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Entwurf oder Sozialarbeit?

Auf der Suche nach dem Sinn beim 16. Berliner Gespräch des BDA

Text: Rumpf, Peter, Berlin

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Torben Eskerod

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Torben Eskerod


Entwurf oder Sozialarbeit?

Auf der Suche nach dem Sinn beim 16. Berliner Gespräch des BDA

Text: Rumpf, Peter, Berlin

Auch diesmal wollten sie wieder das ganz große Rad drehen. Nachdem man sich im Jahr zuvor auf die Suche nach der besten aller Welten, genauer nach „Vorteil und Nutzen der Utopie“, gemacht hatte – und nur bedingt fündig wurde –, fragte der BDA beim 16. Berliner Gespräch: „Was soll Architektur?“
Einer der geladenen Referenten, der Berliner Architekt und frisch gekürte Träger des „Großen BDA-Preises“, Volker Staab, merkte dazu an, dass er nicht sicher sei, ob es sich um eine Frage- oder eher eine Infragestellung handelt. Dabei ist er einer, der sich mit handfesten Architekturen längst einen Namen machen konnte, ohne abzuheben oder sich als Teil des internationalen Star-Clubs zu sehen. An diesem langen Samstag Anfang Dezember bezog er eindeutig Stellung in der sich schnell abzeichnenden Alternative, ob denn ein Architekt heute nicht in erste Linie Sozialarbeiter und weniger Entwerfer zu sein hat: „Wir kommen immer irgendwann an den Punkt, wo wir formal entscheiden müssen.“
Mit seinem Bekenntnis zur Form blieb Volker Staab nahezu allein im Sextett der auftretenden Kollegen. Der ebenfalls in Berlin arbeitende und in Nürnberg lehrende Arno Brandlhuber beteuerte, dass sich die Gestalt seiner Gebäude nie vom Ästhetischen her entwickele, sondern ausschließlich aus den äußeren Bedingungen ergebe. „Das Bild entsteht.“ Und die Bedingungen sind Grundstück, Nutzung, vorgefundene Keller und/oder Brandwände, Verschattung, Nachbarn, vor allem aber: möglichst wenig Geld. „Das Bauen muss billiger werden“, damit es seine sozialen Pflichten breiter gestreut und besser erfüllen könne. Deshalb verwendet Brandlhuber rohen Beton, Polycarbonatplatten als Fassade und unfertigen Ausbau wie bei seiner Baulückenschließung an der Brunnenstraße in Berlin (Bauwelt 47.09).
Noch „bescheidener“ geht der Tiroler Hermann Holzknecht im Ötztal vor. In dieser vom Tourismus mit baulichen Scheußlichkeiten heimgesuchten Landschaft zieht er sich mit seinen Aufgaben auf die Almen zurück, wenn er in 2000 Meter Höhe, sozu­sa­gen über den verbauten Niederungen, einfache tra-ditionelle Almgehöfte zum Vermieten um- oder zu Jausenstation ausbaut. Seine Frage ist: Wie kommen wir mit weniger aus? Womit er keineswegs nur Geld und Material im Auge hat.
Lebensberatung in St.Pauli
Ebenfalls der dienenden Basisarbeit verpflichtet fühlt sich – wenn auch in anderer Funktion – Jesko Fezer, Architekt, Autor, Buchhändler, Künstler und Professor für experimentelles Design an der HfbK Hamburg. Mit seinen Studenten begibt er sich unter die „einfachen Leute“ im Problembezirk St. Pauli und bietet in öffentlichen Sprechstunden Beratung aller Art, also Lebensberatung, an. „Architektur soll Fragen aufwerfen und Konflikte lösen.“
Von Konflikten, besonders denen mit der Wiener Denkmalschutzbehörde, wusste Gabu Heindl zu berichten. „Man muss sich die Hände schmutzig machen“, heißt ihr Selbstverständnis, wenn sie sich mit ihren Studenten an die „Vermessung der Stadt“ macht. Mit interdisziplinären Aktionen und in bekennend subversiver Weise legt sie zum Beispiel die braune Vergangenheit in Wien oder Linz in und an Gebäuden frei oder macht auf die Situation in Haftanstalten aufmerksam, indem sie in einem engen Gefängnishof ein „bambini-großes“ Fußballfeld anlegt.
An diesem unteren Ende professioneller Selbstfindung angekommen, erscheint die Frage, was soll Architektur, in einem anderen Licht. Hier sieht sich der Architekt/die Architektin als Korrektiv einer sozialen Entwicklung, als die Gesellschaft ändern wollend, wenn nicht gar als „Retter der Welt“ (DAZ-Kurator Matthias Böttger). Anders formuliert: Für Gabu Heindl zum Beispiel ist Gerechtigkeit ein vorrangiges Kriterium der Architektur, dann erst kommen Funktion, Kosten, Nachhaltigkeit und ganz zum Schluss die ästhetische Qualität. Michael Frielinghaus, Präsident des BDA, nannte in seiner Begrüßung Architektur ein Lebensmittel. Man tritt ihm nicht zu nahe, wenn man annimmt, dass er in seiner Sicht auf die Aufgabe des Architekten nicht so weit gehen würde wie Heindl oder Fezer. Und die Standesvertreter im Auditorium mehrheitlich wohl auch nicht. Sonst könnte sich bald die Frage stellen: Was soll das Berliner Gespräch? 

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