Bauwelt

Französische Botschaft

Das Haus mit den Anspielungen

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

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Foto: Noelle Hoeppe

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Französische Botschaft

Das Haus mit den Anspielungen

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

Bei der im November letzten Jahres fertiggestellten Französischen Botschaft in Peking verschmelzen mit den Worten des Architekten Alain Sarfati Traditionen chinesischer und französischer Architektur. Das Ergebnis ist eine schwer zu erklärende Addition unterschiedlicher Interpretationen.
Durch eine zufällige Begegnung mit Alain Sarfati ergab es sich Ende Juni, dass mir das Tor der neuen Französischen Botschaft in Peking für eine Besichtigung in Begleitung des Architekten offen stand. Gerne nahm ich die Chance wahr, das Gebäude kennenzulernen, und wurde durch den Architekten gleich zu Beginn mit einer Fülle von erstaunlichen Gedanken konfrontiert, die ihm während der Entwurfsphase wichtig waren.
Beim Eintritt in den ersten Hof hinter der Schutzmauer steht man zunächst vor einer zweigeschossigen Front mit sonderbar zugeschnittenen Einfassungen für die unterschiedlich großen Fensteröffnungen. Deutlich davon abgesetzt und mit einer Lamellenhaut verkleidet, erheben sich darüber weitere Gebäudeteile. In den Augen des Architekten ist der untere Fassadenbereich als schützender Sockel zu betrachten, wie er in der chinesischen Bautradition vorkommt. Auch die Palastbauten der Verbotenen Stadt im Herzen von Peking stehen auf einem hohen, schützenden Sockel und setzen sich durch ihre Gestalt deutlich von diesem ab. Beides zusammen symbolisiert Erde und Himmel. Dieses Thema eines Spannung erzeugenden Kontrastes sieht der Architekt bei seinem Botschaftsgebäude in anderer Form interpretiert. Die großen grauen „Granitblöcke“ des Sockelgebäudes sind aber nur zwei Zentimeter dicke Platten mit einem Alu-Aufhängesystem. Der berüchtigte Pekinger Feinstaub hat hier bereits deutliche Spuren hinterlassen und sich besonders in den unpräzisen Fugen festgesetzt. So ist der Eindruck einer einheitlichen grauen Front nach nur wenigen Monaten schon etwas verloren gegangen.
Im Inneren wollte der Architekt ebenfalls Bilder aus der Verbotenen Stadt verarbeiten. Schon im Vorraum zur Kanzlei oder zur Residenz ist es ziemlich schummrig. Dunkle Holztäfelung an den Wänden und dunkelgrauer Granit am Boden bestimmen die Foyers. Nur wenige, dafür aber sehr markante Öffnungen bieten Ausblicke. Auch der Kaiser befand sich im offiziellen Bereich immer in einem abgedunkelten Raum mit wenigen großen Fensteröffnungen, wie man es beim Besuch der historischen Prachtbauten, vor allem im Thronsaal, noch gut erleben kann. Und noch etwas soll beim Entwurf wichtig gewesen sein: die klare Achse der Abfolge der Paläste mit ei­nem seitlichen „Labyrinth“ kleinerer Bauten. Hier der Idee des Architekten zu folgen, fällt besonders schwer. 
Hat man das Foyer der Kanzlei oder der Residenz durchquert, gelangt man in den zentralen Innenhof, der auf drei Seiten von Gebäuden umfangen wird. Um diesen Hof zu komplettieren, wurden als Pendant zu den Sitzungssälen im Erdgeschoss der Kanzlei vier Gewächshäuser angelegt, die aber noch nicht genutzt werden. Damit nicht genug. In Bezug auf das Konzept des Ineinandergreifens der Innenräume höre ich aus dem Munde des Architekten große Namen: Scharoun, Aalto, Kahn – alles vermengt als „metaphorische Architektur“. Beim sorgsam mit Büschen und Baumreihen bepflanzten Innenhof suchte Alain Sarfati eine Verbindung zum Jardin du Palais Royal in Paris. Auch hier im Grünen wollte er dem Gastland seine Ehre erweisen, indem er Gewächse aus beiden Ländern miteinander „verschmolz“. Als Ort der Ruhe mag der Hof auf chinesische Gäste eine große Faszination ausüben.
Auf der Südseite befindet sich der achtgeschossige „Turm“ mit den Büros. Hier wählte der Architekt eine kostbare goldfarbene Fassadenhaut zum Hof und erklärt dies damit, dass sich im Dachgeschoss direkt gegenüber die Privaträume der Residenz befinden. Blicke sind hier unerwünscht. Da das Botschaftsgebäude in einiger Entfernung von Hochhäusern umgeben ist, war es Sarfati außerdem wichtig, dass dem Besucher im Hof die wirkliche Größe des Gebäudes „verschleiert“ wird. Es wirkt für ihn dadurch größer. Die Farbe Gold erinnert wiederum an die Kaiserpracht der Verbotenen Stadt. Das unregelmäßig gewölbte Glas dieser Konstruktion war von den Kosten her kein Problem. China exportiert inzwischen diese Art Glas in alle Welt. Ursprünglich war geplant gewesen, dass sich die vorgesetzte Hülle wie ein Paravent öffnen lässt. Hinter der Hülle mit einer tragenden Rundrohrkonstruktion liegt eine Pufferzone, die die gesamte Gebäudehöhe einnimmt – als natürliche Durchlüftungszone vor der eigentlichen Bürofassade. Die hier vorgesehene Begrünung fehlt noch, so wirkt der Raum leer und abweisend. Auch das in hellem Holz ausgestaltete Café im Erdgeschoss ist noch nicht in Betrieb genommen worden.  
Zu alledem hat der Architekt bei den Fenstern im Hof kleine bunte Sichtschutzelemente hinzugefügt. Sie sollen an die farbigen Fischerboote an der französischen Atlantikküste erinnern, die ihm seit Kindestagen vertraut sind. Diesmal gibt es keinen Verweis auf die Palastanlagen, und doch könnte man einen Bezug zum Architrav und zu den Balkenköpfen der Paläste herstellen. Denn nach der Restaurierung für die Olympischen Spiele 2008 erstrahlen sie in bunten Farben wie neu. 
Unabhängig von diesen vielen Eindrücken hat die Abteilung „Décoration“ des Französischen Außenministeriums das Gebäude zusätzlich innen „komplettiert“. Die Ausstattung der repräsentativen Räume fand ohne Mitwirkung des Architekten statt. Das Anliegen von Alain Sarfati, seine Architektur mit kräftiger Symbolik auszudrücken, führt zu einem Stückwerk von begrenzter Lesbarkeit. Für die chinesischen Gäste, die inzwischen durch viele Einflüsse an eine symbolisch aufgeladene Bilderflut gewöhnt sind, mag der Eindruck ein ganz anderer sein. 
Fakten
Architekten Sarfati, Alain, Paris
aus Bauwelt 29.2012
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