Identitätssuche
Was macht die „Metropole Nordwest“ aus?
Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig
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Was macht die „Metropole Nordwest“ aus?
Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig
Elf sogenannte Metropolregionen sind in Deutschland ausgewiesen, so beschloss es die Ministerkonferenz für Raumordnung im Jahr 2005. Eine davon ist die „Metropole Nordwest“, die Region rund um Bremen und Oldenburg, mit 2,72 Millionen Einwohnern die zweitkleinste der elf.
Wenngleich mit leichtem Bevölkerungszuwachs gesegnet, weist sie wegen des hohen ländlichen Anteils eine wahrlich nicht als metropolitan zu bezeichnende Einwohnerdichte auf.
Nicht immer nur Backstein
Das Bremer „Zentrum für Baukultur“ und das Oldenburger Forum „bau_werk“ sind das tapfere Unterfangen eingegangen, für dieses Konstrukt eine Bestandsaufnahme der Architektur seit 1950 zu erstellen. Die Wanderausstellung mit dem Titel „Es muss nicht immer Backstein sein“ ist zurzeit bei der Architektenkammer Niedersachsen in Hannover zu sehen. Sie umfasst rund 100 Bauten oder Ensembles, die auf 35 Bannern in acht Ausstellungsthemen gruppiert sind. Das typologische Spektrum reicht vom „Untermalen“ eines Ortes über das „Weiterentwickeln“ bis zu seinem „Herausfordern“, womit experimentelle Ansätze gemeint sind. Im Katalog wurden die Beispiele in geografische Untergruppen sortiert, in der praktischen Absicht, einen Architekturführer zusammenzustellen.
Um es vorweg zu nehmen: Die „Metropole Nordwest“ kann es keineswegs aufnehmen mit schwergewichtigen Architekturregionen, und seien sie ebenfalls randlagig, wie etwa Vorarlberg oder aktuell Südtirol. Das „bewusst gewählte Gewöhnliche, der Verzicht auf architektonische Exaltiertheit scheinen die Baukultur im Nordwesten zu bestimmen“, so sinniert der Mitherausgeber des Katalogs, Eberhard Syring vom Bremer Zentrum für Baukultur, in seiner Einleitung über die grundsätzliche mentale Verfasstheit des Landstrichs. Im weiteren Verlauf versucht Syring äußerst sensibel, jeder Architekturströmung nach 1950 prägnante Beispiele aus der Region zuzuordnen. Dabei werden Kleinode zutage gefördert wie der Oldenburger Herbartgang aus den 60er Jahren, eine privat initiierte Fußgängerpassage, die situativ Historisches mit Neuem ergänzt – aber auch ausgesprochene Banalitäten wie die postmoderne Bremer Marterburg aus den 80ern oder gar das Oldenburger ECE-Einkaufscenter.
Wettlauf um EU-Fördermittel
Der formulierte Qualitätsanspruch ist somit nicht immer nachvollziehbar. Und die Beschränkung des Blicks allein auf Hochbauten erweist sich schnell als ermüdend, die reine Inventarisierung als zu kurz gegriffen. Man hat das Gefühl, dass methodisch eine Chance vertan wurde, denn die „Metropole Nordwest“ umfasst ebenso heterogene wie eigenständige Kristallisationspole: Bremen, die kaufmännisch-bürgerlich geprägte, ehemals Freie Reichs- und Hansestadt; Oldenburg, das vormals großherzögliche, idyllische Residenzstädtchen; Wilhelmshaven, die preußisch-disziplinierte Stadtgründung aus der Mitte des
19. Jahrhunderts. Hier wäre es erkenntnisreicher gewesen, den gegenwärtigen Charakter der jeweiligen Städte zu skizzieren als die Bauten in übergestülpte Kategorien der Architekturgeschichte einzuordnen. Und das hätte vielleicht etwas zum kritischen Verständnis des politischen Kalküls „Europäische Metropolregion“ beigetragen, nämlich alles mit jedem im Wettlauf um EU-Fördermittel gleichzuschalten – eben ohne Gespür für lokale Kraft und Eigenart.
19. Jahrhunderts. Hier wäre es erkenntnisreicher gewesen, den gegenwärtigen Charakter der jeweiligen Städte zu skizzieren als die Bauten in übergestülpte Kategorien der Architekturgeschichte einzuordnen. Und das hätte vielleicht etwas zum kritischen Verständnis des politischen Kalküls „Europäische Metropolregion“ beigetragen, nämlich alles mit jedem im Wettlauf um EU-Fördermittel gleichzuschalten – eben ohne Gespür für lokale Kraft und Eigenart.
Backstein darf es gerne sein
Doch was hat es nun überhaupt noch mit dem regionalen Traditionsmaterial Backstein auf sich? Selbst im Ringofen manuell erzeugte ostfriesische Torfbrandklinker sind mittlerweile ja längst zu Backsteintapeten mit meterweit hängenden Stürzen degeneriert und werden, auf Betonmatrizen geklebt, an Einsatzorten in der ganzen Welt in luftige Höhen gestemmt. Auch hier hätte man sich einen Exkurs über die aktuelle Bedeutung des immerhin ja titelgebenden Werkstoffs gewünscht. Stattdessen wird unreflektiert eine (vermeintlich noch handwerkliche) Plastizität am Beispiel der Erweiterungsbauten der Hochschule Bremerhaven von Kister-Scheithauer angeführt oder das Beluga-Gebäude auf dem Bremer Teerhof mit seinem klapperdürren Klinker-Raster.
Mit dem Erweiterungsbau des Alfred-Wegener-Instituts Bremerhaven von Otto Steidle aus dem Jahr 2004 präsentiert die Ausstellung jedoch auch eine sehr intelligente Haltung. Unter Verzicht auf irdene Konnotationen geben die farbig glasierten, verfremdeten Ziegel hier deutlich erkennbar nur noch die vorgehängte Fassaden-„Haut“, die lässig den schematischen Rapport quadratischer Fenster überfängt – ein ausnehmend frischer, gänzlich unsentimentaler Gebrauch eines überlieferten Materials. Man könnte also sagen: Backstein darf es gerne sein.
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