Bauwelt

Geschichtete Zeit

Archäologisches Besucherzentrum in Berlin

Text: Landes, Josepha, Berlin

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1. Preis: Florian Nagler Architekten, Christina Kautz Landschaftsarchitekten

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1. Preis: Florian Nagler Architekten, Christina Kautz Landschaftsarchitekten


Geschichtete Zeit

Archäologisches Besucherzentrum in Berlin

Text: Landes, Josepha, Berlin

Der Petriplatz war die Keimzelle Berlins. Dort, wo sich im 12. Jahrhundert die Stadt Cölln gründete, soll ein Haus entstehen, das Archäologen Arbeitsräume und Interessierten Informationen bietet.
Gegenwärtig gleicht der Petriplatz in Berlin-Mitte eher einer Gemengelage, denn einem Stadtplatz. Die sechsspurige Gertraudenstraße begrenzt ihn an der einen Längsseite, Blockränder, u.a. mit dem denkmalgeschützten Kaufhaus Hertzog, an der anderen. Auf der Platzfläche stehen drei Bäume, ein Grabungszelt und eine Tafel, die auf das hinweist, was unter der Erde liegt: die Ursprünge Berlins; u.a. die Fundamente von fünf Kirchen, die hier einmal standen – die erste im 13. Jahrhundert gebaut, die letzte im 2. Weltkrieg beschädigt und 1964 abge­rissen. Danach war der Petriplatz Parkplatz.
Im Planwerk Innenstadt entschied der Berliner Senat 1999, den Petri-Parkplatz in einen Petri-Stadtplatz zurück zu verwandeln, gesäumt von Wohnbauten mit Geschäften im Erdgeschoss, wie es 2004 beschlossen wurde. Doch vier Jahre später legten Archäologen überraschend die Grundmauern einer Lateinschule aus dem 13. Jahrhundert und zahlreiche Gräber frei. Daraufhin wurde das Platzkonzept geändert, die Befunde sollen nun sichtbar bleiben, ein Haus für Archäologen und Interessierte künftig diesen Ur-Berliner Platz markieren.
Ein Arbeitshaus, kein Museum
Im vergangenen Jahr wurde ein Wettbewerb für ein sogenanntes Archäologisches Besucherzentrum ausgelobt. Es ist nicht als Museum gedacht, sondern vielmehr als Arbeitshaus für Archäologen und „gläserne Schauwerkstatt“, in der die Besucher die Tätigkeit der Wissenschaftler verfolgen können – vom Fund der Objekte über deren Untersuchung bis zur Präsentation in der Vitrine oder der Sicherung im Depot. Das Raumprogramm mit einer Nutzfläche von knapp 2640 m² umfasst denn auch vor allem Büros und einsehbare Werkräume, aber auch Platz für Ausstellungen, einen Vortragssaal und ein Café. Ein ganz wichtiger Teil der Aufgabe war die Gestaltung der Freifläche, für die zwei Konzepte gefragt waren. Zwei Konzepte, weil nebenan das sogenannte Bet- und Lehrhaus für Christen, Juden und Muslime geplant ist (Bauwelt 47.12), von dem allerdings noch niemand sagen kann, wann es gebaut wird. Deshalb sollten die Teilnehmer eine Freiflächengestaltung ohne das Bet- und Lehrhaus erarbeiten, und eine mit ihm, dazu jeweils einen „archäologischen Rundgang“, der die historischen Schichten des Platzes verdeutlicht. Außerdem war ein einsehbares Ossarium gewünscht, das die geborgenen Gebeine pietätvoll verwahrt.
Dem Nachbar und der Nutzung angemessen
Unter den 33 eingereichten Arbeiten vergab die Jury (Vorsitz: Günter Pfeifer) vier Preise und drei Anerkennungen. Alle Preisträger machen die historischen Schichten durch Höhenunterschiede zwischen Stadt-, Gebäude- und Grabungsebene sichtbar, definieren aber den Bezug der Besucher zum historischen Fund jeweils unterschiedlich: Bruno Fioretti Marquez und Vogt (4. Preis) legen den Platz 2,5 Meter tiefer als die Straße, sodass er das Archäologische Besucherzentrum zu unterspülen scheint und die Besucher in die Geschichte eintauchen lässt. Max Dudler und Loidl (3. Preis) entwickeln vier, durch Rampen miteinander verbundene Platz­niveaus, auf denen die Besucher die Etappen der Geschichte durchstreifen können. Das Freiraumkonzept der Wettbewerbssieger Florian Nagler und Christina Kautz hingegen wirkt städtebaulich einfach und ruhig, was der Jury sehr gefiel. Sie spannen 1,5 Meter über dem Straßenniveau einen ebenen Platz zwischen dem Archäologischen Besucherzentrum und dem künftigen Bet- und Lehrhaus auf. Dieser verbindet, „mit Rampen und Treppen spannend erschlossen“, die Gebäude zu einem Ensemble. In den Boden eingelassene Scheiben gewähren, eher distanziert, Blicke auf den Befund.
Bei der Gestaltung des Besucherzentrums mussten die Teilnehmer vor allem zwei Fragen beantworten: Welche Architektursprache ist angemessen für ein Haus, in dem in erster Linie geforscht und vermittelt wird? Und wie verhält sich der Bau zum siegreichen Wettbewerbsentwurf für das Bet- und Lehrhaus von Kühn Malvezzi (Bauwelt 47.12)? Während Max Dudler (3. Preis) eine Art Gerüst aufstellt, mit dem er sich auf das Raumgitter bezieht, das Archä­ologen zur Kartierung ihrer Funde dient, formulieren Bruno Fioretti Marquez (4. Preis) einen Betonblock mit Lochfassade und unterschiedlichen Fensterformaten, der scheinbar über den Ausgrabun­gen schwebt. Florian Nagler (1. Preis) bezieht sich mit einer Arkade im obersten Geschoss und einer im Erdgeschoss zwar auf den Entwurf für das Bet- und Lehrhaus, stellt sich aber nicht dazu in Konkurrenz. 
Der Bau soll im nächsten Jahr beginnen. Die Gesamtbaukosten werden derzeit auf 15,5 Mio Euro geschätzt.
Nichtoffener Wettbewerb
1. Preis Florian Nagler Architekten, München; Christina Kautz Landschaftsarchitektur, Berlin | 2. Preis AFF architekten, Berlin; Bernard und Sattler Landschafts­architekten, Berlin | 3. Preis Max Dudler, Berlin; Atelier Loidl Landschaftsarchitekten Partnergesellschaft, Berlin | 4. Preis Bruno Fioretti Marquez Architekten, Berlin; Vogt Landschaftsarchitekten, Zürich | Anerkennung Nieto Sobejano Arquitectos, Berlin; Planorama Landschaftsarchitektur, Berlin | Anerkennung Kuehn Malvezzi, Berlin; Mettler Landschaftsarchitektur, Berlin | Anerkennung Peter Kulka Architektur Köln GmbH, Köln; Rehwaldt Landschafts­architekten, Dresden
Fakten
Architekten Nagler, Florian, München; Kautz, Christina, Berlin; Dudler, Max, Berlin; Atelier Loidl Landschaftsarchitekten Partnergesellschaft, Berlin; Bruno Fioretti Marquez Architekten, Berlin; Vogt Landschaftsarchitekten, Zürich
aus Bauwelt 6.2013
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