Etwas mehr Stadt
Oranienburg plant eine neue Siedlung neben der Weißen Stadt
Text: Crone, Benedikt, Berlin
Etwas mehr Stadt
Oranienburg plant eine neue Siedlung neben der Weißen Stadt
Text: Crone, Benedikt, Berlin
Wohin ziehen junge Familien, die aus der Groß- in die Kleinstadt wollen, aber keine Lust aufs Einfamilienhaus haben? In Oranienburg, im Nordwesten von Berlin, könnten sie in einem Wohnquartier fündig werden, das in direkter Nachbarschaft zur 30er-Jahre-Siedlung „Weiße Stadt“ entstehen soll.
Der Run auf die Großstadt geht auch an der Kleinstadt nicht vorbei – solange die Kleinstadt im Speckgürtel von Köln, Hamburg oder München liegt. Westlich von Berlin, in Falkensee, stieg die Einwohnerzahl von 2000 bis 2011 um 21 Prozent, im benachbarten Teltow sogar um 28,6 Prozent. Auch Oranienburg wuchs leicht (s. Interview). Die Brandenburger Kleinstadt klemmt sich an die nordwestliche Peripherie der Bundeshauptstadt. Hier kamen im letzten Jahrzehnt 2000 zu den 40.000 Bewohnern hinzu. Viele von ihnen stammen aus Berlin, weiß Christian Kielczynski, Leiter des örtlichen Stadtplanungsamtes. Freie Flächen und niedrige Bodenpreise locken Unternehmen wie auch Menschen in die Stadt. „Fürs eigene Haus gibt’s hier den Quadratmeter ab 50 Euro – in Falkensee oder Potstdam undenkbar!“, sagt Kielczynski. Und: Pendler schaffen es mit der Regionalbahn in 25 Minuten zum Berliner Hauptbahnhof und mit der S-Bahn in 40 Minuten zur Friedrichstraße.
Die oft jungen Familien sollen künftig ein städtisches Zuhause jenseits flächenfressender Einfamilienhäuser mieten können. Deshalb lobte Oranienburg 2012 einen Wettbewerb für eine neue Wohnsiedlung aus, der nun mit dem Wiener Büro Superblock als Sieger zu Ende ging. Vier der zehn Teilnehmer waren gesetzt, die anderen mussten durch ein offenes Auswahlverfahren. Ein insgesamt 23,8 Hektar großes Areal galt es mit einem Mix aus Gebäudetypen zu beplanen – für einen „jungen, dynamischen und experimentellen Stadtteil“, wie Christian Kielczynski hofft. Ein Quartier mit neuen Klima- und Energiemodellen, das frischen Wind nach Oranienburg bringen soll. Die Stadt will mit der Siedlung aber auch eine Lücke füllen, die zwischen bunten Einfamilienhäusern im Norden, DDR-Platte im Osten und der Siedlung Weiße Stadt im Süden klafft. Vor allem die vom Bauhausschüler Walter Tralau 1936–37 für die Arbeiter der Heinkel-Flugzeugwerke entworfene Siedlung soll aus dem Oranienburger Abseits an die Innenstadt getackert werden. Ihre 18 Blöcke ziehen sich geradlinig nach Norden, mit einer Biegung am Südende. Zwischen den Zeilen liegen breite Grünflächen, auf denen Bewohner tagsüber Wäsche trocknen und abends den Grill anwerfen.
Nördlich der Weißen Stadt planen die Wettbewerbssieger Superblock einen Dorfanger, der vom Oranienburger Kanal im Osten zu einem neuen Quartierszentrum, genannt „Weißes Haus“, im Westen reichen soll. Geschosswohnbauten umschließen die Grünzone im Norden und geben den Takt für die Bebauung des dahinter liegenden Wohngebiets vor. Dort und westlich der Weißen Stadt plant das Wiener Büro Stadt- und Reihenhäuser, die, mit Fuß- und Radwegen vernetzt und zu Bocks angeordnet, Grünflächen umrahmen. Die Bebauung am Anger ist dichter und lockert zum Rand des Gebiets auf. Zudem schlagen die Architekten vor, die Nordkante der Weißen Stadt als Lärmschutz gegen die viel befahrene Walther-Bothe-Straße zu schließen. Fast alle anderen Teilnehmer ließen die Finger von der Siedlung – auch wenn sie nicht unter Denkmalschutz steht: Eine Beplanung der Siedlung wurde in der Auslobung nicht verlangt.
Dafür überträgt SMAQ (2. Preis) die Zeilenbebauung der Weißen Stadt und die in den Augen des Berliner Büros „wohlproportionierten Straßenräume der 30er Jahre“ auf das neue Quartier. Die Jury überzeugten die Geschossbauten entlang der Walther-Bothe-Straße und die Gestaltung der Reihen- und Doppelhäuser. Allerdings fehle den Grünbereichen der „räumliche Zusammenhang“. Anders als alle anderen würden es GSP Architekten machen. Die Münchner planten in sich abgeschlossene „Wohncluster“, die bewusst einen Kontrapunkt zu den Zeilen der Weißen Stadt bilden sollen – und erhielten dafür eine Anerkennung. Das beabsichtigte Gesamtbild lasse sich aber nur unter einer sehr restriktiven Planungspolitik realisieren, bemängelte die Jury.
Seit Daniel Libeskind in den Neunzigern einen Wettbewerb zur Bebauung des SS-Kasernenareals neben dem KZ Sachsenhausen gewann, aber an der Denkmalpflege scheiterte (Heft 14.2001), hat sich Oranienburg nicht mehr an Wettbewerbe getraut. „Weil die Angst da war, es kommen Planer und Architekten aus aller Welt, die zeigen, was sie können, und am Ende müssen wir die Suppe auslöffeln“, sagt Kielczynski. Diesmal sei die Stimmung gut, meint der Amtsleiter. Diesmal ist er zuversichtlich, dass dem Wettbewerb auch die Ausführung folgt. Die steigende Wohnungsnachfrage am Rande Berlins könnte ihm Recht geben.
Nichtoffener, städtebaulicher Wettbewerb
1. Preis SUPERBLOCK, Wien
2. Preis SMAQ – Architecture Urbanism Research, Berlin
Anerkennung GSP Architekten, München
2. Preis SMAQ – Architecture Urbanism Research, Berlin
Anerkennung GSP Architekten, München
Weitere Teilnehmer: Studio Wessendorf und atelier loidl, Berlin; Dogma Architecture and Urban Design, Brüssel; Petersen Pörksen Partner, Hamburg; Raumwerk, Frankfurt a.M.; Yellow Z, Berlin
0 Kommentare