Frauen vor Stadtlandschaft
Ute und Werner Mahlers Vorstadt-Monalisen
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Frauen vor Stadtlandschaft
Ute und Werner Mahlers Vorstadt-Monalisen
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Ein Hocker mit Kopfstütze und eine Postkarte der Mona Lisa – das sind die Requisiten, die die Berliner Fotografen Ute und Werner Mahler auf ihre Reisen nach Minsk und Florenz, Liverpool und Reykjavik, nach Berlin-Marzahn und in die Gropiusstadt eingepackt haben, um „Frauen vor rätselhaften Landschaften“ zu porträtieren, wie Wolfgang Kil ihr Unternehmen im Nachwort des Buchs „Monalisen der Vorstädte“ tituliert, das aus dieser Serie entstanden ist.
Frauen vor rätselhaften Landschaften, aber auch Frauen im Werden: nicht mehr Mädchen, noch nicht Frau; in jenem kurzen Moment des Dazwischen also getroffen, der ihrer Erscheinung diese Aura des Rätselhaften, Mehrdeutigen, Unscharfen verleiht. Damit ähneln sie dem, was im Hintergrund der Porträts, aber auch in einzelnen Stadtansichten, die der Serie zugehören, mal mehr, mal weniger deutlich zu sehen ist. Denn die Mahlers sind den „Kindfrauen“, wie man diese Wesen früher zu bezeichnen pflegte, in den Randzonen der fünf Städte begegnet; in teils schon wieder aufgegebenen, teils gerade erst im Entstehen begriffenen Quartieren; in einer Umgebung also, die noch nicht oder nicht mehr „Stadt“ ist, aber auch nicht mehr oder noch nicht wieder „Landschaft“.
Aber was ist heute Stadt, was Landschaft? Die Klarheit darüber ist uns mehr und mehr abhanden gekommen; die Schärfe der Begriffe und Vorstellungen hat sich verwischt. Und so überrascht es nicht, dass die Vorstadt-Monalisen als Beitrag der Mahlers zum Thema „Die Stadt – vom Werden und Vergehen“ entstanden sind, dem Projekt der Agentur Ostkreuz zu jenem ungewissen Datum im Jahr 2008, seit dem erstmals mehr Menschen in der Stadt als auf dem Land lebten (Bauwelt 17–18.10). Das Tollste an dieser Serie ist, dass die Fotografen offen lassen, ob und wie die Lebensrealität „Stadtlandschaft“ die Menschheitsmehrheit prägt. Und dass sie damit auch die gemeinhin mit diesen eher übel beleumdeten Randzonen verbundenen Assoziationen in Frage stellen: Mag man die multipel gepiercten, kajalgeschwärzten Konturen der Liverpudlians noch mühelos mit ihrem ziemlich abgewirtschafteten Umfeld kurzschließen, können es die in Reykjavik oder Florenz Porträtierten an Stolz und Würde locker mit jeder Renaissance-Signorina aufnehmen, die derzeit vor dem Bodemuseum die Besucher Schlange stehen lässt. Palast oder Plattenbau, Zentrum oder Peripherie, Sonne oder Finsternis – in Berlins Mitte, wo die Vorstadt-Monalisen in der Galerie Dittrich & Schlechtriem ausgestellt sind, liegen die Zuschreibungen zur Zeit zum Verwechseln dicht beieinander.
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