Bauwelt

Hauptsache sicher

Historisches Archiv, Kunst- und Museumsbibliothek in Köln

Text: Winterhager, Uta, Bonn

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1. Preis: Waechter + Waechter

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Hauptsache sicher

Historisches Archiv, Kunst- und Museumsbibliothek in Köln

Text: Winterhager, Uta, Bonn

Im März 2009 gab in der Kölner Severinstraße plötzlich der Boden nach. Das Archiv der Stadt stürzte ein, zwei Menschen starben, viele kostbare Bestände wurden vernichtet. Jetzt wird an anderer Stelle das sicherste Bürgerarchiv Europas geplant. Welche Architektur ist dafür angemessen?
Seit 1972 versteckte sich das Kölner Stadtarchiv in der Severinstraße hinter einer massiven Wand. Was von außen so abweisend wirkte, diente dem natür­lichen Schutz der Bestände vor Klimaschwankungen und ging als „Kölner Modell“ in die Geschichte des Archivbaus ein. Am 9. März 2009 stürzte das Gebäude samt Archivgut plötzlich in sich zusammen, weil bei Tiefbauarbeiten für die neue U-Bahnlinie Fehler gemacht wurden. Gespräche über einen Neubau hatte es schon vor dem Unglück gegeben, die Platzreserven waren seit 1996 aufgebraucht, und auch der bautechnische Zustand entsprach nicht mehr den aktuellen Anforderungen zum Schutz der Archivalien. Doch den Zwang, trotz des knappen Haushalts zu handeln, gab es erst nach dem Einsturz. Ein halbes Jahr später bewilligte der Stadtrat 86 Mio. Euro für den Neubau. Im Februar 2011 lobte die Stadt einen Wettbewerb aus.
Auf den rund 30.000 m² BGF geht es nicht nur um ein neues Haus für die geretteten Archivbestände. Geplant ist ein „kulturelles Schatzhaus“, in dem auch die derzeit auf fünf Standorte verteilte Kunst- und Museumsbibliothek und das Rheinische Bildarchiv unterkommen. Durch die räumliche Konzentration, so hofft die Stadt, können die Institutionen, die bislang eher auf der Schattenseite der Kölner Kulturlandschaft gestanden haben, an Präsenz gewinnen. Für die Leiterin des Historischen Archivs, Bettina Schmidt-Czaia, ist der Neubau zudem eine Chance, endlich die von ihr propagierte Idee eines Bürgerarchivs umzusetzen. Das neue Haus soll sich  Laien wie Wissenschaftlern einladend und offen präsentieren – hinter der abweisenden Magazinfront in der Severinstraße gelang das nie wirklich. Gleichzeitig soll für den Neubau das Kölner Modell, die bewährte selbstregulierende Klimatisierung des Magazins, übernommen werden. Erstens entspricht dies den strengen konservatorischen Anforderungen und zweitens ist es äußerst energieeffizient zu betreiben.
Das vorgesehene Grundstück liegt am südwest­lichen Rand der Innenstadt, im Bereich des Inneren Grüngürtels. Es ist Teil einer Umstrukturierungsfläche, auf der entsprechend dem Masterplan Innenstadt ein universitätsnaher Wissenschaftspark entstehen soll. Bei der Standortwahl stellte sich die Frage, ob ein Bürgerarchiv an dieser vergleichsweise dezen­tralen Stelle überhaupt frequentiert wird und ob es dort einen Impuls für die städtebauliche Entwicklung geben kann. Für den Eifelwall sprachen jedoch vor allem praktische Gründe: Das Grundstück gehört der Stadt, ist flexibel bebaubar und liegt in der Nähe zur Universität. Synergien zwischen Kultur- und Forschungsstätten sind naheliegend.
Aus den mehr als 200 Bewerbungen für den Wettbewerb wurden zu den 15 gesetzten Teilnehmern 30 ausgewählt. Die Jury (Vorsitz: Carlo Weber) empfahl das Darmstädter Büro Waechter + Waechter (1. Preis) mit der weiteren Planung zu beauftragen. Am deutlichsten zeigt das Modell wie die Architekten die widersprüchliche Wettbewerbsaufgabe, ein zugleich einladend-offenes und sicher-unzerstör­bares Gebäude zu entwerfen, gelöst haben. Sie fügen die beiden in ihrer Funktion und Gestaltung verschiedenen Baukörper als Haus-im-Haus-Prinzip zu einem Gebäude zusammen: Ein bronzeverkleideter,
21 Meter hoher Magazinkörper sitzt in einer wesentlich leichter wirkenden 4-geschossigen Mantelbebauung, die Bibliotheken, Lese- und Veranstaltungssäle, sowie Werkstätten und Verwaltung aufnimmt.
Die Jury bezeichnete die Arbeit von Waechter + Waechter der Presse gegenüber als einen „wertvol­-len und wirkungsvollen Beitrag“, so, als wollte sie sich ein wenig dafür entschuldigen, dass sie kei­-
nen spektakulären, sondern einen klassisch-gediegenen Entwurf gekürt hat. Unter den Arbeiten der en­geren Wahl waren weitaus größere Gesten, heiligere Hallen und glamourösere Inszenierungen zu finden. Doch Pathos schien unerwünscht.
Wie die Siegerarbeit erzeugt auch der Solitär von Nieto Sobejano (2. Preis) die gewünschte neue Stadtkante am Eifelwall und nimmt die Traufkante der Umgebung auf, obwohl die Verfasser wesentlich entschiedener eine zeitgemäße Architektursprache verwenden. Sie ordnen die Funktionen horizontal: öffentliche und repräsentative Flächen für Ausstellungen und Lesesaal im Erdgeschoss, Archiv und Magazine kompakt im ersten bis dritten Obergeschoss. Während der Sockelbereich rundum verglast ist, ist die Edelstahlfassade der oberen drei Geschosse an der Kopfseite zur Luxemburger Straße im Bereich des Archivs nahezu vollständig geschlossen und öffnet sich in den Bürozonen Richtung Bahndamm. Interessant ist hier, dass die offenen und geschlossenen Flächen nicht kontrastierend eingesetzt werden, sondern in einer graduellen Abstufung den Charakter des Baukörpers ändern, ohne ihn zu zerlegen.
Gegen dieses Spiel von Schwere, Auflösung und Leichtigkeit hat sich der im wörtlichen wie bildlichen Sinne bodenständige Entwurf durchgesetzt. Angesichts der Tatsache, das es hier um die Zukunft der Geschichte geht, ist das eine durchaus verständ­liche Entscheidung. Die Stadt Köln hofft, dass bis 2015 alle derzeit noch im gesamten Bundesgebiet zur Restauration und Aufbewahrung verteilten Archivalien im neuen bronzenen Schrein untergebracht sind und die interessierten Bürger und Wissenschaftler erwarten können.
Fakten
Architekten Waechter + Waechter, Darmstadt; 2. Preis Nieto Sobejano, Berlin; Thomas Müller Ivan Reimann, Berlin; Staab Architekten, Berlin; Van den Valentyn Architektur, Köln
aus Bauwelt 26.2011
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