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Durchgangsquartier

Neubau der Siemens-Konzernzentrale in der Münchner Innenstadt

Text: Parker, Dorothea, München

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1. Preis: Henning Larsen Architects

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1. Preis: Henning Larsen Architects


Durchgangsquartier

Neubau der Siemens-Konzernzentrale in der Münchner Innenstadt

Text: Parker, Dorothea, München

Die Siemens AG will auf ihrem angestammten Grundstück in München eine neue Konzern-Zentrale mit einer öffentlichen Erdgeschosszone bauen. Dies bietet eine Chance für die Innenstadtentwicklung.
Der Siemens-Konzern, Deutschlands größtes Unternehmen, bekennt sich zu München. In den Neubau seiner Zentrale am bestehenden Standort zwischen Altstadtring und Odeonsplatz will er mehr als 100 Mio. Euro investieren. Die neue Zentrale soll für den „grünen“ Siemens-Sektor „Infrastructure & Cities“ werben, der gerade aufgebaut  wird. Der Konzern arbeitet bereits mit den Münchner Stadtwerken zu­sammen, unter anderem bei der Entwicklung abgasarmer Verkehrsmittel und der Energieversorgung. Seine Produkte will er nun auch am Neubau präsentieren. Ein Passivhaus soll es werden, ein CO²-neu­trales Gebäude mit Zertifizierung auf Platin-Niveau.
Die Stadt München kann von den Neubauplä­nen viel erwarten, vor allem für die Innenstadtentwicklung. Denn das Gebiet um die Siemens-Zentrale soll in die Stadt integriert und für einen Durchgang zur Maxvorstadt geöffnet werden. Die alte Siemens-Zentrale ist, wie viele Areale großer Unternehmen, ein abgeschotteter Komplex. Durch ihre geschlossene Bebauung, die Barriere des Altstadtrings und die überwachte Respekt-Zone um das Bayerische Innenministerium ist hier eine Rückseiten-Situation entstanden. Zwar geben das von Klenze erbaute Prinz-Ludwig-Ferdinand-Palais, das MEAG-Haus und das von Richard Meier 1999 entworfene Siemens-Forum dem Gebiet architektonische Kontur. Das städtische Leben aber beschränkt sich in dieser Ge­-gend auf den schönen klassizistischen Wittelsbacher Platz, der für so Seltsames wie Internet-initiierte weiße Diners, Mittelalter -Weihnachtsmarkt oder für den Hamburger Fischmarkt benützt wird und vergangenen Winter sogar Kulisse für einen Ski-Hang zur Unterstützung der Münchner Olympiabewerbung war.
Zwischen Altstadt und Maxvorstadt liegt die Siemens-Zentrale auch an einem Zugang zu den Münchner Museen, die in einem Museumsareal zusammengebunden und neu in Wert gesetzt werden sollen. Seit Jahren versuchen Stadt und Bürger, eine Lösung für die Fußwegverbindung dahin zu finden,  die bisher durch den Altstadtringtunnel verbaut ist, dessen Tunnelmund einer direkten Fußgängerquerung im Wege liegt. Im Hinblick darauf hat Stephan Braunfels 2002 die Pinakothek der Moderne bereits diagonal unterteilt und in entschiedener Geste über das Siemensareal hinweg zum Odeonsplatz hin aus­gerichtet. Im Zuge der Neuplanung haben Stadt und Siemens nun Fußgängerverbindungen vorgeben, die nach dem Stand der Dinge leider noch ins Ungefähre führen. Trotzdem wird der Siemensneubau aus Sicht der Stadtplanung vor allem daran gemessen werden, ob er eine belebte Verbindung schaffen kann.
Stadt und Siemens haben ein Konzept gefunden, das diese verspricht. Die Erdgeschosszone soll weitgehend öffentlich zugänglich sein, mit Galerien als Auftakt zum Museumsareal, mit Ärztehaus und Fitness-Studios und mit einer vielfältigen Gastronomie. Hier sollen die 1200 Siemens-Angestellten und die Passanten zum Essen gehen – Siemens erarbeitet der­zeit ein neues Kantinenkonzept. Das könnte funk­tionieren. Siemens nimmt mit dieser Öffnung ein gewisses Risiko in Kauf, doch auch die Chance, sich als Konzern darzustellen und in die Stadtgesellschaft einzubinden.
In Bezug auf das Wettbewerbsverfahren allerdings tut sich der Konzern noch schwer mit der neu proklamierten Offenheit und Transparenz. Das Verfah­ren wurde vom Auslober Siemens Real Estate nur in Anlehnung an die Richtlinien für Planungswettbewerbe (RPW) durchgeführt und konnte von der Bayerischen Architektenkammer nicht registriert werden. Das Urheberrecht der Teilnehmer wurde von vornherein insoweit abbedungen, als der Auslober Elemente ihrer Entwürfe bei Bedarf weiterverwenden und kombinieren kann. Die Kammer sieht das Ver­fahren als „Mehrfachbeauftragung“ und nicht als Architektenwettbewerb an, auch weil die Teilnehmer zusätzlich zur Preissumme Bearbeitungshonorare von je 30.000 Euro erhielten. Nicht zuletzt waren die Auslobungsunterlagen und das Preisgerichtsprotokoll nicht öffentlich und nur auf Nachfrage stu­fen- und teilweise zugänglich.
Bei der Besetzung der Jury immerhin hat sich der Auslober um ein Gleichgewicht zwischen Vertretern der Stadt und Siemens-Vertretern und um eine nachvollziehbare Auswahl der eingeladenen Büros bemüht. Nach einem mehrstufigen Vorverfahren, das vom Frankfurter Büro AS&P betreut wurde, waren 12 Architekturbüros aufgefordert, ihre Ideen einzureichen – zwei aus München, fünf aus dem übrigen Deutschland, fünf aus dem Ausland.
Die Preisrichter entschieden sich für den Vorschlag von Henning Larsen Architects, auch wenn er nicht die geforderte Geschossfläche von 45.000 m2 erreicht. Das soll nachgearbeitet werden. Die Architekten gliedern den Komplex in drei öffentlich zugängliche Höfe und erschließen ihn durch fünf Zuwege. Ein weiterer, zum Altstadtring hin offener Hof gibt das Thema der „Öffnung“ vor, der überdachte Hof hinter dem Palais ist Siemens vorbehalten. Der Entwurf besticht vor allem durch die angenehme Proportionierung der Höfe, und das Energiekonzept mit Photovoltaik-Dach über den oberen, zurückgesetzten Vorstandsetagen. Die Hightech-Fassaden, zu den Höfen hin vorwiegend aus Glas, sind schräg gestellt und mit Lichtreflektoren versehen, um mehr Licht zu den unteren Geschossen dringen zu lassen.  
Hascher Jehle (2. Preis) konnten mit einer Großform nicht völlig überzeugen. Die Jury vermisste einen auf die Altstadt bezogenen Maßstab und adäquate Durchgänge. Den Vorschlag von Auer+Weber+Assoziierte (3. Preis) lobte die Jury für seine markante topographische Dachlandschaft, bemängelte aber die Aufenthaltsqualität und eine unzureichende Verzahnung der Teilbereiche.
Nun steht ein Bebauungsplanverfahren an – immerhin wurde die bestehende Geschossfläche von etwa 37.000 Quadratmetern auf rund 45.000 Qua­dratmeter erhöht –, danach das Genehmigungs­verfahren. Im Juni 2016 sollen die neuen Gebäude bezogen werden.
Fakten
Architekten Henning Larsen Architects, Kopenhagen; Hascher Jehle, Berlin; Auer + Weber + Assoziierte, München/Stuttgart
aus Bauwelt 31.2011
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