How to make a japanese house
Wohnen mit Mut zum Experiment
Text: Drewes, Frank F., Herzebrock-Clarholz
How to make a japanese house
Wohnen mit Mut zum Experiment
Text: Drewes, Frank F., Herzebrock-Clarholz
Wohl keine Stadt auf der Welt verfügt über einen dichteren Teppich aus frei stehenden Einfamilienhäusern wie Tokio. Die traditionell multifunktional und kompakt ausgelegten Wohnhäuser Japans sind besonders in Tokio durch steigende Preise und Übervölkerung bis ins Extrem ausgereizt.
Genau genommen verfügt ein Großteil der Bevölkerung der städtischen Agglomerationen überhaupt nicht über Wohnraum, sondern lediglich über eine Schlafstätte mit Nasszelle und angeschlossener Teeküche. Das Wohnen im Sinne von „sich aufhalten“ findet längst im öffentlichen Raum statt, der einerseits der reale Stadtraum sein kann, andererseits aber immer häufiger virtuell ist.
Die räumliche Distanz Mitteleuropas zu Japan führt zu einem Zerrbild der Realität, die hierzulande als durchgestylt, kontemplativ und Design-affin gilt. Der japanische Alltag gleicht dagegen in seiner überwiegenden Trivialität dem amerikanischen (und wohl auch dem europäischen), und Häuser von Ando, Ito, Sanaa und Co. sind in Japan so selten wie Case Study Houses in Los Angeles.
Mit „How to Make a Japanese House“ bietet Cathelijne Nuijsink zwar auch Einblick in die exotischsten und elitärsten aller (kompakten) Einfamilienhäuser, aber der Blick geht weiter, auch hinter die Kulissen. Nachvollziehbar schildert die Autorin, warum die vorgestellten Häuser so leer erscheinen (das traditionelle japanische Haus kennt quasi keine Möbel), warum sie auch auf kleinster Fläche funktionieren (in den Stadtraum ausgelagerte Wohnfunktion) und woher der Mut zum Experiment kommt (die durchschnittliche Lebenserwartung eines japanischen Hauses liegt bei 26 Jahren). Der Durchschnittspreis der gezeigten Häuser liegt bei 180.000 Euro, die exorbitanten Grundstückskosten noch nicht eingerechnet. Das Gros der Einfamilienhausneubauten stammt auch in Japan von Bauträgern oder aus dem Katalog; nur ein Bruchteil wird eigens aus dem Grund entworfen, weil das Grundstück so klein und exotisch geschnitten ist, dass ein Fertighaus dort nicht platziert werden kann.
Cathelijne Nuijsink hat sechs Jahre in Japan gelebt und studiert und dabei ausführliche Recherchen zum Thema zeitgenössisches Wohnen betrieben. Die meisten der 21 vorgestellten Projekte (fast alle realisiert) werden auf jeweils 12 Seiten präsentiert, die mit einem doppelseitigen Foto und wertvollen Projektinformationen starten. Statt eines beschreibenden bzw. interpretierenden Textes gibt es bei jedem Projekt ein dreiseitiges Interview der Autorin mit den Architekten. Es folgen weitere Fotos und zum Abschluss ein plakatives Zitat der Architekten auf einer ganzen Seite. Das Planmaterial wird leider nur auf einer Seite, sehr zart und recht unvollständig präsentiert.
Die Anordnung der Projekte folgt dem Geburtsjahr der Architekten und führt somit zu den drei Rubriken 50er Jahre (u.a. Kengo Kuma und Kazuyo Sejima), 60er Jahre (Ryue Nishizawa) und 70er Jahre (u.a. Sou Fujimoto und Go Hasegawa). Zusätzlich gibt es noch Essays zu jeder Dekade und fünf thematische Essays am Ende des Buches. Die Aufmachung dieser Publikation wirkt frisch und unkonventionell: Paperback im Format eines dicken Taschenbuches, Fotos im Anschnitt, Texte bis dicht an den Blattrand, und gestartet wird unmittelbar auf dem Vorsatz, der Buchdeckel-Innenseite. „How to Make a Japanese House“ ist ebenso kompakt und extensiv wie intensiv.
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