Fiktion als Kulisse
Der Künstler Hans Op de Beeck in Hannover
Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig
Fiktion als Kulisse
Der Künstler Hans Op de Beeck in Hannover
Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig
Skulptur-Environments nennt der belgische Künstler Hans Op de Beeck seine opulenten Installationen, die sich mit Stadt, Architektur und Interieur auseinandersetzen. Der Kunstverein Hannover widmet ihm zurzeit die erste Einzelausstellung in Deutschland und zeigt neben den Environments seine Videos und großformatigen Aquarelle.
Op de Beeck, der 1969 in Turnhout geboren wurde und heute in Brüssel lebt, geizt mit weiteren biografischen Daten, erzählt aber sehr unterhaltsam zum Beispiel davon, wie er während des Malerei-Studiums, gelangweilt von der flachen Textur, zum dreidimensionalen Objekt fand. Seine erste Produktion „Location (1)“ datiert aus dem Jahr 1998, sie zeigt in bestem Modelleisenbahn-Naturalismus eine nächtliche Straßenkreuzung. Die Landschaft ist gefroren, die Kreuzung menschenleer; nur die Ampelanlage arbeitet ebenso zuverlässig wie absurd, sie steuert stoisch selbst noch das Nichts: die Erfahrung einsamer Autofahrten in der Nacht.
Dem stellt Op de Beeck seine begehbare „Location (7)“ zur Seite. Über eine schmale Treppe erreicht man ein höher gelegenes, winziges Zimmer, in dem jemand bescheiden zu leben scheint. Gegenüber dem Sofa öffnet sich das Panorama auf einen tiefer gelegenen Garten. Ein monumentaler Springbrunnen und die Reste eines Sommerfests sind von einer kruden Mauer aus Betonfertigteilen umschlossen. Mit dieser Art von lächerlichen flämischen Gärten sei er aufgewachsen, sagt Op de Beeck, er respektiere sie aber als Versuche, das kleine eigene Paradies zu inszenieren. Über Interieur und Garten liegt ein grauer Schleier, wie Zementstaub – eine Referenz an Pompeji und somit ein konservierender Zeitschnitt durch die mentale Verfasstheit einer Gesellschaft, verstärkend untermalt von elegischen Klavierpassagen.
Op de Beecks Werk, das er mittlerweile mit fünf Assistenten umsetzt, wird von einem Gestus des Getragenen und Monumentalen bestimmt, vorrangig in dunkle Bilder getaucht. Die spontane Faszination für die Arbeiten verliert sich beim Rundgang in Hannover leider mit der Masse des Gezeigten. Im letzten Raum läuft das aufwendige, halbstündige Video „Sea of Tranquility“ aus dem Jahr 2010, das die synthetische Welt auf einem Riesenkreuzfahrtschiff imaginiert. Filmaufnahmen und 3D-Animationen konstruieren in perfekten Bildern ein hermetisches Luxusleben zwischen Restaurants, permanentem Shopping und bordeigener Schönheitschirurgie – der Film verbleibt
jedoch zu affirmativ, um bis zum Ende fesseln zu können.
Stattdessen geht man lieber noch einmal ein paar Räume zurück zu den Low-Budget-Videos. 2011 war der Künstler nach Buenos Aires eingeladen und traf dort Menschen, die in Favelas leben. Die beiden thematischen Fallen Exotismus und Betroffenheit mied er, filmte stattdessen ein vitales Familienfest auf der Dachterrasse eines bescheidenen Hauses. Das kurze Video „Celebration (2)“ reiht sich nun ein in seine Serie weiterer (europäischer) Familienrituale wie Hochzeiten und Beerdigungen. Bereits 2009 entstand der 22-Minüter „Staging Silence“. Vor frontal starrer Kamera lässt Op de Beeck flinke Hände mit spielerischer Leichtigkeit immer wieder neue Mini-Kulissen aufbauen. Silberne Thermoskannen werden zu Hochhäusern, Wattebäusche an horizontalen Schnüren zu Wolkenformationen, Pappfassaden werden ins Bild geschoben und dienen wahlweise als Innen- oder Außenszenerien, alles in abstrahierendem Schwarz-Weiß gedreht. Das erinnert an Filmsets von Fellini und ist geistreich vorgeführte Fiktionsbrechung mit minimalem finanziellem und optimalem konzeptionellem Einsatz.
Dem stellt Op de Beeck seine begehbare „Location (7)“ zur Seite. Über eine schmale Treppe erreicht man ein höher gelegenes, winziges Zimmer, in dem jemand bescheiden zu leben scheint. Gegenüber dem Sofa öffnet sich das Panorama auf einen tiefer gelegenen Garten. Ein monumentaler Springbrunnen und die Reste eines Sommerfests sind von einer kruden Mauer aus Betonfertigteilen umschlossen. Mit dieser Art von lächerlichen flämischen Gärten sei er aufgewachsen, sagt Op de Beeck, er respektiere sie aber als Versuche, das kleine eigene Paradies zu inszenieren. Über Interieur und Garten liegt ein grauer Schleier, wie Zementstaub – eine Referenz an Pompeji und somit ein konservierender Zeitschnitt durch die mentale Verfasstheit einer Gesellschaft, verstärkend untermalt von elegischen Klavierpassagen.
Op de Beecks Werk, das er mittlerweile mit fünf Assistenten umsetzt, wird von einem Gestus des Getragenen und Monumentalen bestimmt, vorrangig in dunkle Bilder getaucht. Die spontane Faszination für die Arbeiten verliert sich beim Rundgang in Hannover leider mit der Masse des Gezeigten. Im letzten Raum läuft das aufwendige, halbstündige Video „Sea of Tranquility“ aus dem Jahr 2010, das die synthetische Welt auf einem Riesenkreuzfahrtschiff imaginiert. Filmaufnahmen und 3D-Animationen konstruieren in perfekten Bildern ein hermetisches Luxusleben zwischen Restaurants, permanentem Shopping und bordeigener Schönheitschirurgie – der Film verbleibt
jedoch zu affirmativ, um bis zum Ende fesseln zu können.
Stattdessen geht man lieber noch einmal ein paar Räume zurück zu den Low-Budget-Videos. 2011 war der Künstler nach Buenos Aires eingeladen und traf dort Menschen, die in Favelas leben. Die beiden thematischen Fallen Exotismus und Betroffenheit mied er, filmte stattdessen ein vitales Familienfest auf der Dachterrasse eines bescheidenen Hauses. Das kurze Video „Celebration (2)“ reiht sich nun ein in seine Serie weiterer (europäischer) Familienrituale wie Hochzeiten und Beerdigungen. Bereits 2009 entstand der 22-Minüter „Staging Silence“. Vor frontal starrer Kamera lässt Op de Beeck flinke Hände mit spielerischer Leichtigkeit immer wieder neue Mini-Kulissen aufbauen. Silberne Thermoskannen werden zu Hochhäusern, Wattebäusche an horizontalen Schnüren zu Wolkenformationen, Pappfassaden werden ins Bild geschoben und dienen wahlweise als Innen- oder Außenszenerien, alles in abstrahierendem Schwarz-Weiß gedreht. Das erinnert an Filmsets von Fellini und ist geistreich vorgeführte Fiktionsbrechung mit minimalem finanziellem und optimalem konzeptionellem Einsatz.
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