den gemischten gründerzeitlichen Quartieren steigt der Druck. Gleichzeitig gibt es zahlreiche Stadträume in der tatsächlichen oder gefühlten Peripherie, die aus dem Blick geraten sind oder als „draußen“ wahrgenommen werden, seien es monofunktionale Großwohnsiedlungen oder patchworkartige Strukturen in der Übergangszone zwischen innerer und äußerer Stadt. Diese Orte zu urbanen Quartieren zu entwickeln, in denen zum Beispiel auch die große Zahl an jungen Menschen Platz zum Wohnen, zum Leben und zum Arbeiten findet, ist eine große Herausforderung.
Welche Leitprojekte sind vorgesehen, und auf welchen Zukunftsbildern für Berlin bauen diese auf?
Leitprojekte werden erst noch entwickelt und orientieren sich an den Spezifika der Projekträume. Die IBA zielt auf die funktional, strukturell und sozial gemischte, vielfältige Stadt. Innovative Wohnungen des 21. Jahrhunderts verbinden die Standards der Nachhaltigkeit und Barrierefreiheit mit dem Faktor Bezahlbarkeit und bieten Raum für individuelle Lebenskonzepte und neue Verbindungen von Wohnen, Bilden, Arbeit und Freizeit. Unterschiedliche Ideenträger werden zu Akteuren der Wohnungswirtschaft und realisieren im nicht renditeorientierten Wohnungsbau ihre individuellen Lebensmodelle – mit großem Mehrwert für die gesamte Stadt.
Was werden die Instrumente der IBA sein, um modellhafte Projekte umzusetzen?
Drei Instrumente begleiten alle Projekträume und Projekte von Anfang an und qualifizieren den Prozess. Erstens, Instrument „Raumstadt“: Ein sorgfältiger und kluger Umgang mit der vorhandenen Fläche in der Stadt ist Grundprinzip der IBA. Die IBA erprobt Verfahren, um untergenutzte Flächen zu aktivieren, Nachverdichtungen klimagerecht umzusetzen und Freiräume zu erhalten und zu qualifizieren. Zweitens, Instrument „Sofortstadt“: In der IBA werden durch kulturelle Interventionen, temporäre Aktionen und neue Beteiligungsformate Anwohnerinnen und Anwohner einbezogen, lange Planungszeiträume überbrückt und Planungen „im Ausprobieren“ qualifiziert. Drittens, Instrument „Stadt als Forum“: Die IBA erprobt neue Aushandlungsprozesse, um dem zunehmenden Wunsch der Berlinerinnen und Berliner nach Beteiligung an Stadtentwicklungsfragen Raum zu geben und gleichzeitig der Blockierung von Vorhaben durch Betroffene mit Partikularinteressen zu begegnen. Durch die Verknüpfung der Berliner Diskussion und Erfahrungen mit der internationalen Fachdiskussion werden Innovationen vorangebracht.
Welchen Stand hat die IBA Berlin zurzeit? Was werden die nächsten Schritte sein?
Die Vorlage zur Durchführung der IBA Berlin 2020 wird in Kürze in den Senat eingebracht. Im Falle einer Zustimmung wird der nächste Schritt die Gründung einer IBA GmbH sein.
Gibt es städtebauliche Programme (Masterpläne, Leitlinien der städtebaulichen Planung), auf denen die IBA Berlin aufbaut?
Die IBA baut auf mehreren Eckpfeilern der Berliner Stadtentwicklungspolitik auf: dem „Stadtentwicklungsplan Wohnen“ und den festgelegten Wohnungsbauschwerpunkten, dem „Stadtentwicklungsplan Klima“, der „Strategie Stadtlandschaften“, dem „Stadtentwicklungskonzept 2030“, aber auch auf lokalen Planungen in den Projekträumen (z.B. Konsensplan Karl-Marx-Allee, Stadtumbau-Programm Lichtenberg).
Welche Partner sind beteiligt?
Partner sind unter anderen die beteiligten Bezirke, Akteure der Wohnungswirtschaft (Wohnungsbaugesellschaften, Genossenschaften, neue „Stadtmacher“), Kreative und Kunstschaffende, Universitäten, die Fachöffentlichkeit und lokale Akteure und Initiativen.
Wie groß sind die finanziellen Mittel, die die IBA Berlin voraussichtlich benötigt? Welche Mittel sind derzeit zugesagt?
Hierüber kann eine Aussage erst nach der Beschlussfassung des Berliner Senats gemacht werden.
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