Bauwelt

Himmelblaue Wunder

Aedes-Hommage zum 70. von Wolf D. Prix

Text: Kowa, Günter, Berlin

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Wolf D. Prix © Coop Himmelb(l)au

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Wolf D. Prix © Coop Himmelb(l)au


Himmelblaue Wunder

Aedes-Hommage zum 70. von Wolf D. Prix

Text: Kowa, Günter, Berlin

„Architektur muss brennen!“, hieß es im 68er-Wien, während eine flammende Stahlkonstruktion am Kran hing. Und Wolf D. Prix gehen die Metaphern nicht aus, mit denen er seine Mannschaft seit 45 Jahren an­feuert: Architektur im Geiste von Coop Himmelb(l)au muss auch bluten, erschöpfen, tränen, brechen, leuchten, reißen; ...
... sie muss hart, eckig, brutal, farbig, nass, trocken, feurig, zärtlich, geil sein; sie muss aus ihrem „schwächsten Punkt“, dem Entwurf, heraus zu „einer neuen Art von Sprache“ finden: „Emotionen wecken, befriedigen, provozieren“.

Aedes in Berlin richtet Wolf D. Prix zu seinem 70. Geburtstag eine Ausstellung über, besser: eine Hommage an „Coop Himmelb(l)au“ aus. Entwürfe in ihrer genialischen Form liegen, zu Telefonbuchdicken Wälzern gebunden, zum Durchblättern parat, wenn sie nicht auf den Bildschirmen flimmern, die in einer geballten Installation die himmelblauen Weltwunder aus dem gestischen Handschwung heraus erklären. Und auch die Erinnerungsstücke aus den Anfängen sind da, als das Kollektiv den Aufstand gegen die „Biedermänner“ der Postmoderne probte und krachend die „Dekonstruktion“ erfand. Häuser soll­-ten veränderbar, zugleich ein Hochspannungsfeld von blitzartiger Energie sein. Die Metapher, die sich anfangs zu Kugeln, Ballons, Röhren, Splittern formte, wächst sich mittlerweile zur Kakophonie aus. Wellen, Wolken, Eisberge, Linienbündel, Wirbel, Kuppeln, Kegel, Trichter: So viele Gebilde von entfesselter Geometrie sah man noch selten auf einem Haufen.

Keine Vision, die nicht baubar wäre. In Prix’ Denkweise sind seine Bauten die notwendige Konsequenz implodierender Stadtstrukturen, sie werden immer mehr zur Stadt an sich. Sich offenbar bewusst selbst widersprechend, verweist er dennoch für je­des seiner Gebilde auf die Recherche der Umgebung, auf die es angeblich reagiert. Beim Dresdner Ufa-Kinopalast waren die stürzenden Glaswände tatsächlich noch inszenierter städtischer Raum. Aber die Münchner BMW-Welt mit ihrem Walfischbauch-Dach, das aus einem Doppelkegel zu wachsen und wider alle Tektonik auf ihm zu ruhen scheint, vermag man beim besten Willen nirgends anzukoppeln. Das Musée des Confluences, im Bau in Lyon, ist ein kantiger, bauchiger Riesenleib, der trotz Masse zu schweben scheint, um den Durchblick von der Stadt zur Rhone offen zu lassen. Das Gebäude vermittelt in „Old Europe“ etwas vom Bauen für massenhafte Besucherströme, die in Chinas Metropolen ihre kulturelle Mitte in multidimensionalen Zentren finden: im Conference Center von Dalian, im Museum of Contemporary Art and Planning in Shenzhen.

Nachrichten aus einer untergegangenen Welt

Für Prix paraphrasieren diese gewaltigen Strukturen Stadt. Der Architekt trotzt noch jedem Bauherrn „öffentlichen“ Raum ab, den die herkömmliche Stadt seiner Meinung nach nicht mehr bietet, da sie zu gebündelten Verkehrswegen verkommen sei. In Lyon soll ein „Boulevard“ den Bau durchqueren, und beim koreanischen Busan Cinema Center überwölbt das „längste auskragende Dach der Welt“ eine öffentliche „Plaza“. Folgen kann man dieser Argumentation nur, wenn man wie Prix Stadt als ein Spektakel sieht, das zum Schauen und Staunen herausfordert.

Der Werdegang des Büros ist dank ausgebreiteter Literatur nachzuverfolgen. Dass Coop Himmel­b(l)au im Sprengen architektonischer Erstarrung seinerzeit auch ein politisches Statement abgab, ja eine erklärtermaßen antikapitalistische Architektur proklamierte, liest sich wie Nachrichten aus einer untergegangenen Welt. Auf seine Auftraggeber angesprochen, will Prix nicht herunter von seinem emanzipatorischen Anspruch, und so soll etwa auch die geplante Zentralbank von Aserbaidschan, wie die EZB in Frankfurt, durch „öffentlichen“ Raum die Machtverhältnisse unterlaufen.

Doch vielleicht steckt die heutige utopistische Energie von Coop Himmelb(l)au in zwei kiloschweren Schriftwerken nebst Videoinstallation: Im Gespräch deutet Prix selbst an, dass ihm „energetische Stadtplanung“ immer wichtiger wird, und man kann es glauben angesichts des gewaltigen Recherche-Rohmaterials, das er in den nächsten zwei bis drei Jahren zu einem „Energie-Raumplan“ ausarbeiten lassen will. Wenn es autark mit erneuerbarer Energie wirtschaften will, muss das Wien der Zukunft, glaubt er, auch planerisch neu gedacht und gebaut werden, entlang von Energie-Kernen und -Linien. Dass seine Bauten jetzt schon mehr Energie produzieren als verbrauchen, ist für ihn schon mal ein Schritt dahin. Aber man mag sich nicht vorstellen, dass die energieautarke Stadt der Zukunft allein auf die Architektur von Coop Himmelb(l)au angewiesen ist.  

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