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„In einem engen Treppenhaus müssen die Leute nett zueinander sein“

Ludwig Leo auf 5,6 Quadratmetern in Berlin

Text: Kleilein, Doris, Berlin

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Foto: Jan Windszus

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„In einem engen Treppenhaus müssen die Leute nett zueinander sein“

Ludwig Leo auf 5,6 Quadratmetern in Berlin

Text: Kleilein, Doris, Berlin

Man kann sich keinen besseren Ort für eine Ausstellung über Ludwig Leo vorstellen als die 5,6 Quadratmeter große Galerie „die raum“. Jeder Quadratzentimeter wurde genutzt. Dicht und lebendig wie auf einer Tuschezeichnung von Leo geht es zwischen den Betonwänden zu.
Es gibt so viel unveröffentlichtes und eigens produziertes Material zu sehen, dass man damit so manche Halle hätte füllen können. Man fühlt sich, und das ist ein sehr schöner Effekt, in eines der minimalen Wohnmodule des Architekten versetzt, in das neben den Bewohnern immer noch mindestens drei Gäste hineinpassen.
Die Ausstellung ist ein Projekt der Wüstenrot Stiftung, die in Berlin mit der Sanierung von Leos bekanntestem Gebäude, dem Umlauftank im Berliner Tiergarten, begonnen hat. Um diesen geht es aber einmal gerade nicht. Der Umlauftank bleibt außen vor: als aufgesprühte rosa-blaue Zeichnung auf der neu angefertigten Metalltür der Galerie, ein quasi symbolischer Zugang zum Werk.
Mit Ludwig Leo (1924–2012) beschäftigen sich die Kuratoren seit langem, mit der Ausstellung und dem Katalog füllen sie einen weißen Fleck: Das Viererteam von BARarchitekten (Antje Buchholz, Jack Burnett-Stuart, Michael von Matuschka und Jürgen Patzak-Poor) nähert sich dem Werk nicht aus der Perspektive von Wissenschaftlern, sondern aus der von Architekten. Sie haben die wenigen Gebäude Leos immer wieder besucht und analysiert und so „Eindrücke aus erster Hand“ gesammelt. Gregor Harbusch, der an einer Dissertation zu Ludwig Leo arbeitet, komplettiert das Kuratorenteam mit dem architekturhistorischen Blick – und ersten Einsichten in den Nachlass, den Leo dem Baukunstarchiv der Berliner Akademie der Künste vermacht hat.
Die Ausstellung beschränkt sich auf vier Gebäude (zwei davon sind realisiert, zwei Entwurf geblieben), die mit teilweise unveröffentlichten Originalzeichnungen und jeweils einer „Interpretation“ aus dem Jahr 2013 gezeigt werden. Der Fotograf Jan Windszus hat die Streetdance Meisterschaft in der Sporthalle in Berlin-Charlottenburg (1960–65) festgehalten, Leos erstem großen Bau; es gibt eine Wandtapete mit einer skalierten 1:1-Zeichnung der Laborschule Bielefeld (Entwurf 1971/72) und ein anschauliches Modell des Wohnmoduls für die Erweiterung des Landschulheims am Solling in Holzminden (Wettbewerbsbeitrag 1974–76). Das Highlight der Ausstellung aber ist auf einem kleinen, aus der Wand ragenden Monitor zu sehen: der Animationsfilm „DLRG“, den Antje Buchholz, Sven Flechsenhar und Maja Weyermann in mühevoller Kleinarbeit aus Originalplänen und Farbaufnahmen des Architekten gebastelt haben. Der Schnee rieselt melancholisch am Berliner Pichelssee und die handgezeichneten Boote werden knarzend und unter lauten Rufen den Schräglift hinaufgezogen. So pur, so nah an der Gedankenwelt des Architekten wie in diesem Kurzfilm hat man den DLRG-Tauchturm, der im Laufe der Jahre um- und verbaut wurde, noch nie sehen können.
Nicht nur in dem Film, in der gesamten Schau sind es konsequenterweise Leos Zeichnungen, die im Mittelpunkt stehen. Keine Perspektiven, keine Isometrien, sondern Grundrisse und Schnitte auf Transparentpapier, in denen es vor Menschen nur so wimmelt. Jede Zeichnung erzählt gleich mehrere Geschichten. Die Figuren sind nicht zur Illustration hinzugefügt, „sondern sind der eigentliche Gegenstand der Planzeichnungen“, wie Jack Burnett-Stuart in seinem Essay „Wo ist Leo?“ im Katalog bemerkt. Sie reden miteinander, sie sitzen sich gegenüber, sie schauen sich an. Der Autor konterkariert den My-thos des wortkargen Eigenbrödlers, als der Leo im-mer wieder gern dargestellt wird, nachdem er sich mit der Fertigstellung des Umlauftanks 1974 im Al-ter von nur 50 Jahren vom Bauen und weitgehend auch aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat. Burnett-Stuart  liest aus den Zeichnungen das soziale Engagement, das die Entwürfe Leos durchdringt, und zitiert ihn mit einem Satz, der auch über der ganzen Ausstellung stehen könnte: „In einem engen Treppenhaus müssen die Leute nett zueinander sein.“
Eine dichte Packung ist diese kleine Ausstellung, sie holt ein Werk hervor, in dem es noch viel zu entdecken gibt und das trotz prägnanter Gesten Lichtjahre entfernt ist von jeder Signature Architecture.

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