Gestapelte Brache in Hannover
Niederländischer Expo-Pavillon
Text: Ballhausen, Nils, Berlin
Gestapelte Brache in Hannover
Niederländischer Expo-Pavillon
Text: Ballhausen, Nils, Berlin
Der Niederländische Pavillon gehörte mit seinen „gestapelten Landschaften“ zu den populärsten Bauten der Weltausstellung 2000. Seit zwölf Jahren wartet er auf Nachnutzer. Warum eigentlich?
Der Niederländische Expo-Pavillon hat Fachleute wie Laien fasziniert, seit das Konzept der „gestapelten Landschaften“ von MVRDV 1997 publik wurde. Während der Weltausstellung durchwanderten 2,8 Millionen Menschen Dünen und Blumen, Wald und Meer, aufgeschichtet am östlichen Rand des Messegeländes von Hannover. So sah damals aufgeklärtes Fortschrittsdenken aus, abstrakt, spielerisch, übersetzt in ein unverwechselbares Raumgefüge – eine durchaus glaubhafte Re-präsentanz der künstlichen Landschaft Niederlande. Jacob van Rijs, Partner von MVRDV, sagt heute: „Weltweit werden gegenwärtig Gebäude mit Konzepten realisiert, die ein Stückchen Natur integrieren. In dieser Hinsicht hat unser Expo-Pavillon sicher neue Impulse gegeben.“
Wer so viel Beton anrührte, statt einen demontierbaren Messebau aufzustellen, musste die Sache ja irgendwie ernst meinen. Die Massivität der Konstruktion scheint aber zugleich auch ein Problem für die weitere Verwendung zu sein. „Der Pavillon“, führt van Rijs aus, „ist ja beides, sowohl permanent, als auch flexibel: Das Geschoss oberhalb der Waldebene hätte für einen Umbau nach der Expo weggenommen werden können“, erläutert er. „Das war eine Bedingung, um die enorme Höhe von 47 Metern durchzusetzen.“
Im Jahr 2002 verkaufte die niederländische Betreibergesellschaft den Pavillon an die „REnergy Forum Verwaltungs GmbH“ des Hannoveraner Unternehmers Heinrich Körper. Das Abrissbudget in Höhe von gut 450.000 Euro übergab sie dem neuen Eigentümer mit der Auflage, das Gebäude binnen fünf Jahren zu entwickeln. Ein Jahr später kursierten Umbaupläne für ein Zentrum für regenerativen Energien. Dazu hätte das Gebäude von ca. 8000 Quadratmeter Fläche mit einer Glasfassade geschlossen und nach dem Haus-im-Haus-Prinzip mit unterschiedlichen Nutzungseinheiten bestückt werden sollen. Doch das Projekt kam ebenso wenig zustande wie ein Tagungshotel oder eine Shrimpszucht. Lag es an der Wirtschaftsflaute? An der peripheren Lage? Oder machten die Auflagen der Bauaufsicht einen Umbau unprofitabel? Die Pattsituation führte dazu, dass der Pavillon allmählich verwahrloste. 2011 verurteilte ein Hannoveraner Gericht Heinrich Körper zur Rückzahlung der erhaltenen Summe an die ehemalige Betreibergesellschaft.
Die vierzehn Eichenstämme auf der Waldebene seien nach wie vor tragfähig, sagt Olaf Körper, der gegenwärtige Eigentümer. Er hat den Bau 2010 von seinem Vater erworben und zu diesem Zweck die „MagicTower GmbH“ mit Sitz in München gegründet. Im Jahr darauf ließ er Untersuchungen für einen Standsicherheitsnachweis anstellen, damit der Pavillon im Rahmen des internationalen Festivals „Theaterformen“ erstmals wieder öffentlich zugänglich gemacht werden konnte. Die Künstlerin Anna Rispoli kam in ihrer Performance zu dem Schluss: „Der Bau ist nicht tot, er schläft nur.“ Der folgende Versuch von MagicTower, den Pavillon in das staatliche Förderprogramm „Schaufenster Elektromobilität“ zu bringen, schlug allerdings fehl. Olaf Körper sagt: „Ich möchte, dass endlich wieder Leben in das Gebäude kommt. Aber ich stehe inzwischen auch einem Verkauf offen gegenüber.“
Die Stadt Hannover erklärt auf Anfrage: „Für den Holländischen Pavillon wurde wegen der befristeten Antragstellung nur eine (bis 31.12.2000) befristete Baugenehmigung erteilt. Auf eine Rückbauforderung hat die Landeshauptstadt Hannover wegen der gestalterischen Qualitäten des Gebäudes bisher verzichtet. Damit soll auch so lange wie möglich die Option einer Um- oder Neunutzung gewahrt werden. Nach dem heute gültigen Bebauungsplan sind gewerbliche, aber auch kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Nutzungen zulässig.“ Fehlt also nur das richtige Konzept?
„Sicher, wir würden uns gern an der Weiterentwicklung des Gebäudes beteiligen“, sagt Jacob van Rijs. „Der Pavillon ist noch immer ein wichtiger Teil der Arbeit von MVRDV. Unser kürzlich prämierter Entwurf für die Gartenschau Floriade 2022 in Almere enthält vieles von dem, was im Expo-Pavillon angelegt war: ein Blockraster von Gärten, sortiert wie eine Pflanzenbibliothek, und als Nachnutzung eine Art grüne Idealstadt mit einer Universität in Gestalt eines gestapelten Botanischen Gartens.“ Es scheint so, als sei der Expo-Pavillon nur mehr das Gerippe eines Wesens, dessen Seele durch die Welt wandert. „Nach Almere würde er perfekt passen“, sagt van Rijs, „aber ihn zu translozieren wäre viel zu kostspielig. Man würde dort wohl eher eine Kopie bauen.“
Der „falsche“ Ort: Er lähmt die Entwicklung, hat jedoch zu einer ästhetisch überaus reizvollen Ruine geführt. Für den melancholischen Betrachter müsste eigentlich alles genau so bleiben wie es jetzt ist – aber da spielt die Natur nicht mit.
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