Bauwelt

Grenzgänger

Der russische Archi­tekt und Künstler Alexander Brodsky stellt erstmals in Berlin aus

Text: Kil, Wolfgang, Berlin

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Alexander Brodsky, "Grey Room"
Yuri Palmin, 2012

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Alexander Brodsky, "Grey Room"

Yuri Palmin, 2012


Grenzgänger

Der russische Archi­tekt und Künstler Alexander Brodsky stellt erstmals in Berlin aus

Text: Kil, Wolfgang, Berlin

Auf Einladung seiner Kollegen Ortner & Ortner zeigt Alexander Brodsky im „O&O Depot“ unter dem Titel Grey Room einige wenige Arbeiten neueren Datums: ein paar Hausfassaden und Isometrien alter Fabrikkomplexe, aus ungebranntem Lehm auf Maschendraht akribisch modelliert.
Bereits den Grundstein für seinen frühen Ruhm hat Alexander Brodsky als Grenzgänger gelegt. Als Sohn eines Grafikers, Student der Leningrader Kunstakademie und dann des legendären Moskauer Architekturinstituts MArchI gehörte er zu den Jungen Wilden der 80er Jahre, die lieber literarisch versponnene Traumszenen für Wettbewerbe internationaler Architekturmagazine zeichneten, als sich auf eine durch bürokratische Standards „entseelte“ Baupraxis vorzubereiten. Doch während die Freunde aus dem Kreis der Papierarchitekten nach dem Ende der Sowjetunion fast durchweg den Verlockungen neureicher Investorenherrlichkeit erlagen, ging Brodsky für ein paar Jahre nach New York, um dort eine Existenz als Künstler zu erproben. 2000 kehrte er nach Moskau zurück und gründete sein eigenes Atelier, aus dem nicht nur künstlerische Werke und Installationen für Galerien und Großausstellungen (u.a. der Russische Pavillon der Biennale in Venedig 2006), sondern inzwischen auch reale architektonische Raumschöpfungen hervorgehen.

Brodskys oft fragil und improvisiert wirkende Konstruktionen sind auf eine wirklich staunenswerte Weise „beseelt“. Seine aus alten Fensterrahmen collagierte „Wodka-Hütte“, das mit Abrissresten möblierte Souterrain-Café in der Uliza OGI (das leider nur kurz existierte) oder ein Eis-Pavillon, der aus mit gefrierendem Wasser bespritzten Drahtgitter besteht, sind wahre Meisterwerke des Ephemeren. Mit geradezu eigenbrötlerischem Ernst haben sie mehr mitzuteilen als bloß ihren Daseinszweck. Wer hätte für möglich gehalten, dass die blanke Poesie der Papierarchitekten jemals zu solch baulicher Realität finden würde! Allerdings geraten auch Brodsky mit steigendem Budget die Objekte immer trockener und banaler – wieder ein Beweis dafür, dass sich Kunst mit Geld nicht erzwingen lässt.

Nach einer imposanten Ausstellung 2011 im Architekturzentrum Wien (http://www.bauwelt.de/cms/artikel.html?id=3542537) sind nun kleine Werke dieses Grenzgängers erstmalig in Berlin zu sehen. Auf Einladung seiner Kollegen Ortner & Ortner zeigt Alexander Brodsky im „O&O Depot“ unter dem Titel Grey Room einige wenige Arbeiten neueren Datums: ein paar Hausfassaden und Isometrien alter Fabrikkomplexe, aus ungebranntem Lehm auf Maschendraht akribisch modelliert. Aus dem gleichen trüb-grauen Material ein sperriges Interieurmodell, darin wie vergessen Tisch und Stuhl sowie ein fröhlich flackernder (!) Kamin. Dann seitlich in einer Nische noch eine Reihe kleiner Lehmkästchen, die an aufgebrochene Keller voll furchteinflößender Funde denken lassen. Kommentar des Verfassers: „Es geht um Brüchigkeit, um Zeit und Staub.“ Schneller und heilloser war man noch nie in der Grauzone zwischen Architektur und Kunst gefangen.
 
Im Hinterzimmer der Ausstellung werden Brodskys bisher realisierte Bau-Kunst-Werke in den einfühlsamen Bildern seines Hausfotografen Yuri Palmin vorgestellt. Zudem erhält man Einblicke in seine private Sammelleidenschaft, mit der er die endlosen Reihen wüst gebastelter Schuppen, Garagen und Lauben dokumentiert, die jede russische Siedlung umwuchern. In seinen Augen eine neuzeitliche „Volksbaukunst“ voller Phantasie, Wagemut, Poesie – und damit lauter Ermutigungen für den Tüftler und Träumer, der in jeder neuen Aufgabe wieder nur nach der „Seele“ sucht. Und der damit geradezu verloren wirkt in einer Welt, die ihre Vorbilder lieber aus Dubai oder Shanghai bezieht.  
Fakten
Architekten Brodsky, Alexander
aus Bauwelt 4.2013
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