Energie als Strichcode
Gestaltung des neuen Erdgaskraftwerks in Düsseldorf
Text: Winterhager, Ute, Bonn
Energie als Strichcode
Gestaltung des neuen Erdgaskraftwerks in Düsseldorf
Text: Winterhager, Ute, Bonn
Ein Kraftwerk ist, vor allem wenn es exponiert steht, immer ein visueller Störfaktor. Aus dieser Not haben die Stadtwerke Düsseldorf eine Tugend gemacht.
Der Düsseldorfer Kraftwerk-Komplex Lausward liegt stadtbildprägend im Rheinbogen, vis-à-vis zum Medienhafen und nur drei Kilometer Luftlinie von der Innenstadt entfernt. Seit 1957 liefert er Strom und Fernwärme. Nun ist eine Erweiterung geplant, Block Fortuna, das weltweit modernste Erdgaskraftwerk, das aufgrund seiner Effizienz dem Lausward-Komplex zum Namen „Weltmeisterkraftwerk“ verhilft. Die sechs Baukörper, zwischen acht und 41 Meter hoch, und der 63 Meter hohe Schornstein bilden zusammen eine etwa 250 Meter lange Kette vor den älteren Blöcken „Anton“ bis „Emil“. Dort standen zuvor vier ausgediente Filtertürme zur Rauchgasreinigung, die nachts im Corporate-Grün der Stadtwerke leuchteten. So sah es der Düsseldorfer Lichtmasterplan vor, der das Kraftwerk als Merkzeichen im Stadtgefüge definiert hat.
Dass schiere Monumentalität nichts zum guten Image einer Industrieanlage beiträgt und Lichtkosmetik nur eine Übergangslösung sein kann, haben die Stadtwerke Düsseldorf erkannt und deshalb die Gestaltung der Hülle von Block Fortuna in die Planung einbezogen. Parallel zu den Verhandlungen mit den Kraftwerksherstellern lobten sie im Juli 2011 gemeinsam mit der Stadt ein kooperatives zweistufiges Gutachterverfahren aus, zu dem 40 europäische Büros geladen wurden.
In der Aufgabe ging es nicht nur um die Gestaltung der Gebäudehülle, sondern auch um die Vermittlung der Unternehmenswerte in einem Besucherzentrum. Die Wettbewerbsteilnehmer sollten also erstens eine witterungsbeständige und raumabschließende Gebäudehülle entwickeln, die den hohen Gebrauchswert einer Industriefassade besitzt und einen nur minimalen Pflegeaufwand erfordert, und zweitens einen Ort für die Besucher finden und definieren.
Acht Entwürfe wurden für die zweite Phase ausgewählt. Einstimmig entschied sich die Jury (Vorsitz: Manfred Hegger) für die Vorschläge von Grimshaw Architects und kadawittfeldarchitektur, die im Hinblick auf technische Erfordernisse und Kosten weiter überarbeiteten, bis im November 2012
die Entscheidung für kadawittfeldarchitektur fiel.
die Entscheidung für kadawittfeldarchitektur fiel.
Keine Camouflage und keine Leuchtpilze
Augenfällig ist, dass die beiden Siegerentwürfe mit vergleichsweise einfachen Gestaltungsmitteln operieren. Sie haben keine Leuchtpilze aufgestellt, keine Camouflage appliziert und auch keine trügerische Landschaft modelliert wie andere Teilnehmer der Vorrunde, sondern mit dem Bestand gearbeitet.
Grimshaw setzt die Kraftwerksbauteile auf einen gemeinsamen Sockel, um die großen Quader des Kesselhauses und des Maschinenhauses, die beiden „Herzen“ des Kraftwerks, herauszustellen. Auf der Fassade sollen angeschnittene, vertikal verlaufende Bleche eine organische Bewegung der Fläche suggerieren, nachts hingegen soll sich die Silhouette des hell erleuchteten Innenlebens auf der transluzenten Außenhaut abbilden. Das normalerweise im-mer im Verborgen liegende Innenleben des Kraftwerks sichtbar zu machen, entsprach der Vorstellung der Stadtwerke von einer kommunikativen Gebäudehülle. Das Preisgericht hinterfragte jedoch die Lage des Besucherzentrums im Spalt zwischen den großen Quadern.
Kadawittfeldarchitektur entwarfen ein Modulsystem aus 44 unterschiedlich hohen und breiten Stahlrahmen, die über die einzelnen Abschnitte gestellt werden. Die Fugen zwischen den Rahmen werden mit grünem Streckmetallgitter geschlossen und mit Low Power LEDs (natürlich mit Sonnenstrom nachhaltig betrieben) hinterleuchtet. Mit dieser rhythmischen Fassadengliederung wollen die Architekten die Kubatur des darunter liegenden Kraftwerks in ein abstraktes Objekt zerlegen, das als Skyline oder Strichcode gelesen werden kann – ein einfaches und unmissverständliches Bild und ein Bild, das die Stadtwerker gerne über die Rheinschleifen in die Stadt schicken. Überzeugend ist dabei, dass die großen Volumen der Anlage durch die rhythmische Gliederung der Gebäudehülle eine Maßstäblichkeit erhalten, die der Fern- und Nahwirkung angemessen ist.
Als Pendant zum weithin sichtbaren Schornstein des Blocks Emil an der Südseite der Anlage planen kadawittfeldarchitektur auf der Nordseite ein großes Fenster zur Stadt. Der Rahmen, der den 63 m hohen Schornstein komplett einhaust, wird um 15 Grad aus der Gebäudeachse gedreht, sodass er sich mit einer großen Glasfläche der Stadt zuwendet. In diesem Fensterrahmen sehen die Architekten Terrassen auf verschiedenen Ebenen vor, die es Besuchern ermöglichen, das Innere des Kraftwerks einzusehen und über die Stadt zu blicken. Von der Stadtseite aus wirkt der Rahmen am Kopf der Anlage wie ein Portal. Die Entscheidung sei nicht nur aus optischen Gründen auf kadawittfeldarchitektur gefallen, sagte Rainer Pennekamp, Vorstandsmitglied der Stadtwerke Düsseldorf. Vor allem das in Richtung Innenstadt leicht abgewinkelte Stadtfenster dokumentiere, wem die umweltschonend erzeugte Energie dienen soll: den Menschen und den Unternehmen in Düsseldorf und der Region.
Gutachterverfahren
ein 1. Rang und beauftragt kadawittfeldarchitektur, Aachen; Harald Päßler, Tragwerk Peters Schüßler Sperr, Ingenieurbüro für Bauwesen; Oswin Nikolaus, Lichtplanung/Lichtgestaltung | ein 1. Rang Grimshaw Architects, London; Kirsten Lees; Shonn Mills, Ramboll; Nick MacLiammoir, Lichtplanung, Arup | Anerkennung Bothe Richter Teherani, Hamburg; Realities:united, Berlin; Ingenieurgesellschaft Ridder und Meyn, Berlin; Ingenieurbüro Dr. Binnewoes, Hamburg | Anerkennung Structurelab, Düsseldorf; Licht Kunst Licht AG; DS-Plan Advanced Building Technologies
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