Ende der Leere?
Umnutzung der Tabakfabrik von Pier Luigi Nervi in Bologna zu einem Technologiezentrum
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
Ende der Leere?
Umnutzung der Tabakfabrik von Pier Luigi Nervi in Bologna zu einem Technologiezentrum
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
Wird die Tabakfabrik gerettet? Nachdem man sich bei der Stadt lange uneins war, was mit den zum Teil unter Schutz gestellten Bauten geschehen soll, wurde schließlich ein eingeladener internationaler Wettbewerb ausgelobt.
Nun sind die Hoffnungen groß, dass das seit vielen Jahren verschlossene Fabrikareal als „Tecnopolo“ zu neuem Leben erwacht.
Die ehemalige staatliche Tabakfabrik von 1953 ist im Œuvre von Pier Luigi Nervi (1891–1979) nicht an vorderster Stelle zu finden; sie hat kein fulminantes Gitterdach und doch zeigt Nervi auch hier sein ganzes Können beim innovativen Umgang mit Ortbeton, den er als Ferrozement weiterentwickelt hatte (Bauwelt 19.2010). Der Fabrikbau ist gut vergleichbar mit der Wollspinnerei Gatti in Rom, die ein Jahr später entstand. Nervi entwarf in Bologna eine flache Deckenkonstruktion und entwickelte spezielle Schalungskästen, um jeweils ein kompaktes Tragsystem mit Rippenstruktur in einem Stück gießen zu können. Je 12 Felder füllen einen quadratischen Deckenabschnitt zwischen den Trägern aus. Das Besondere war die Technologie ihrer Herstellung. Die Schalungskästen befanden sich auf einem fahrbaren Gerüst. Nach der Aushärtung wurde sie abgesenkt und zum nächsten Abschnitt gerollt. So war eine schnelle Betonierung möglich. Die Deckenunterseite ist heute noch gut sichtbar auch wenn in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Installationsrohre und Kabel angefügt wurden.
Neben dieser Deckenkonstruktion des fünfgeschossigen, 210 m langen Hauptgebäudes mit schmalen Fenstern sind auch vier konstruktiv wie gestalterisch markante, teilweise verglaste Treppenbauwerke hervorzuheben, die eine Erschließungsstraße überbrücken. Dem Hauptgebäude sind eine Reihe von Tonnendach-Hallen vorgelagert, die ebenfalls von Nervi stammen. Diese Seite der ehemaligen Fabrik orientiert sich zur Via Stalingrado, eine breite Straße, die in die Innenstadt führt. Kleinere Gebäude, die später errichtet wurden, stehen zur Disposition.
Schon lange hatte die Stadt ein Auge auf diesen Ort geworfen. Er liegt nur wenige Minuten vom Messegelände entfernt und weist großes Entwicklungspotenzial auf. Auch die Neubauten der Universität sind von hier aus gut zu erreichen. Schließlich kauften die Stadt und die Region Bologna der British American Tobacco das Areal für 19 Mio. Euro ab. Die Denkmalpflege setzte schon frühzeitig ein klares Zeichen und stellte die Nervi-Architektur unter Schutz. Sie lässt aber zu, die Gesamtanlage zu ergänzen und in Teilbereichen Eingriffe vorzunehmen.
Die Stadt und ihre Partner der Wirtschaftsförderung planen keine Instandsetzung mit einer Umnutzung, sondern ein neues Quartier als Technologiezentrum (Tecnopolo), das Teile der bedeutsamen Architektur von Nervi integriert. Auf 110.000 m² Nutzfläche sollen Ausstellungshallen, zahlreiche Forschungsreinrichtungen in enger Bindung zur Universität und zur Industrie, ein Hotel, Büros aber auch Läden und Restaurants Platz finden.
Auslober des zweistufigen eingeladenen anonymen Realisierungswettbewerbs war die Region Emilia Romagna in Zusammenarbeit mit der Stadt (Società Fianziaria Bologna Metropolitana). 60 Bewerbungen lagen vor, zehn Teilnehmer wurden ausgewählt. Die neun eingereichten Arbeiten (David Chipperfield sagte ab) wurden nach einem strengen Punktesystem bewertet.
Die Preisträger gmp, Hamburg, haben die Aufgabe kompakt und funktional eindeutig umgesetzt. Der Entwurf präsentiert sich mit den geforderten Neubauten ohne eine alles übertrumpfende Geste. Das 50 m hohe Hochhaus bleibt vergleichsweise moderat. Läden, Restaurant und Kindergarten sind im ehemaligen Kraftwerk der Fabrik untergebracht. Der Schornstein soll, als Zeichen umgestaltet, schon vom Autobahnring auf das Quartier Tecnopolo hinweisen, die Farbgebung der Neubauten sich dem Bestand anpassen. Besonders die problemlose phasenweise Realisierung durch die vier Erschließungsachsen wurde positiv bewertet.
Die Arbeit von OMA (2. Rang) hebt die Gebäudestruktur von Nervi deutlich heraus, überhöht sie geradezu. Zwei Neubauten fallen besonders ins Auge: Ein schlanker Dachaufbau über dem langen Hauptgebäude der Fabrik und ein weitgehend gläsernes Gebäude mit Rasterfassade dessen ebenfalls verglaster Veranstaltungssaal in den Vorplatz hineinragt. Mit den kleinen Fenstern in den Tonnendächern interpretieren die Architekten die Tragstruktur von Pier Luigi Nervi neu. Besonders mutig ist der Aufbau auf dem Hauptgebäude. Da muss man sich konstruktiv schon etwas Exquisites ausdenken, das einem Nervi würdig ist. Der Auslober und die Jury hatten wohl nicht die Courage, sich auf ein solches Experiment einzulassen, das wohl auch bei den Denkmalpflegern kritisch betrachtet worden wäre. In der Stadt reagiert man bisher deutlich verhalten. Es ist wenig zu hören zum Projekt und seiner Realisierung. Zur Zeit rechnet man mit Baukosten von rund 200 Mio. Euro. Der Auslober kann nur 27 Mio. Euro bereitstellen. Man ist auf der Suche nach Partnern.
Preisträger gmp, Hamburg, Volkwin Marg mit Robert Friedrichs; Werner Sobek, Stuttgart; Studio Ti, Rimini
2. Rang OMA, Rem Koolhaas mit Ippolito Pestellini Laparelli, Rotterdam
3. Rang M.B.M. Arquitectes, Barcelona
4. Rang 5+1 AA, Genua/Mailand, mit Nicolas Michelin, Paris
5. Rang Boris Podrecca, Wien, mit Bollinger + Grohmann, Frankfurt/Main
6. Rang Wilkinson Eyre, London
7. Rang Massimiliano und Doriana Fuksas, Rom/Paris, mit Arup, London
8. Rang Antonio Citterio, Patricia Viel, Mailand
9. Rang Kengo Kuma, Tokio/Paris, mit Ricci Spaini, Rom
Die ehemalige staatliche Tabakfabrik von 1953 ist im Œuvre von Pier Luigi Nervi (1891–1979) nicht an vorderster Stelle zu finden; sie hat kein fulminantes Gitterdach und doch zeigt Nervi auch hier sein ganzes Können beim innovativen Umgang mit Ortbeton, den er als Ferrozement weiterentwickelt hatte (Bauwelt 19.2010). Der Fabrikbau ist gut vergleichbar mit der Wollspinnerei Gatti in Rom, die ein Jahr später entstand. Nervi entwarf in Bologna eine flache Deckenkonstruktion und entwickelte spezielle Schalungskästen, um jeweils ein kompaktes Tragsystem mit Rippenstruktur in einem Stück gießen zu können. Je 12 Felder füllen einen quadratischen Deckenabschnitt zwischen den Trägern aus. Das Besondere war die Technologie ihrer Herstellung. Die Schalungskästen befanden sich auf einem fahrbaren Gerüst. Nach der Aushärtung wurde sie abgesenkt und zum nächsten Abschnitt gerollt. So war eine schnelle Betonierung möglich. Die Deckenunterseite ist heute noch gut sichtbar auch wenn in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Installationsrohre und Kabel angefügt wurden.
Neben dieser Deckenkonstruktion des fünfgeschossigen, 210 m langen Hauptgebäudes mit schmalen Fenstern sind auch vier konstruktiv wie gestalterisch markante, teilweise verglaste Treppenbauwerke hervorzuheben, die eine Erschließungsstraße überbrücken. Dem Hauptgebäude sind eine Reihe von Tonnendach-Hallen vorgelagert, die ebenfalls von Nervi stammen. Diese Seite der ehemaligen Fabrik orientiert sich zur Via Stalingrado, eine breite Straße, die in die Innenstadt führt. Kleinere Gebäude, die später errichtet wurden, stehen zur Disposition.
Schon lange hatte die Stadt ein Auge auf diesen Ort geworfen. Er liegt nur wenige Minuten vom Messegelände entfernt und weist großes Entwicklungspotenzial auf. Auch die Neubauten der Universität sind von hier aus gut zu erreichen. Schließlich kauften die Stadt und die Region Bologna der British American Tobacco das Areal für 19 Mio. Euro ab. Die Denkmalpflege setzte schon frühzeitig ein klares Zeichen und stellte die Nervi-Architektur unter Schutz. Sie lässt aber zu, die Gesamtanlage zu ergänzen und in Teilbereichen Eingriffe vorzunehmen.
Die Stadt und ihre Partner der Wirtschaftsförderung planen keine Instandsetzung mit einer Umnutzung, sondern ein neues Quartier als Technologiezentrum (Tecnopolo), das Teile der bedeutsamen Architektur von Nervi integriert. Auf 110.000 m² Nutzfläche sollen Ausstellungshallen, zahlreiche Forschungsreinrichtungen in enger Bindung zur Universität und zur Industrie, ein Hotel, Büros aber auch Läden und Restaurants Platz finden.
Auslober des zweistufigen eingeladenen anonymen Realisierungswettbewerbs war die Region Emilia Romagna in Zusammenarbeit mit der Stadt (Società Fianziaria Bologna Metropolitana). 60 Bewerbungen lagen vor, zehn Teilnehmer wurden ausgewählt. Die neun eingereichten Arbeiten (David Chipperfield sagte ab) wurden nach einem strengen Punktesystem bewertet.
Die Preisträger gmp, Hamburg, haben die Aufgabe kompakt und funktional eindeutig umgesetzt. Der Entwurf präsentiert sich mit den geforderten Neubauten ohne eine alles übertrumpfende Geste. Das 50 m hohe Hochhaus bleibt vergleichsweise moderat. Läden, Restaurant und Kindergarten sind im ehemaligen Kraftwerk der Fabrik untergebracht. Der Schornstein soll, als Zeichen umgestaltet, schon vom Autobahnring auf das Quartier Tecnopolo hinweisen, die Farbgebung der Neubauten sich dem Bestand anpassen. Besonders die problemlose phasenweise Realisierung durch die vier Erschließungsachsen wurde positiv bewertet.
Die Arbeit von OMA (2. Rang) hebt die Gebäudestruktur von Nervi deutlich heraus, überhöht sie geradezu. Zwei Neubauten fallen besonders ins Auge: Ein schlanker Dachaufbau über dem langen Hauptgebäude der Fabrik und ein weitgehend gläsernes Gebäude mit Rasterfassade dessen ebenfalls verglaster Veranstaltungssaal in den Vorplatz hineinragt. Mit den kleinen Fenstern in den Tonnendächern interpretieren die Architekten die Tragstruktur von Pier Luigi Nervi neu. Besonders mutig ist der Aufbau auf dem Hauptgebäude. Da muss man sich konstruktiv schon etwas Exquisites ausdenken, das einem Nervi würdig ist. Der Auslober und die Jury hatten wohl nicht die Courage, sich auf ein solches Experiment einzulassen, das wohl auch bei den Denkmalpflegern kritisch betrachtet worden wäre. In der Stadt reagiert man bisher deutlich verhalten. Es ist wenig zu hören zum Projekt und seiner Realisierung. Zur Zeit rechnet man mit Baukosten von rund 200 Mio. Euro. Der Auslober kann nur 27 Mio. Euro bereitstellen. Man ist auf der Suche nach Partnern.
Preisträger gmp, Hamburg, Volkwin Marg mit Robert Friedrichs; Werner Sobek, Stuttgart; Studio Ti, Rimini
2. Rang OMA, Rem Koolhaas mit Ippolito Pestellini Laparelli, Rotterdam
3. Rang M.B.M. Arquitectes, Barcelona
4. Rang 5+1 AA, Genua/Mailand, mit Nicolas Michelin, Paris
5. Rang Boris Podrecca, Wien, mit Bollinger + Grohmann, Frankfurt/Main
6. Rang Wilkinson Eyre, London
7. Rang Massimiliano und Doriana Fuksas, Rom/Paris, mit Arup, London
8. Rang Antonio Citterio, Patricia Viel, Mailand
9. Rang Kengo Kuma, Tokio/Paris, mit Ricci Spaini, Rom
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