Bauwelt

„Ich habe Zweifel gegenüber einigen Symbolen.“

Interview mit Manuel Herz

Text: Elser, Oliver, Frankfurt am Main

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Iwan Baan

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„Ich habe Zweifel gegenüber einigen Symbolen.“

Interview mit Manuel Herz

Text: Elser, Oliver, Frankfurt am Main

Herr Herz, muss man religiös sein, um dieses Gebäude errichten zu können?
Manuel Herz | Ich bin nicht religiös und fände es erschreckend, wenn man in eine sektiererische Position abrutschen würde: Synagogen werden von Juden, Kirchen von Christen und Moscheen von Moslems gebaut.
Beim Rundgang hatte ich den Eindruck, dass einige Symbole und Verweise in Bezug auf die jüdische Geschichte sehr wichtig waren, andere jedoch vermieden werden sollten.

MH | Ich habe einen gewissen Zweifel gegenüber einigen Symbolen, die man bei einer Synagoge erwartet. Der Davidstern beispielsweise, der sinnbildlich für das Judentum stehen soll, ist während der Nazi-Zeit instrumentalisiert worden, ist heute aber zionistisch belegt. Mir ging es um eine andere Richtung: Vieles an dem Gebäude verweist auf die Rolle, die Mainz für die theologische Entwicklung des Judentums gespielt hat, insbesondere im Mittelalter, sowie auf die Diaspora. Die Diaspora ist ein Aspekt, der beim Bau von Synagogen nicht häufig vorkommt, aber eine immense, fast auch politische Bedeutung hat.

Bei den Synagogen in Dresden und München spielen Stiftszelt und Tempel eine Rolle. Die beiden Architekturmotive des alten Testaments werden dort als filigranes Netz und massive Hülle interpretiert. In Mainz hingegen fehlt das Motiv des Provisorischen, Filigranen.

MH | Tempel und Stiftszelt verweisen auf eine absolute Heiligkeit, die seit dem Beginn der Diaspora nicht mehr existiert. Gerade das macht das „diasporadische“ Judentum interessant. Auf einer gestalterischen Ebene bevorzuge ich eine Architektur, die Substanz hat, nicht zu dynamisch ist, sondern eine gewisse Robustheit hat.
Mein erster Eindruck war das Gefühl eines zerrütteten Baukörpers.
MH | Zerrüttetheit wollte ich nicht zum Ausdruck bringen. Ich wollte mich auch explizit nicht auf den Holocaust beziehen oder auf die Synagoge, die vorher hier stand.
Aber so, wie die Fassade gestaltet ist, fällt es doch schwer, das zu vermeiden?

MH | Es ging mir um eine Konnotation von „kleiner Urbanität“: Das Auf und Ab von giebelständigen Häusern. Zudem suche ich nach einer städ­te­baulichen Antwort auf den urbanen Kontext.
Warum soll nichts, außer den Säulenresten auf dem Vorplatz, an den Vorgänger-Bau erinnern?

MH | Ich beziehe mich stark auf die jüdische Geschichte von Mainz. Würde sich dieses Gebäude auf den Vorgängerbau beziehen, ihn in irgendeiner Weise nachzeichnen, dann sähe ich die Gefahr, dass die Geschichte verkürzt wird auf die­ses eine Gebäude, das zufälligerweise hier stand.
Ist eine Synagoge in Deutschland zugleich ein Stück weit „politische Architektur“?

MH | Das Ziel war, ein wirklich öffentlich zugängliches Gebäude zu schaffen, das nicht abweist.

Gleichzeitig bin ich mir bewusst, dass Synagogen und jüdische Gemeindezentren in Deutschland eine politische Rolle spielen. Nichts wird so öffentlichkeitswirksam eröffnet wie eine Synagoge. Sie haben nicht nur die Funktion, einer jüdischen Gemeinde ein neues Heim zu geben. Sie erfüllen auch politische Interessen. Ein Politi­ker kann sich hinstellen und sagen, dass Juden in Deutschland wieder sicher leben, dass sie ihre Heimat hier gefunden haben.
Dieser Normalität des neuen jüdischen Alltags in Deutschland ist nicht zu trauen?

MH | Eine andere Art, jüdische Alltäglichkeit in das Stadtbild zu bringen, wäre eine koschere Falafel-Bude zu bauen, die sich dann wirklich nicht eignet, zu Repräsentationszwecken herangezogen zu werden. Ich habe zumindest versucht, die Synagoge ein Stück weit zu desakralisieren.
Fakten
Architekten Manuel Herz Architekten, Basel/Köln
aus Bauwelt 37.2010
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