Ein Reihenhaus für den jungen Luther
Das nahende 500. Jubiläum von Luthers Thesenanschlag macht bis 2017 vieles möglich im Kernland der Reformation. Sanierte Baudenkmale, neue Museen und Besucherzentren: Die Erinnerungskultur muss vieles richten, was für Mitteldeutschland wirtschaftlich immer noch in weiter Ferne liegt. So auch in Mansfeld. Dort haben Anderhalten Architekten Luthers Elternhaus erweitert.
Text: Kowa, Günter, Berlin
Ein Reihenhaus für den jungen Luther
Das nahende 500. Jubiläum von Luthers Thesenanschlag macht bis 2017 vieles möglich im Kernland der Reformation. Sanierte Baudenkmale, neue Museen und Besucherzentren: Die Erinnerungskultur muss vieles richten, was für Mitteldeutschland wirtschaftlich immer noch in weiter Ferne liegt. So auch in Mansfeld. Dort haben Anderhalten Architekten Luthers Elternhaus erweitert.
Text: Kowa, Günter, Berlin
Wo mit der Wende 800 Jahre Bergbautradition zu Ende und bald auch der Kreisstadtstatus verloren gingen, sind Abwanderung und Bevölkerungsverlust so hoch wie nirgends sonst im Osten. Da ist es fast schon der Mut der Verzweiflung, wenn die Stadt Mansfeld 200.000 Euro aufbringt, um sich für den Einsatz von 2,9 Millionen Euro Landesmitteln zu qualifizieren, die in die Restaurierung von Luthers Elternhaus mitsamt einem neuen Museum des Berliner Büros Anderhalten Architekten fließen. Fast 700.000 Euro investiert die Stiftung Lutherstätten in die Museumsgestaltung, und sie ist nun auch Eigentümer und Betreiber der beiden Häuser, des alten und des neuen. Im Sommer sind sie eröffnet worden und harren des Besucherzuspruchs, den sich alle in der Stadt erhoffen.
Aus Mansfelder Sicht wird es dafür höchste Zeit. Der Ort von Luthers Jugend ist touristisch erstaunlich verkannt. Immerhin verbrachte er die ersten 14 Jahre seines Lebens in der Wahlheimat seines Vaters, in einem Umfeld, das vom Unternehmergeist des Berg- und Hüttenwesens genauso durchdrungen war wie von spätmittelalterlicher Gottes- und Jenseitsfurcht. Aber bislang findet von den ca. 30.000 Besuchern in den Lutherstätten im 20 Kilometer entfernten Eisleben kaum ein Zehntel den Weg nach Mansfeld.
Das Engagement der Stadt setzte 2007 ein, als die Kirchgemeinde das Luther-Elternhaus, das sie seit 1886 verwaltete, an die Stadt übertrug. Vier Jahre zuvor hatten Ausgrabungen auf dem Grundstück sensationelle Funde von Haushaltsgegenständen aus einer historischen Abfallgrube und damit faszinierende Einblicke in den Alltag von Luthers Familie erbracht. Schlachttier- und Vogelknochen, die vom recht üppig gedeckten Tisch im Hause des Hüttenmeisters und Ratsherrn künden, sind nun auch Hauptattraktion in der neuen Dauerausstellung. Außerdem sind der Bergbau, die Frömmigkeit und die Schulbildung Themen, die anhand von rund 220 Exponaten entwickelt werden. Ausstellungsort ist der Neubau. Im alten Haus sind die historischen Räume zu besichtigen, sie sind leer bis auf mediale Attraktionen wie ein Tischlein-Deck-Dich mit Luthers Fest- und Alltagsspeisen.
2010 entschied ein Wettbewerb über die Gestalt des Neubaus. Anderhalten Architekten gewannen mit einem Entwurf, der die angemessene Lösung für die nicht nur inhaltlich, sondern auch topografisch anspruchsvolle Aufgabe versprach. Der Bauplatz war eine schon lang bestehende Lücke im Gefüge der kleinstädtischen Häuserzeile auf der anderen Straßenseite. Die schmale Front verschleiert, dass die Parzelle rückwärtig ausbuchtet und in einen Hang schneidet. Mit der Schauseite blickt der Bau auf das Elternhaus schräg gegenüber. Er bleibt in der Firstlinie der Häuserzeile und wahrt, in sich noch einmal geknickt, die Dachneigung, was dem grauen Block etwas von der Schwere nimmt. Leicht eingewinkelt öffnet sich der Eingang in der Fassade. Das Portal mit der hölzernen Schwingtür in einer Glasfront wird im Obergeschoss mit einem Fenster in ähnlich gestreckter Form und Holzrahmung gespiegelt.
Das auffälligste Merkmal des Hauses ist die in Grautönen gesprenkelte Fassade. Der im Entwurf vorgesehene Buntsandstein stellte sich als zu teuer heraus, und so trat Sichtbeton an seine Stelle, allerdings modifiziert durch einen Zuschlag von Grobkies aus Basalt und kleinere Mengen Porphyr. Das modulierte Grau der Fassade setzt sich in seiner sandig-rauen Textur über alle Außenwände fort. Der homogenen Erscheinung dieser Wände läuft allerdings das Muster der Schalungsplatten zuwider, deren Fugen sich doch recht deutlich in der Fläche abzeichnen.
Es ward Licht
In geschickter Ausnutzung der Hanglage öffnet sich der Bau an der Rückseite zu einem Hof und einer gärtnerisch gestalteten Terrasse. Bei guter Witterung dient diese Anlage als Außenraum für den kleinen Multifunktionssaal im Erdgeschoss. Große Glaswände öffnen dort nach außen wie nach innen, ebenso wie beim Patio, auf den der Besucher im Foyer trifft. Eine offenkundige Funktion ist diesem lauschig baumbestandenen Hof nicht beschieden. Er bringt Licht ins Erdgeschoss.
Genau das aber ist nun für den Museumsbetrieb gar nicht gewünscht. Die Nutzer des Hauses, die wie leider so oft beim Museumsbau nicht von Anfang an in den Planungsprozess eingebunden waren, stellen fest, dass Lichtfülle kein Wert an sich, sondern für die museale Konzeption eher hinderlich ist. Die Helligkeit schränkt den ohne-hin knapp bemessenen Raum für Ausstellungszwecke ein. Die Folge: Die meisten Fenster sind durch Vorhänge abgedunkelt. Damit ist der durchaus poetische Gedanke der Museumsarchitektur, dass die Aussicht den Blick auf entscheidende Lebensstationen des jungen Luther lenkt, für den Besucher nur zum Teil erlebbar. Die Sicht auf das Elternhaus und die Stadtkirche ist versperrt, immerhin ist der schönste Blick noch offen, der auf das Schloss der Mansfelder Grafen hoch über der Stadt.
Für die formale Gestaltung der Ausstellung zeichnet das Architekturbüro „Complizen“ aus Halle verantwortlich, mittlerweile ein bekannter Name im Ausstellungsdesign. Es bringt mit einer Stimmung erzeugenden Raumregie die musealen Themenfelder zum Leben, zum Beispiel mit einem angedeuteten Schacht für den Bergbau oder einer Schulstube für das kindliche Bildungspensum und die ruppigen Lehrmethoden der vor-reformatorischen Zeit. Das Büro versucht mit seinen Eingriffen den bestmöglichen Kompromiss mit der Raumstruktur.
0 Kommentare