„Heidelberg fehlt keine IBA, sondern eine pionierhafte Entwicklungsreform“
Debatte
Text: Baus, Ursula, Stuttgart
„Heidelberg fehlt keine IBA, sondern eine pionierhafte Entwicklungsreform“
Debatte
Text: Baus, Ursula, Stuttgart
Wie breit muss ein IBA-Thema aufgestellt sein? Ursula Baus zweifelt an der Heidelberger IBA-These, dass sich aus der Weiterentwicklung von Wissenschaftsbauten eine zündende Bauausstellung auf die Beine stellen lässt. Sie plädiert dafür, die angestoßene Debatte über das IBA-Format hinweg auszudehnen, und ganz listig allein auf die Baukultur als Motor zu setzen.
Sprachspielereien in Titeln zeugen oft davon, dass ein unklarer Inhalt wohlklingend oder ein bisschen hipp verpackt für Aufmerksamkeit sorgen soll. Das lässt sich auch beim Motto der IBA Heidelberg vermuten: „Wissenschafft-Stadt“. Sollen Wissenschaft (mit einem f) und Stadtproduktion hier zum ersten Mal in ein gemeinsames Bett gezwungen werden? Die Ruprecht-Karls-Universität darf sich rühmen, die älteste Universität Deutschlands zu sein. Man hatte seit 1386, dem Gründungsjahr, Zeit genug, einander Gutes zu tun. So holprig sich Universitäts- und Stadtgeschichte in dieser Zeit entwickelt haben mögen: Die Kontinuität, mit der in Heidelberg – anders als in manch anderen, stark kriegszerstörten Städten – die Geschicke der Architektur, der Quartiere, der Straßen und der gesamten Infrastruktur vorangetrieben wurden, ist so dürftig nicht. Ausgerechnet hier und jetzt „Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft“ als IBA-Thema auszuarbeiten, mutet durchaus merkwürdig an. Zumal sich nicht nur die Heidelberger, sondern eigentlich alle Stadtgesellschaften in Europa als „Wissensgesellschaft“ begreifen; überall ruft man nach Bildung, noch mehr Bildung, und zwar für alle.
In Heidelberg stehen in der Tat wichtige Stadtplanungsaufgaben an: Der Verkehr braucht eine kräftige Umstrukturierung, für aufgegebene Kasernenareale müssen Konzepte entwickelt werden (in München war kürzlich eine Ausstellung mit acht gelungen Beispielen zu sehen), Industrie- und Gewerbebrachen bedürfen einer Restrukturierung, Altstadt und große Neubaugebiete aus den sechziger und siebziger Jahren gilt es zeitgenössischen bautechnischen und funktionalen Standards anzupassen und (wie beispielsweise das Neuenheimer Feld) besser an andere Quartiere anzubinden.
Dass dabei Kitas, Schulen und andere Bildungseinrichtungen in Schuss gehalten und im stadträumlichen Umfeld besser verankert werden müssen – eines der Programmziele der IBA –, das heißt, zur Identifikation der Bewohner mit ihrer Heimatstadt beitragen sollten, gebietet sich überall. So what? Die genannten Aufgaben, in denen die IBA Heidelberg „Probleme“ erkennt, müsste eine Stadtplanungsbehörde im Zusammenspiel mit Landesbehörden (Universität) und gesamtgesellschaftlich agierenden Politikern schon lösen können. Zumal bislang eigentlich alles passabel läuft.
Über die Alltagsplanungsaufgaben hinaus ist in Heidelberg keine „Not“ zu erkennen. Bislang ist sie auch nicht ortsspezifisch beschrieben worden. Man sollte also die überschaubaren Versäumnisse und Fehler der jüngeren, alltäglichen Stadtplanung analysieren, bewerten und Konzepte für eine Verbesserung der Lage entwickeln. Und dabei vielleicht die Stadtplanungsbehörde in ihrer Kapazität und Unabhängigkeit stärken. Die bislang sicher nicht schlechte Zusammenarbeit mit dem Universitätsbauamt sowie mit den Kommunen in der Region ließe sich verbessern und einen breiteren öffentlicheren Austausch könnte man sich vorstellen – wobei Bürgerbeteiligung in Heidelberg ja auch kein Fremdwort ist. Bisherige Projektvorschläge der IBA – wie ein Lernzentrum mit Bibliotheksverbund, ein Zentrum für Architektur und Design, ein Zentrum der Stille oder die Erweiterung der Sammlung Prinzhorn – weisen bereits auf Defizite in der lokalen Kulturentwicklung hin, die man anpacken sollte.
Braucht man dafür aber eine „Bauausstellung“? Mit ein paar Stararchitekten aus Übersee? Für einen IBA-Zeitraum von zehn Jahren einen Sonderzustand, der seine Legitimation vor allem aus den Wissenschaftsbauten ableitet? Die gelungene Renovierung des Heidelberger Theaters durch die Darmstädter Architekten Waechter + Waechter zeigt, was an Neuerungen möglich ist in der Stadt. Geht es nicht eher darum, auf vergleichbare Weise eine vorhandene Kontinuität der Architektur weiter zu entwickeln und dabei genauer als bisher auf die baukulturellen Ansprüche zu achten.
Kontinuität bedeutet nicht nur Bewahren, sondern vor allem auch: Anpassen und Erneuern. Das gilt auch für den Städtebau, der eine kluge Planungsreform mit den Kriterien sukzessiver struktureller Qualitätssteigerung verbindet. Damit hätte man in Heidelberg die Chance, kommunal und regional modellhaft Neues zu wagen, das heißt, vom finalen Ausstellungscharakter einer IB„A“ wegzukommen und deren Schwerpunkt auf prozessorientierte Strukturveränderungen zu verschieben. Das hieße etwa: Reformiert die Zuständigkeiten innerhalb der Stadt, sofern es nötig ist. Nutzt dafür die Zusammenarbeit aller Beteiligten, die beispielsweise schon einen gemeinsamen Masterplan beraten haben. Mit der Universität Stuttgart wirkt zudem eine Architekturfakultät mit, die Heidelberger Industrie ist auch im Boot. Wenn solche eine modellhafte Reform im Sinne verstärkter Kooperationen auf den Weg gebracht würde, könnte sie länger und nachhaltiger wirken als eine 10-Jahres-IBA.
Die Konzeption neuer Neckarbrücken, die Entwicklung von städtischen Planungskonzepten, die die unterschiedlichen Qualitäten des Wohnens in den Vordergrund rücken, das Integrieren der verschiedenen Campus-Pläne und die Verknüpfung solcher Strukturen mit der gesamten Region Rhein-Neckar – das sind große Aufgaben eines Planungsalltags, der modellhafte Projekte geradezu provoziert. Hier liegt die herausragende Aufgabe für den neuen IBA-Geschäftsführer Michael Braum, der sich wie kaum ein anderer Stadtplanungserfahrung und baukulturelles Engagement zugute halten kann. Mehr braucht es nicht. Und dann stünde diese IBA eines Tages nicht mehr unter dem modischen Motto „Wissenschafft-Stadt“, sondern ginge als pionierhafte Stadtentwicklungsreform, vielleicht gar als „Heidelberger Modell“ in die Planungsgeschichte ein.
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